Dinslaken. Ben Perdighe ist der Kreativkopf des Dimslakener Kunstfestivals KSL. Wir haben mit ihm über Kunst, Kreativität, Kobras und Kinder gesprochen.

Am Wochenende beginnt das Kunstfestival „Kunst statt Leeraum“ – das fünfte! Wir haben mit Ben Perdighe gesprochen. Er hat das Festival ersonnen. Unter anderem. Wir haben uns auf das Du geeinigt.

1 Du hast KSL auf die Beine gestellt, den Poetry Slam nach Dinslaken geholt, warst daran beteiligt, dass das Hexenhaus in der Altstadt bunt wird, bist Teil der Spellener Brauerei, des Mofaclubs Kobras, warst Teil des Victor Hugo, x-mal im Fernsehen, unter anderem bei Stefan Raabs Wok-WM-Aktion. Fehlt etwas?
Frühschicht war im letzten Jahr noch und Momoto, eine nationale Mofa und Mopedtour, ein Spendenlauf von Flensburg bis München, der 16 800 Euro Spenden gebracht hat. Das war cool: 1500 Menschen, die quer durchs Land fahren. Das Geld ging an die Arche Deutschland.

2 Genügen 46 Fragen für alle diese Tätigkeiten?
Wenn Sie gut gestellt sind, ja. (Autorin bekommt Schweißausbrüche)

3 Dann legen wir mal los: deine offizielle Berufsbezeichnung?
Mit meiner offiziellen Berufsbezeichnung habe ich lange gehadert. Wenn mich jetzt jemand fragt, sage ich, ich habe eine Agentur für Veranstaltungsorganisation und Künstlerbetreuung. Damit können die Leute etwas anfangen. Eine ganze Zeit habe ich auch ein Zitat von Rocko Schamoni benutzt, den ich sehr verehre: „Ich habe keinen Job, mein ganzes Leben ist Hobby.“

4 Wie wird man das?
Indem man erstmal Gärtner wird. Ich habe eine Gärtnerlehre bei der Stadt Duisburg abgeschlossen. Dann habe ich versucht, an der Kunstakademie München unterzukommen, einen Job als Barkeeper gehabt, war in Arthousekinos unterwegs, hab mich viel mit Künstlern und Kreativen getummelt. Zu der Zeit habe ich auch angefangen zu schreiben und dann ging es los mit Poetry Slams. Ich hab mich auch selber als Künstler versucht – mit mäßigem Erfolg. Dann hat sich ‘rauskristallisiert, dass mir Veranstaltungen unglaublich Spaß machen.

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5 Kann man davon leben?
Ja, jetzt nach zehn Jahren kann ich sagen: Läuft wirklich richtig gut. Wenn man sich für diesen steinigen Weg entscheidet – also nicht für die Autobahn – der landschaftlich viel schöner ist, muss man in Kauf nehmen, dass man sich eine Zeit von den Unkräutern, die am Weg wachsen, ernähren muss.

6 Was hat du denen voraus, die sofort die Autobahn nehmen und direkt ein Veranstaltungsbüro gründen?
Man kann natürlich Autobahn fahren und 16 Sachen machen, die einem keinen Spaß machen, einfach des Geldes wegen. Ich möchte aber die Sachen machen, die ich gerne machen möchte. Das Schlimmste, was passieren kann, ist Dinge zu tun, an denen man keinen Spaß hat. Hab ich schon versucht. Ich war Maschinist und hab Planierraupen gefahren.

7 Auf deiner Homepage bezeichnest du dich als „Ehemann, stolzer Vater, Kreativkopf und Hobby-Landwirt“, anderswo als „Schreiberling, Musiker, Künstler“ – was bist du am liebsten?
Ein bisschen was von allem. Das ist immer so: Das ist phasenbedingt. Mein ganzes Leben ist wie ein Schrank. Da sind 18 Schubladen drin und je nachdem wie der Tag läuft, mache ich eine Schublade auf und ziehe den Mofarocker raus, den Schreiberling, den Gärtner, den Angler.

