Duisburg. Dietmar Hirsch im Interview: Der Trainer des MSV Duisburg über seine Bundesliga-Zeit mit den Zebras, Anfänge auf Asche und das Derby gegen RWO.

Als Dietmar Hirsch im Sommer als Trainer zum MSV Duisburg wechselte, betrat er vertrautes Gelände. „Hier haben wir damals schon trainiert“, sagt der 53-Jährige beim Interviewtermin im Presseraum, von wo aus sich das Trainingsgelände im Stadtteil Meiderich gut überblicken lässt. „Die Infrastruktur hat sich verbessert. Da, wo dieser Platz ist, war früher noch eine Wiese.“

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Verschlechtert hat sich jedoch die Lage des Vereins, für den Hirsch einst 203 Partien absolvierte, die meisten davon in der Bundesliga. Nun ist es seine Aufgabe, die bis in die Regionalliga abgestürzten Zebras zurück in den Profibereich zu führen. Als Tabellenführer liegt der MSV aktuell auf Kurs. Den nächsten Schritt können die Duisburger im mit 27.000 Zuschauern ausverkauften Heimspiel gegen Verfolger Rot-Weiß Oberhausen am Freitagabend machen.

Dietmar Hirsch, wissen Sie schon, wo Sie beim Derby gegen Rot-Weiß Oberhausen sitzen werden?

Ich hoffe, auf der Bank. Ob unserem Einspruch gegen meine Sperre stattgegeben wird, ist aktuell noch offen.

Sie haben nach Ihrer Roten Karte im letzten Spiel in 2024 eine noch nicht rechtskräftige Zwei-Spiele-Sperre erhalten, beim Jahresstart bei Türkspor saßen Sie erstmals auf der Tribüne. Wie war das für Sie?

Nicht schön, auch wenn ich volles Vertrauen in mein Trainerteam habe. Aber es war verrückt, mal aus nächster Nähe mitzuerleben, was unsere Fans schon die ganze Saison abreißen. Wir haben quasi nur Heimspiele, gegen Türkspor in Hagen waren wieder über 3000 Duisburger dabei.

Haben Sie mitgesungen?

(Schmunzelt) Ein bisschen. Bei Heimspielen ertappe ich mich immer wieder dabei. Wenn wir aus dem Tunnel kommen und die Fans die Hymne singen, mache ich unterbewusst mit. Das sind Gänsehaut-Momente.

MSV Duisburg: Hirsch liebäugelte schon früher mit Trainerjob bei den Zebras

Sie haben sieben Jahre als Spieler in Duisburg verbracht. Was bedeutet es Ihnen, MSV-Trainer zu sein?

Das ist ein wahr gewordener Traum. Ich wollte immer als Trainer zurückkehren. Auch wenn ich als Kind bei Gladbach in der Kurve stand und dort meine ersten Schritte als Profi gemacht habe, ist der MSV mein Verein. Hier hatte ich meine erfolgreichste Zeit: Aufstiege in die Bundesliga, DFB-Pokalfinale, UI-Cup. Ich bin sehr stolz, den Verein nun als Trainer zu repräsentieren. Ich möchte hier nicht mehr weg.

Sie haben gute Arbeit in der Regionalliga geleistet, auch schon Elversberg in der 3. Liga trainiert. Haben Sie schon früher auf ein Engagement in Duisburg geschielt?

Zugegeben, es gab Momente, in denen ich mir Hoffnung gemacht habe. Aber die handelnden Personen haben sich nie gemeldet. Im Sommer war die Ausgangslage natürlich optimal: Ich bringe die Identifikation mit dem Verein mit, vor allem aber kenne ich die Liga und habe Bocholt in der Vorsaison als Aufsteiger zur Vizemeisterschaft geführt. Ich dachte: Wenn nicht jetzt, dann wird es nie klappen. Nachdem die Vereine sich geeinigt hatten und mein Wechsel durch war, sind sogar Freudentränen geflossen.

Gesperrt auf der Tribüne: MSV-Trainer Dietmar Hirsch beim Spiel gegen Türkspor.
Gesperrt auf der Tribüne: MSV-Trainer Dietmar Hirsch beim Spiel gegen Türkspor. © FUNKE Foto Services | Stefan Rittershaus

Gab es auch kritische Stimmen?

Natürlich gibt es die Leute, die den MSV als Chaosverein bezeichnen. Aber für mich ist es eine tolle Chance. Und ich hatte ja nicht viel zu verlieren. Wenn es funktioniert: super. Wenn nicht, dann gehe ich halt wieder nachhause.

