Dinslaken. Dinslakens Wirtschaftsförderin Svenja Krämer spricht im Interview über die Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung. Auftakt der neuen NRZ-Serie.

Das ehemalige Bröker-Lokal an der Neustraße, Intertoys an der Duisburger Straße, mehrere Geschäfte in der Neutor-Galerie, gefühlt die halbe Friedrich-Ebert-Straße: Zwölf Prozent der Verkaufsflächen in der Dinslakener Innenstadt stehen leer. Die Tendenz steigt seit Jahren. Dabei handelt es sich nicht um ein Problem, das nur Dinslaken betrifft. Aber eines, gegen das Menschen in Dinslaken anarbeiten. In der Serie „Handel im Wandel“ beleuchten wir das Problem von mehreren Seiten – auch in Voerde und Hünxe.

Als Auftakt hat sich NRZ-Redakteurin Anja Hasenjürgen mit der Dinslakener Wirtschaftsförderin

Svenja Krämer
über Ursachen und über die Handlungsmöglichkeiten der Stadtverwaltung im Kampf gegen den Leerstand unterhalten.

Welche Aufgaben hat die Wirtschaftsförderung im Bezug auf den Handel in der Innenstadt?

Ich sehe es als unsere Hauptaufgabe an, Standortmarketing zu betreiben: den Standort zu positionieren, ihm ein Image zu geben und dann zu vermarkten. Das ist das große Ganze, das über allem schwebt. Das ist auch die Koordination von Gemeinschaftsaufgaben, von Veranstaltungen wie Late Night Shopping, verkaufsoffenen Sonntage, die Betreuung der Quartiersgemeinschaften Bahnstraße, Neustraße und Altstadt. Ebenso arbeiten wir eng mit den Werbegemeinschaften in der Innenstadt, Hiesfeld und der Neutor-Galerie zusammen, die wir als finanzielle und organisatorische Partner sehen.

Wie gehen Sie mit den zunehmenden Leerständen um?

Eine unserer Hauptaufgabe ist seit Jahren das Ladenlokalmanagement, das sich natürlich insbesondere auf die Leerstände konzentriert. Da stecken wir viel Zeit und Energie rein, weil wir da keine Entwicklung verpassen dürfen. Das Problem haben alle anderen Kommunen auch. Der Einzelhandel ist im Strukturwandel. Wir waren in den vergangenen Jahren auch von den großen Insolvenzen wie MS-Mode, Intertoys oder Apanage betroffen. Diese Entwicklung können wir nicht beeinflussen – aber wir können natürlich die Situation vor Ort beeinflussen.

Svenja Krämer
Svenja Krämer © FUNKE Foto Services | Heiko Kempken


Wie?

Die Ladenlokale, die in der Folge leerstehen, befinden sich ja im Besitz privater Eigentümer. Wir haben so eine Art Frühwarnsystem. Beispiel Gerry Weber: Das Unternehmen ist in der Insolvenz, niemand weiß, wie es weitergeht. Wir halten den Kontakt mit den Eigentümern der Immobilien, wo Gerry Weber Mieter ist, damit wir früh Bescheid wissen, wenn da die Kündigung ins Haus flattert. Und dann versuchen wir mit den Eigentümern zusammen, neue Mieter zu finden. Was nicht leicht ist.

Wie erreichen Sie potenzielle Interessenten?

Die Anzeige bei Immobilienscout ist Standardprogramm. Aber wir raten den Eigentümern auch, einen Zettel ins Schaufenster zu hängen. Expansionsleiter von Filialisten gehen tatsächlich an die Standorte und schauen sich Immobilien an – und wenn sie da direkt den Kontakt zum Eigentümer finden, ist das gut. Wir haben immer wieder auch Anfragen von Einzelhändlern, die bei uns einen Standort suchen oder sprechen auch aktiv Händler an. Das wird aber nicht einfacher, denn die meisten Filialisten expandieren eher nicht, sondern bauen Standorte ab und schauen nur nach Einwohner- oder Umsatzzahl. Oder sie verkleinern Standorte.

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Welche Ansprüche haben die Filialisten an Ladenlokale?