8 Du hast schon viele schräge Dinge gemacht: Was war das schrägste?
Für andere Menschen vielleicht schräge Sachen. Aber es ist ja so: Wenn die Kiste irgendwann mal zugeht, möchte ich schon sagen: ‘Gut, dass ich das alles gemacht habe.’ Das Schrägste (er überlegt): Mit dem Mofa über drei Alpenpässe zu bügeln, ist schon ‘ne harte Nummer.

9 Was würdest du unbedingt wiederholen?
90 Prozent der Dinge würde ich wieder machen.

10 Was hättest du im Nachhinein lieber anders gemacht?
Womit ich immer noch bisschen auf Kriegsfuß bin, ist, dass ich kein Abitur gemacht habe. Und dass ich mit dem Eishockeyspielen aufgehört habe (Hach ja, der DEC, damals...). Da hatte ich mich von den Junioren zur ersten Mannschaft hochgespielt.

11 Warum hast du mit Eishockey aufgehört?
Ich war 18. Skateboarden war ein großes Hobby. Und ich habe Bier und Frauen für mich entdeckt. (Ok. Das ist ein Argument!)

12 Seit 2014 füllst du leerstehende Ladenlokale mit Kunst, mittlerweile ist ein Festival daraus geworden. Hat dich der Erfolg überrascht?
Immer noch. Wir sagen den Künstlern immer als ersten Satz: Tauch einfach ein, sei Teil der ganzen Geschichte. Und dann entsteht etwas Magisches. Viel Liebe, kein Neid, keine Missgunst, kein Hass. Von dieser Grundstimmung strahlt etwas ab auf die Besucher und ist Teil des Erfolgs.

Nachts kommen Ben Perdighe die besten Ideen 

13 Auf einem KSL-Foto posierst du mit Bürgermeister Heidinger als „Macher“ – was hast du in dem Augenblick empfunden?
Ich finde unseren Bürgermeister richtig gut. Er kommt immer gerne, das merkt man. Das war so ein schöner Augenblick nach dem Rundgang: ‘Du machst jetzt weiter und ich geh wieder ins Rathaus.’ Und so etwas wie KSL wäre auch nicht in jeder Stadt möglich. Allein die Genehmigungen!

14 Was würdest du als erstes tun, wenn du Bürgermeister wärest?
Ich würde den Altmarkt zu einer Gastromeile machen.

15 Was ist Dein nächstes Projekt?
Von KSL hoffe ich, dass mein Sohn mit dem Projekt wächst. Der ist genau so alt wie KSL: vier. (Deswegen heißt der Kunstpreis auch „kleiner Herkules“. S. Frage 43). Die nächsten Projekte: Ich habe mir ein neues Büro ausgeguckt: eine Tankstelle aus den 60ern. Die würde ich gerne zum Leben erwecken. Und ich bin im Moment verliebt in Lohberg. Es gibt erste Überlegungen, dass KSL Richtung Bergpark und Zentralwerkstatt geht und ein richtiges Fest wird.

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16 Was würdest du niemals machen?
Bungee-Springen. Ich kann noch nicht mal auf ‘ne Leiter. Was für einen Landwirt mit Kirschen schwierig ist.

17 Was wolltest du schon immer einmal machen?
Transsibirische Eisenbahn. Und Banksy kennenlernen.

18 Dein Labor22 ist eine Ideenwerkstatt: Wann kommen dir die besten Ideen?
Nachts. Ich habe immer ein Handy am Bett liegen und notiere dann alles in den Notizen.

19 Kreativität auf Anhieb wie Thomas Mann?
Kreativität auf Knopfdruck geht bei mir nicht. Es gibt zwei Arten der Kreativität: die schwarze Kreativität – wenn man schlecht drauf ist, ist man unheimlich kreativ. Und weiße Kreativität – die kommt, wenn es einem gut geht. Dann kommen die lustigen, verspielten, massentauglichen Sachen.

20 War KSL schwarz oder weiß? Eher die dunkle Geschichte. Das war ja auch ‘ne Nuss, die zu knacken: Wie kriegen wir Leerstände gefüllt?

