Voerde. Einige Anwohner und die Stadt sind wegen genehmigter Nachnutzung der alten Disco im Rechtsstreit. Im Frühjahr ist der Ortstermin zur Verhandlung.

Die für den 29. Februar angekündigte Neubelebung des früheren „Paradise Planet“ als Festsaal unter anderem für Hochzeiten, 80er- und 90er-Partys, Karnevalsveranstaltungen oder Tanzabende löst bei Feierwilligen ungetrübte Vorfreude aus – in der unmittelbaren Nachbarschaft indes blickt man mit großer Sorge auf das geplante Revival in der ehemaligen Diskothek an der B8, die dereinst auch über die Grenzen Voerdes hinaus bekannt war und Besucher aus der umliegenden Region anzog. Gegen die von der Stadt vor eineinhalb Jahren erteilte Baugenehmigung gehen einige Anwohner juristisch vor. Drei Nachbarn zweier Grundstücke haben beim Verwaltungsgericht Düsseldorf dagegen Klage eingereicht. Schon bald, im Frühjahr, soll dazu ein Ortstermin stattfinden. Die Kläger sehen ihre nachbarschützenden Rechte durch die Baugenehmigung für das „Reyna Palace“ – so der neue Name des Festsaals – nicht gewahrt.

Nachbarn: Vorgehen der Stadt ist grundsätzlich rechtswidrig

Das Vorgehen der Stadt sei zudem grundsätzlich rechtswidrig, monieren diese. Der gültige Bebauungs- und der Flächennutzungsplan geben die Realisierung des von dem Investor beantragten Festsaals nicht her. Eine Änderung hätte ein Verfahren nach sich gezogen, bei dem Politik und Öffentlichkeit hätten beteiligt werden müssen. Am Ende hätte der Stadtrat dafür grünes Licht geben müssen. In dem aktuellen Fall wurde die Politik nicht gefragt.

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Die Anwohner verweisen darauf, dass bereits das „Paradise Planet“ Anfang der 2000-er Jahre von der Stadt nicht ohne Änderung des Bebauungsplanes Nr. 91 „Haus Saathoff“ von 1989 hätte genehmigt werden dürfen, weil es sich dabei – wie auch jetzt bei dem Festsaal – um eine „Vergnügungsstätte“ gehandelt habe. Nach eigener Auskunft der Stadt ist der B-Plan in seiner Ursprungsfassung bis heute rechtsgültig. Dort ist „Haus Saathoff“ als Gaststätten- und Übernachtungsbetrieb verankert und aus der Festlegung, dass künftige Erweiterungen nur noch im Rahmen eines Bebauungsplans möglich seien, hätte sich nach Auffassung der Kläger und des eingeschalteten Fachanwaltes die Notwendigkeit ergeben, den B-Plan Nr. 91 zu ändern.

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Dort ist auch Folgendes festgesetzt: Der Bebauungsplan muss berücksichtigen, dass der Standort des Unternehmens in ein Wald- und Erholungsgebiet hineinragt, dessen Funktion nicht beeinträchtigt werden darf. In den Reihen der Anwohnerschaft stellt sich die Frage, welche Auswirkungen der Betrieb einer Veranstaltungshalle für Wald und Tiere haben könnte und inwiefern diese Aspekte von der Stadt mit bedacht wurden.

Furcht vor noch mehr Lärm als zu Diskotheken-Zeiten

Der Betrieb der Festhalle wurde von 15 bis 2 Uhr an Werktagen und 15 bis 4 Uhr an Sonn- und Feiertagen genehmigt. In Anbetracht der Nutzungsarten fürchten die Anwohner insbesondere nachts um ihre Ruhe. Schon die Situation beim „Paradise Planet“, das freitags sowie samstags und an Feiertagen betrieben worden sei, beschreibt Anwohnerin Heike van der Velden als belastend. Mit den deutlich erweiterten Öffnungszeiten befürchtet sie, dass sich die Lage noch einmal potenzieren werde.

Die Nachbarin rechnet damit, dass es bei der Nutzung des Festsaals auch um die Veranstaltung von „türkischen Hochzeiten“ gehen könnte – was sie aus den Auflagen der Stadt an den Betreiber in ihrer Baugenehmigung und aus dem Fakt ableitet, dass dieser ein Brautmodengeschäft in Marxloh haben soll. Die Spezifizierung als „türkische Hochzeit“ ist ihrer Ansicht nach mit Blick darauf von Bedeutung, wie und in welcher Größenordnung gefeiert würde und wie es dadurch um die Lärmbelastung bestellt wäre. In den Vorgaben der Stadt ist von der „Begrüßung der Braut“ und von einem Autokorso die Rede, mit dem sie zu der Halle chauffiert werde. Auch die in den Auflagen erwähnte Aufstellung eines Hähnchenbratwagens ist für die Nachbarin ein Punkt, der auf die Durchführung just „türkischer Hochzeiten“ hindeuten könnte.

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Von Betreiberseite wurde die Klassifizierung als „diskriminierend“ bezeichnet. Es gehe um Hochzeiten allgemein – mit bis zu 600 Personen, hieß es auf Anfrage der NRZ. Auf diese Zahl ist die Nutzung des Festsaals begrenzt. Auch sei von Hochzeiten nicht in der Woche, sondern an den Wochenenden auszugehen, erklärte die Betreiberseite.