Sie suchen Standards und diese werden auch immer höher. Dadurch, dass Verkaufsfläche nicht mehr so knapp ist wie noch vor ein paar Jahren, als man froh war, wenn man ein gutes Ladenlokal gefunden hatte, können sich die Interessenten die Ladenlokale mittlerweile aussuchen und hängen ihre Standards immer höher. Heißt: Sie brauchen eine große Schaufensterfront, ebenerdig muss es sein, eine Stufe ist schon zu viel, eine moderne Ausstattung und natürlich wird die Miete erst einmal nach unten verhandelt. Die Eigentümer geraten unter Druck, weil sie investieren und gleichzeitig ihre Mietpreisvorstellungen nach unten korrigieren müssen. Das ist ein schmerzhafter Prozess, für den die meisten Eigentümer ein wenig Zeit brauchen. Die meisten sind kooperativ und sehen, dass sie etwas tun müssen, wenn sie einen guten Mieter haben möchten, der für fünf oder zehn Jahre unterschreibt. Es gibt nur wenige Vermieter, die auf ihren hohen Mietpreisvorstellungen beharren. Wenn wir Leerstände haben, die sich strukturell verfestigen, weil das Lokal in schlechtem Zustand ist oder die Lage nicht funktioniert, versuchen wir über Zwischennutzungen wie Schaufensterausstellungen, zum Teil auch über Folie zu kaschieren und zu überbrücken.

Welchen Einfluss hat die Wirtschaftsförderung auf die Zusammensetzung der Geschäfte in der Innenstadt? Eine Zeit lang gab es in der Innenstadt viele Bäcker, dann viele Telefonläden und Euroshops.

Am Ende ist es die Entscheidung des privaten Eigentümers, wir versuchen aber, Einfluss zu nehmen indem wir beraten – auch in der Hinsicht, ob das eine nachhaltige Entwicklung für diese Immobilie ist oder ob dieser Mieter in einem Jahr wieder raus ist. Denn das tut dem Image der Immobilie auch nicht gut. Vielen Eigentümern raten wir, wenn das finanziell geht, lieber ein bisschen abzuwarten als den nächstbesten mit einer minderwertigen Nutzung zu nehmen. Denn das wertet die eigene Immobilie und die ganze Lage ab und hat dann eher negative Effekte auf das Mietpreisniveau in dieser ganzen Lage. Viele Eigentümer sehen das auch ein und warten erst einmal. Oft ist aber nach einer gewissen Zeit der finanzielle Druck so groß, dass sie dann doch einen Mieter nehmen, der zwar nicht der Traummieter ist, aber wo einmal wieder Miete reinkommt. Dafür muss man aber auch Verständnis haben.


Wenn sich für ein leeres Lokal ein Nachmieter gefunden hat – wird dieser von der Stadt unterstützt oder begleitet?

Es gibt viele Verknüpfungspunkte in anderen Fachdiensten der Stadtverwaltung. Nutzungsänderungen etwa sind oft ein Thema für die Bauordnung. Im Moment haben wir einige Fälle, wo vormals Einzelhandel war und nun Gastronomie nachfolgt. Dann muss ein Antrag auf Nutzungsänderung gestellt werden. Das ist im Moment ein Trend, dass Flächen, die vorher vom Einzelhandel genutzt wurden, eher in Richtung Gastronomie weitervermietet werden. Da stellen wir den Kontakt zur Bauordnung her, oft geht es um Themen wie Lärmgutachten, Brandschutz oder Stellplätze. Wenn es um Sondernutzungsflächen für Außengastronomie oder die Werbeanlage geht, stellen wir den Kontakt zum Fachdienst Ordnung her. Wir vermitteln, informieren und suchen gemeinsam eine Lösung.

Wird bei einem Nutzungswechsel von Einzelhandel zu Gastronomie das Wohnumfeld im Vorfeld involviert?

Wir empfehlen den Eigentümern beziehungsweise Mietern das nähere Wohnumfeld zu informieren. Das ist manchmal schwierig aber gewisse Lärmpegel muss man, natürlich im gesetzlichen Rahmen, auch akzeptieren, wenn man in der Innenstadt wohnt.