21 Es ging also zuerst um Leerstand, dann um Kunst?
Genau, damals ist Svenja Krämer (Wirtschaftsförderin) ins Kreativquartier gekommen und hat gesagt: Ich hab leerstehende Ladenlokale – was machen wir damit? Ich hatte mir diesbezüglich zu Victor Hugo-Zeiten schon Gedanken gemacht: Da ging es um Wechselausstellungen in unserem leerstehenden Schaufenstern, hatte also schon ein fertiges Konzept in der Schublage.

22 Warst du schon als Kind kreativ?
Ja, ich hatte immer eine blühende Fantasie.

23 Deine kreativste Ausrede fürs Zuspätkommen in der Schule war . . . ?
Platter Reifen hat immer funktioniert. (Liebe Schüler, merken!) Hinterher war meine kreativste Ausrede eigentlich, überhaupt nicht zu erscheinen. Das habe ich perfektioniert – auf Kosten meines Abiturs. Ich bin sehr unehrenhaft entlassen worden.

24 Du hast beim Poetry Slam im Bistro der Stadthalle die blauen Briefe aus Deiner Schulzeit vorgelesen – was stand da so drin?
Dass ich doch bitte zur Schule kommen soll. Dass ich doch bitte zur Schule kommen soll. Und, das ist die letzte Mahnung, komm doch bitte zur Schule. Ich war einfach zu faul und zu gelangweilt.

Ben Perdighe über seine Vorbilder, blaue Briefe und Promis 

25 Sind blaue Briefe poetisch?
Ne, die haben sich damals überhaupt keine Mühe gegeben. Es war eine permanente Wiederholung.

26 Haben es kreative Menschen leichter oder schwerer im Leben?
Schwerer. Alles ist zwar ein bisschen bunter. Kreativität ist aber auch eine Gabe, die unglaublich anstrengend sein kann. Als ich das letzte Kapitel meines Buches (Pottpüree) geschrieben habe, habe ich kaum ein Wort mit meiner Frau gewechselt.

27 Hast du ein Vorbild?
Rocko Schamoni. Und Banksy.

28 Warum?
Weil ich Schamonis Arbeiten famos finde: ein Musical über Matthias Rust zu schreiben! Und Banksy, weil der es geschafft hat, Kunst wieder populär zu machen und die Straße als öffentliche Galerie zu sehen.

29 Dein größter Erfolg?
Dass ich hier sitze. Ich hatte einmal echt gesundheitliche Probleme. Das war eine knappe Kiste. Dass ich das geschafft, war mein größter Erfolg.

30 Deine größte Niederlage?
(Er überlegt. Lange.)
Eigentlich gibt es gar keine Niederlagen, sondern Erfahrungen, die dich weiterbringen.

31 Wie bequem ist eigentlich ein Wok?
(Er lacht)
. „Sehr bequem. Ich hatte ja leider nicht so viel Wok-Time. Das war ein Mordserlebnis und toll organisiert. Da muss man Stefan Raab und Brainpool echt auf die Schulter klopfen.

32 Du hast schon einige Promis kennengelernt – warst mit den Kobras bei „5 gegen Jauch“, bei Raab, bist mit Torsten Sträter Mofa gefahren – welcher Promi war dir am sympathischen?
Horst Lichter ist ein dufter Typ, Sträter, Michael Krebs und Günter Jauch auch.

33 Welchen Promi hättest Du lieber nicht kennengelernt?
Oliver Pocher. Wir sind nicht zusammen gekommen. Mofafahrer sind selbstironisch. Er hat einen Humor, der darauf abzielt, Witze auf Kosten anderer zu machen.

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34 Kennst du einen prominenten Dinslakener?
Ich hoffe, dass einige Dinslakener in Zukunft prominent werden: Tim Perkovic etwa. Michael Wendler kenne ich auch.

