Bochum/Dortmund. Nicht alle Spieler schaffen beim BVB den Sprung in die Bundesliga - deshalb guckt der VfL Bochum beim Nachbarn genauer hin. Wie im Sommer.
Giovanni Reynas Einwechslung am ersten Bundesliga-Spieltag gegen Eintracht Frankfurt (2:0) wird am Ende der Saison nicht mal eine Fußnote wert sein, doch für den VfL Bochum hatte sie große Auswirkung. Der US-Amerikaner Reyna nämlich stand zu diesem Zeitpunkt kurz vor einem Leih-Wechsel von Borussia Dortmund an die Castroper Straße. Daraus wurde nichts, der BVB legte sein Veto ein, Reyna sollte in Dortmund den Kaderplatz von Marco Reus erben und eine neue Chance bekommen. Zwischenzeitlich bremste den technisch so versierten Offensivspieler wieder einmal eine Verletzung.
Für den VfL Bochum wäre die Leih-Verpflichtung des 21-Jährigen ein dickes Ausrufezeichen gewesen. Der Spieler selbst und auch dessen Star-Berater Jorge Mendes, der jahrelang Cristiano Ronaldo betreute und heute noch die halbe portugiesische Nationalmannschaft in seinem Portfolio weiß, waren überzeugt von dem Schritt zum VfL. Der Verein hat sich nach drei Jahren in der Bundesliga viel Reputation erarbeitet im Umgang mit Talenten. Die Sommer-Transfers von Dani de Wit (26), Ibrahima Sissoko (26) und Myron Boadu (23) waren auch deshalb möglich. Unter Peter Zeidler und in einem ruhigeren Umfeld sahen daher auch Reyna und Mendes die Chance, die Karriere wieder anzuschieben, die seit einiger Zeit auch aufgrund von Verletzungen stagniert.
VfL Bochum: Drei Ex-BVB-Profis im Kader von Zeidler
Er wäre nicht der erste Spieler gewesen, der den Weg von Dortmund nach Bochum wählt. In Person von Moritz Broschinski (24), Felix Passlack (26) und Samuel Bamba (20) stehen drei ehemalige Borussen im aktuellen Profi-Kader des VfL, die am Freitag (20.30 Uhr/DAZN) auf ihren Ex-Klub treffen. Letztgenannter wechselte erst im Sommer die Farben seines Trikots. „Ich traue mir den Schritt in die Bundesliga zu, sonst wäre ich nicht hier“, sagte Bamba einmal im Gespräch mit dieser Redaktion. Ähnliche Beweggründe hatte auch Broschinski, der im Sommer aufgrund seiner Leistungen in der Vorbereitung ein Angebot von Union Berlin bekam, das der VfL ablehnte. „Bochum ermöglicht es jungen Spielern, den nächsten Schritt zu gehen – so wie mir. Man vergisst immer, wo ich noch vor drei Jahren während meiner Leidenszeit war. Und jetzt konnte ich meinen Kindheitstraum erfüllen. Dafür bin ich sehr dankbar“, meint Broschinski. Er würde diesen Schritt „jedem empfehlen“. Passlack hat in Bochum seiner Karriere nach vielen Leihstationen noch einen Kick gegeben.
Den Durchbruch in Bochum geschafft hatte Patrick Osterhage (24). Nach seinem Wechsel aus der zweiten Mannschaft des BVB nahm er die von den Bochumer Verantwortlichen erhoffte Entwicklung und wechselte in diesem Sommer für knapp fünf Millionen Euro zum SC Freiburg. Von diesem Beispiel erhoffen sich VfL-Sportdirektor Marc Lettau und sein Team in Zukunft mehrere. Auch aus diesem Grund beobachten der Chef selbst und mehrere Scouts regelmäßig Spiele der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund in der 3. Liga, auch Partien der U19 stehen unter Beobachtung. Lettau selbst wird am Mittwoch beim Spiel der BVB-U23 bei Rot-Weiss Essen vor Ort sein.
VfL Bochum fragte beim BVB lose nach mehreren Spielern an
Nach Informationen dieser Redaktion gibt es regelmäßigen Austausch zwischen den sportlich Verantwortlichen beider Vereine – so auch in diesem Sommer. Mit Julian Hettwer (21) von Dortmunds Reserve beschäftigte sich der VfL wie berichtet intensiver, die Ablösesumme war aber nicht zu stemmen. Lose Gespräche gab es auch über andere Spieler – sogar aus dem Profi-Kader. Der Name Salih Özcan (26), der vom BVB an den VfL Wolfsburg verliehen wurde, fiel in Unterredungen. Erkundigungen nach Youssoufa Moukoko (19) wurden derweil früh von Spielerseite abgeblockt.
Intensiv beobachtet der VfL besonders die BVB-Talente in U19 und U23. Der Durchbruch im Profikader ist in einem Verein mit Champions-League-Ambitionen ungleich höher als beim VfL Bochum. Insgesamt sechs Spieler gingen daher in den vergangenen zehn Jahren den Schritt im Seniorenbereich von Dortmund nach Bochum, während im Jugendbereich der Strom eher umgekehrt funktioniert. Der BVB ist mit seinen Investitionen in den Jugendbereich stärker aufgestellt, lockt die größten Talente gern nach Brackel.
Andersherum will der VfL aber kein Ausbildungsverein für den BVB sein. Reine Leihen ohne Kaufoption wie im Fall Reyna angedacht, sollen Ausnahmen bleiben. Bei Spielern, die qualitativ einen echten Mehrwert bieten, wie etwa bei BVB-Talent Kjell Wätjen (18), der letzte Saison erste Profi-Einsätze feierte, würde man in Bochum eine solche Ausnahme machen. Konkret war es aber nur bei Reyna – bis Trainer Sahin und Sportdirektor Sebastian Kehl dem einen Riegel vorschoben.