Dortmund. Die hoffnungsvolle Laufbahn von Giovanni Reyna beim BVB ist ins Stocken geraten. Nun bietet sich überraschend eine Chance.
Giovanni Reyna war schon auf halbem Weg raus aus der Sonne, rein in den Schatten, oder noch besser: in den klimatisierten Profibereich am Trainingsgelände von Borussia Dortmund im Stadtteil Brackell. Der Spätsommer gab noch einmal alles am Dienstagvormittag, um die Spieler des BVB sowie die einige hundert Fans, die zur öffentlichen Einheit kamen und dort erstmals Serhou Guirassy (28) im Teamtraining bestaunen durften, gehörig ins Schwitzen zu bringen. Auch Reyna. Der aber musste noch einen Umweg einschlagen. „Gio, I need you here“, rief plötzlich eine Stimme. Gio, ich brauche dich hier. Lukasz Piszczeks Fußballschule ist gerade auf Visite im Ruhrgebiet. 37 polnische Kinder hatten sich also am Rande des Platzes aufgereiht, um Autogramme abzustauben. Reyna erfüllte alle Wünsche.
Gebraucht zu werden, das wünscht sich US-Amerikaner auch endlich beim BVB. 21 Jahre ist er immer noch erst alt, kaum zu glauben, sein Bundesliga-Debüt liegt ja schon mehr als viereinhalb Jahre zurück. Damals war er ein mit Talent gesegneter Teenager, einer der mal auf den Spuren Christian Pulisics wandern sollte. Sein Landsmann machte sich zuvor aus Dortmund auf, um durch die europäischen Top-Ligen zu ziehen. Und heute?
BVB: Giovanni Reyna fiel gegen Eintracht Frankfurt positiv auf
Noch immer ist die Begabung Reynas mit bloßem Auge zu erkennen, wenn ein Ball vor seinen Füßen liegt. Umso tragischer schon fast, dass sich der offensive Mittelfeldspieler zuletzt in eine Karriere-Sackgasse gedribbelt hat. Umso erfreulicher wiederum, dass er daraus noch gerade rechtzeitig den Ausweg finden könnte.
Vor einigen Tagen stand Sebastian Kehl in der Mixed-Zone des Dortmunder Stadions und lobte den zweimaligen Torschützen gegen Eintracht Frankfurt (2:0), Jamie Gittens, in höchsten Tönen. Der BVB-Sportdirektor wies im selben Atemzug allerdings auch daraufhin, dass alle Einwechselspieler beim Auftaktsieg ihren Job gut erledigt hätten – und damit auch Reyna. „Er hat an sich gearbeitet, an der Stabilität gearbeitet, an der Ausstrahlung gearbeitet“, meinte Kehl. „Dieses clevere Aufdrehen zwischen den Linien und seine Torgefahr – das hat er weiterentwickelt.“ Und: „So kann Gio diese Saison noch sehr wichtig für uns werden.“
BVB: Giovanni Reynas Leihe nach Nottingham war nicht gut
Eine Prognose des Dortmunder Sportchefs, die er so vor Kurzem wohl noch nicht abgegeben hätte. Reyna und sein Ausbildungsklub, das schien nicht mehr zu funktionieren. Der junge Mann hatte bewegte Monate hinter sich, auf seinem Rücken wurde eine amerikanischen Fußball-Seifenoper aufgeführt, in die auch Ex-Nationaltrainer Gregg Berhalter sowie Reynas Eltern verwickelt waren. Hinzu kam, dass die sportliche Weiterentwicklung in Dortmund ausblieb, sodass Nationalspieler Reyna (31 Länderspiele) kurz vor Ende der Winter-Transferperiode das Weite suchte. Die Rückrunde spielte, nein: saß er vor allem auf der Bank beim englischen Premier-League-Klub Nottingham Forest. Der Plan, auf der Insel Matchpraxis zu sammeln, ging nicht auf.
Der BVB hatte vor Abflug nach England Reynas Vertrag vorzeitig um ein Jahr bis 2026, um in diesem oder im kommenden Sommer noch eine ordentliche Ablöse für den Offensivspieler erzielen zu können. Nun aber könnte sogar Plan B greifen. Dieser sah nämlich die Möglichkeit vor, dass Reyna doch noch mal wichtig für den BVB werden könnte.
BVB: Giovanni Reyna hat den Kaderplatz von Marco Reus bekommen
Tatsächlich ist Reyna unter dem neuen Trainer Nuri Sahin aufgerückt, er hat den Kaderplatz von Marco Reus (35, Los Angeles Galaxy) übernommen. Eingeplant ist er für seine Paradeposition im Zentrum, als Vertreter von Vize-Kapitän Julian Brandt (28). Dort sollen – anders als auf den Flügeln, wo Reyna immer wieder geparkt worden war – seine Qualitäten zur Geltung kommen. Wie Brandt ist er jemand, der mit dem Gefühl für die Räume zwischen den Ketten „schwimmen“ kann, wie es neuerdings beim BVB heißt. „Es war klar, als wir die Gespräche im Sommer geführt haben, dass Gio diese Rolle annehmen möchte“, sagte Kehl. „Dass es genügend Spiele geben wird, in denen wir ihn brauchen. Dass er wahnsinnige Fähigkeiten hat, wissen wir.“ Es gebe keine „anderen Gedanken. Es liegt nichts auf dem Tisch und ich vernehme auch nicht, dass der Spieler weg will.“ Wohl nur schnell raus aus der Sonne.
Diese wird am kommenden Samstag (15.30 Uhr/Sky) in Bremen zwar auch scheinen, aber bei Weitem nicht so stark wie unter der Woche im Ruhrgebiet. Im Spiel gegen den SV Werder wird Reyna aller Voraussicht nach auf der Bank sitzen. Wenn Trainer Nuri Sahin signalisiert, dass ihn braucht, will Giovanni Reyna wieder bereit sein.