35 Die Zeitung die „Welt“... (Ben Perdighe lacht schon jetzt! – „Über dieses Zitat bin ich total glücklich!“) ... also: Die Welt hat Deinen Auftritt bei Jauch als „Tiefpunkt“ und „grotesk“ bezeichnet – das trifft Dich offenbar nicht?
„Der Tiefpunkt der Sendung. Auf diesen Satz bin ich unglaublich stolz. Die Tatsache, von der ‘Welt’ zerrissen zu werden! Die müssen sich ja wirklich damit befasst haben! Ich bin zu diesem Zeitpunkt mit Enrico Amore (üble Schlager) aufgetreten und habe mich gewundert, wie man mit so einem Rotz so viel Erfolg haben kann. Schön dass irgendjemand bei der ‘Welt’ das auch gedacht hat.

36 Liest du alle Zeitungsberichte über dich?
Ab zu mache ich das, ich habe das aber aus den Augen verloren.

37 Bist du eitel?
Extrem!

Ben Perdighe: Ich habe von meinem Vater eine ganze Portion italienischer Gene mitbekommen. 

38 Woran sieht man das?
Daran, dass ich immer eine Mütze trage. (Das war eigentlich die nächste Frage: Warum trägst du immer eine Mütze?). Weil ich eitel bin. Ich habe von meinem Vater eine ganze Portion italienischer Gene mitbekommen. Die äußern sich so, dass die Haare mit Mitte 20 auf dem Kopf weniger und auf dem Rücken mehr werden.(Er lüftet die Problemzone. Also: auf dem Kopf)

39 Was haben die Kobras mit den 118 000 Euro von Jauch gemacht?
Jede Kobra hat einen vierstelligen Betrag bekommen, die Jauch-Ritter haben etwas mehr bekommen, der mir auch etwas Ruhe verschafft hat. Ein Teil des Geldes ist in die Brauerei in Spellen geflossen – wir haben also in Bier investiert. Es gab die Reise nach Mallorca, wir haben etwas gespendet. Nach zwei Jahren war die Kohle durch. Ein paar hundert Euro haben wir noch.

40 Warum ist Mofafahren besser als Motorradfahren?
Es hat mit der Vergangenheit zu tun, bessere Zeiten etc. Früher war das so: Du hattest ‘ne Mofa, drei Jungs, die auch ‘ne Mofa haben, Baggerloch, Palette Bier. Das erste Mal, das man ein bisschen Freiheit gefühlt hat, dass man Gas gaben kann.

41 Und als Fahrradfahren? Fahrrad ist auch in Ordnung Zwei Räder sind an und für sich gut, zwei motorisierte sind besser und dann noch ‘ne Mofa und in der Horde... (OK. Vergiss das Fahrrad.)

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42 Was für ein Mofa fährst du?
Diverse, aktuell habe ich sieben Stück. Im Moment bin ich mit der Vespa da. Im Moment baue ich mir eine Kastenmofa – die wird Bestandteil einer TV-Serie, die gerade mit den Kobras gedreht wird. (Pssst, alles noch total geheim.)

43 Dein Sohn heißt mit Zweitnamen?
Mein Sohn heißt Oskar Herkules. Herkules wegen der Mofa.

44 Deine Frau fand das? Semi. Als wir zusammen gekommen sind, haben wir immer gescherzt, wenn wir mal Kinder haben und es ein Sohn wird, darf ich den Namen bestimmen, wenn es ein Mädchen wird, sie. Eigentlich wollte ich, dass mein Sohn Samson Herkules heißt. Da hat sie gesagt, das geht nicht. Also ist Herkules übrig geblieben. Als ich den Namen anmelden wollte, hat die Dame gesagt, ich soll mit meiner Frau zurückkommen.

45 Welchen Namen hätte eine Tochter bekommen?
Dalia finde ich schön (Keine Mofamarke). Und Prima als Zweitnamen. (Oh, doch!)

46 Haben wir etwas vergessen , willst du noch etwas loswerden?
Nö. Alles gut. (Was fehlt: Brauprojekt. Ben Perdighe baut Hopfen für ein Bier mit roter Beete an. Und Pfefferminze. Unter anderem.)

Fragen: Anja Hasenjürgen