Wo auch immer der Schwerpunkt liegen wird – van der Velden lässt die Vorstellung, dass in ihrer direkten Nähe täglich Großveranstaltungen möglich sind, nicht ruhen.

TÜV moniert bei Schallimmissionsprognose des Betreibers zu niedrig angesetzte Werte

Angesichts der Befürchtungen vor Lärmbelastungen durch den Betrieb des „Reyna Palace“ auch im Hinblick auf den ankommenden und abfahrenden Verkehr hat sie die vom Betreiber vorgelegte Schallimmissionsprognose, die ein von ihm beauftragter Gutachter erstellt hatte, durch den TÜV Rheinland prüfen lassen. In dem Bericht werden mehrere zentrale Punkte moniert. Veranstaltungshallen mit bis zu 600 Gästen – als solche wurde der Festsaal „Reyna Palace“ an der B8 von der Stadt genehmigt – in unmittelbarer Nachbarschaft zu Wohngebäuden seien aus schalltechnischer Sicht grundsätzlich als sehr kritisch zu bewerten, heißt es dort.

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Von Von Petra Keßler und Susanne Zimmermann

Dabei sieht der TÜV der Erfahrung nach die Geräusche von Parkplätzen, aus dem Festsaal und von Personen, die sich im Freien aufhalten, als pegelbestimmende Quellen an. Zu der Schallimmissionsprognose des Gutachters, der vom Festsaal-Betreiber beauftragt wurde, konstatiert sie, dass die dort beschriebenen Szenarien und Emissionen zum Teil deutlich unter den Ansätzen lägen, von denen üblicherweise bei Vorhaben dieser Art ausgegangen werde.

Begrenzung auf 83 dB(A) für den Festsaal ist laut TÜV unrealistisch

Ein Punkt sind hier etwa die Angaben zu den Geräuschen aus dem Festsaal. Der Innenpegel wurde mit 83 Dezibel (dB(A)) angesetzt. Die Einhaltung dieses Wertes soll über einen „Limiter“ an der fest installierten Musikanlage gewährleistet werden. Der TÜV gibt zu bedenken, dass 83 dB(A) für Konzerte, Musikveranstaltungen oder auch für Hochzeiten mit Musik unrealistisch seien. Damit diese bei einer Zahl von 600 Gästen überhaupt wahrgenommen werden könne, seien darüber liegende Pegel ab 95 dB(A) und mehr anzusetzen. Auch sollte nach Ansicht des TÜV festgelegt werden, dass nur besagte Musikanlage mit „Limiter“ benutzt werden darf. Musikgruppen und DJs würden oft ihre eigenen mitbringen. Die gelte es, an die vorhandene Anlage anzuschließen. Eine Bewertung der Schalldämmmaße kann der TÜV nach eigener Aussage nicht vornehmen, weil die Außenbauteile des Festsaals (Wände, Dach, Fenster, Türen etc.) nicht detailliert beschrieben worden seien.

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Der TÜV hat für die benachbarten Häuser an der B8 und am Gildeweg im Zeitraum 22 bis 6 Uhr für zwei Szenarien die Geräuschimmissionen ermittelt. Eine geht von einer Hochzeitsfeier oder einer Discoveranstaltung und dem Fall aus, dass ein erster, kleiner Teil der Gäste das Gelände mit dem Pkw zwischen 22 und 23 Uhr verlässt. Der Immissionsrichtwert liege bei 45 dB(A). Der TÜV geht, je nach Lage des betroffenen Nachbarhauses, von 49,5 bis 54,5 dB(A) aus, also von bis zu fast 10 dB(A) mehr. Schon 3 dB(A) mehr bedeuten eine Verdopplung der Schallintensität. Zugrunde gelegt hat der TÜV den im Gutachten des Betreibers angesetzten Immissionsrichtwert für Mischgebiete. Bei Wohngebieten liegt der bei 35 dB(A). Die Einstufung als Mischgebiet könne vom TÜV nicht abschließend bewertet werden, konstatiert dieser.

Stadt verweist auf anstehende Beurteilung durch das Gericht

Die Stadt erklärt zu den Abweichungen zwischen den Angaben in der Schallimmissionsprognose des Betreibers und denen des TÜV, dass man die Stellungnahme des TÜV nicht nur selbst geprüft, sondern auch dem Gutachter des Bauherrn die Chance gegeben habe, sich dazu zu äußern. Dies habe er inzwischen getan. Die Stadt habe sich daraufhin mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Bedenken des TÜV gerechtfertigt seien.

Die Untere Immissionsschutzbehörde des Kreises Wesel, die das gesamte Verfahren begleitet habe, sei ebenso beteiligt worden.Derzeit werde ein Antwortschreiben an die Einwandgeber erarbeitet. Dafür werde einige Zeit benötigt, weil die Stellungnahmen sehr umfangreich und detailliert seien. „Welches Gutachten von den ,realistischen/richtigen’ Annahmen ausgeht, wird sich beim Gerichtsverfahren herausstellen“, erklärte die Erste und Technische Beigeordnete Nicole Johann auf NRZ-Anfrage.