Essen. Rot-Weiss Essen hat auf der Trainerposition endlich Kontinuität. Christoph Dabrowski muss ein erneuter Umbruch erspart werden. Ein RWE-Kommentar.
Bis Weihnachten müsste Christoph Dabrowski beim Fußball-Drittligisten Rot-Weiss Essen noch im Amt bleiben, um den „Jahrhundert-Trainer“ des Klubs zu überflügeln. 896 Tage war Jürgen Röber Anfang der neunziger Jahre Trainer an der Hafenstraße und wird noch heute von vielen RWE-Anhängern verehrt. Nur überschaubare 71 Tage fehlen dem aktuellen Essener Cheftrainer, dann würde Dabrowski in Sachen Amtszeit mit dem blonden Energiebündel gleichziehen.
Am vergangenen Samstag absolvierte Dabrowski sein 100. Pflichtspiel als RWE-Trainer. Dass nach Röbers Abschied 1993 in den letzten 31 Jahren in Waldemar Wrobel (1355 Tage im Amt) nur ein Trainer länger auf der Essener Bank verbracht hat, unterstreicht sehr eindeutig, was in diesem Traditionsklub in den letzten drei Jahrzehnten schiefgelaufen ist. RWE stand über viele Jahre für Chaos und fehlende Kontinuität. Abzüglich einiger Interimstrainer durften es vor Dabrowski acht Trainer innerhalb von acht Jahren an der Hafenstraße versuchen. Das sind Zahlen, die vergleichbar mit denen des ungeliebten Nachbarn Schalke 04 sind.
Rot-Weiss Essen: Marcus Uhlig hat Dabrowski unterstützt
In Dabrowskis erstem Jahr bei Rot-Weiss Essen sah es nicht danach aus, als würde er die 100-Spiele-Marke bei RWE erreichen. Der 46-Jährige stand nach einem holprigen Aufstiegsjahr vor dem Aus. Zum Ende der Saison gab es Fan-Choreos gegen ihn. Dabrowski hielt dem Druck stand, auch dank der Hilfe des früheren Vereinsvorsitzenden Marcus Uhlig, der ihm in jeder kritisichen Phase den Rücken stärkte und an ihm festhielt.
In Dabrowskis zweiter Saison zeigte sich, dass dies die richtige Entscheidung war. Anders als im Sommer zuvor, als Dabrowski erst geholt wurde, als die Kaderplanung fast abgeschlossen war, durfte er Wünsche äußern und erhielt ein Team, das seine Vorstellungen auf dem Platz umsetzen konnte. Die Essener übertrafen die Erwartungen trotz einer erneut kritischen Phase nach der 0:5-Klatsche gegen den SC Verl und spielten bis zum vorletzten Spieltag um den Aufstieg mit. RWE begeisterte und verschaffte sich viel Respekt mit einem Spielsystem, das den Fokus auf Spielkontrolle mit flachem Aufbau von hinten legt. Dabrowski hatte zudem aus Fehlern gelernt und suchte den Austausch mit den Fans. Daraus wurde eine Erfolgsgeschichte mit Schattenseiten, die Dabrowski und der Klub zu Beginn dieser Saison spüren.
Rot-Weiss Essen hat im Sommer wichtige Leistungsträger verloren
Dem Klub ist es nicht gelungen, auf diesem Erfolg aufzubauen. Eine ganze Achse um Felix Götze, Kapitän Vinko Sapina, Cedric Harenbrock, Isaiah Young und Topscorer Marvin Obuz hat Rot-Weiss Essen verloren, zwölf neue Spieler wurden verpflichtet. Nach acht Spieltagen deutet einiges daraufhin, dass RWE einen Schritt zurück gemacht hat. Die Verantwortlichen betonen immer wieder, dass sie noch Zeit brauchen. Mit jedem nicht gewonnenen Spiel wird der Druck jedoch größer, auch auf Dabrowski, der für den schwachen Saisonstart aufgrund des Umbruchs noch am wenigsten die Schuld trägt.
Den Ansprüchen von Rot-Weiss Essen wird es nicht genügen, um den Verbleib in der 3. Liga zu kämpfen. Oft genug hat der Klub betont, dass die 3. Liga nur eine Zwischenstation sei. Der Klassenerhalt darf kein Thema mehr sein. Kontinuität auf der Trainerbank ist ein erster wichtiger Schritt, doch RWE muss auf allen Ebenen wachsen, damit die Probleme dieses Sommers mit Blick auf die kommenden Transferfenster kein Dauerzustand werden.
Rot-Weiss Essen: Golz und Brumme müssen gehalten werden
Spätestens im Frühjahr muss der Klub bereit sein, wenn sich Leistungsträger wie Jakob Golz oder Lucas Brumme Gedanken um ihre sportliche Zukunft machen werden. Beide stehen nur noch bis zum 30. Juni 2025 unter Vertrag. Golz hatte schon in diesem Sommer einige Interessenten, einen Verkauf lehnte RWE aber ab. Auch Brumme, der vor der letzten Saison von Wehen Wiesbaden verpflichtet wurde und sich seitdem zu einer festen Größe auf der linken Außenbahn entwickelt hat, dürfte einige Anfragen erhalten. Sollte es wieder nicht gelingen, die besten Spieler von einem Verbleib zu überzeugen, wäre es für Christoph Dabrowski ein steiniger Weg zu den nächsten 100 Pflichtspielen.