Bisher hat es funktioniert. Waren Sie überrascht, dass die Euphorie von Beginn an so groß war?

Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Hilfreich war, dass wir quasi bei Null starten konnten. Wir hatten nur drei Spieler im Kader. Ich weiß noch, wie ich im Sommerurlaub auf Mallorca jeden Tag mehrere Videocalls mit potenziellen Zugängen geführt habe. Ich konnte ihnen aufzeigen, was es bedeutet, für den MSV zu spielen. Und was hier von ihnen erwartet wird. Weil ich es ja selber kenne. Wir haben nur Spieler geholt, die für die Aufgabe brennen. Und das haben die Fans natürlich schnell gemerkt und honoriert.

„Du musst nicht immer gut spielen. Aber du musst arbeiten, Gras fressen. So ist das im Ruhrpott“

Dietmar Hirsch

Was wird denn in Duisburg erwartet?

Du musst nicht immer gut spielen. Aber du musst arbeiten, Gras fressen. So ist das im Ruhrpott. Und du musst die Regionalliga annehmen. Hier spielst du in großen Stadien, aber auch auf kleinen, holprigen Plätzen. Daher war es wichtig, viele Spieler zu holen, die die bereits Erfahrung in der Liga gesammelt haben.

Das scheint sich auszuzahlen.

Fakt ist, dass wir alle Spiele gewonnen haben, in denen wir mit widrigen Bedingungen zu kämpfen haben. Das spricht für den Charakter der Mannschaft. Hilfreich war sicher auch, dass wir zu Beginn Siege gefeiert haben, als wir noch in der Findungsphase waren und viel ausprobiert haben. Wir mussten aus einem neu zusammengewürfelten Kader ein Team formen. Und das beste Teambuilding sind nunmal Siege.

Dietmar Hirsch, Trainer des MSV Duisburg.
Dietmar Hirsch, Trainer des MSV Duisburg. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

MSV Duisburg: Whatsapp-Gruppe der Pokalmannschaft von 1998

Wie eng ist Ihr Kontakt zu ehemaligen Mitspielern beim MSV?

Vor allem in meiner ersten Zeit, von 1995 bis 2000, sind Freundschaften entstanden, die bis heute währen. Wie etwa zu Georg Koch, der ja leider schwer erkrankt ist. Oder zu unserem norwegischen Torhüter Thomas Gill. Immer, wenn er nach Duisburg kommt, wohnt er bei uns. Seit die Pokalfinal-Mannschaft von ’98 vor einiger Zeit ins Stadion eingeladen wurde, haben wir sogar eine Whatsapp-Gruppe.

Und die läuft nach MSV-Spielen regelmäßig heiß?

Nee, das hat sich wieder beruhigt (lacht). Nur an Geburtstagen.

MSV-Trainer Dietmar Hirsch im Gespräch mit Sport-Redakteur Erik Asmussen.
MSV-Trainer Dietmar Hirsch im Gespräch mit Sport-Redakteur Erik Asmussen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Sie haben in Duisburg und Rostock lange unter Friedhelm Funkel gespielt. Inwiefern hat er Sie geprägt? Holen Sie sich Ratschläge bei ihm?

Ich bin inzwischen 53 Jahre alt, habe meine eigenen Erfahrungen gemacht. Wir haben uns noch im Oktober beim Benefizspiel von Georg Koch ausgetauscht. Was ich mir von ihm abgeschaut habe: die Art, wie er mit Spielern umgegangen ist — sehr kommunikativ, sehr menschlich, aber auch sehr direkt. Was taktische Dinge und Trainingsinhalte betrifft, haben wir unseren eigenen Weg.

Eigentlich wollten Sie ja gar kein Trainer werden…

Während meiner Spielerzeit bin ich häufig umgezogen, teilweise ohne meine Familie. Das Trainergeschäft ist schnelllebig, im Management sind die Haltbarkeiten länger. Daher habe ich Sportmanagement studiert, meinen Sportfachwirt gemacht und als Sportlicher Leiter beim VfB Lübeck angefangen, der aber kurz darauf in die Insolvenz musste.

Und dann?

Ist mir klar geworden, dass es mir fehlt, auf dem Platz zu stehen; der Geruch von frisch gemähtem Rasen, der Geruch in einer Kabine. Ich habe angefangen, meine Trainerscheine zu machen - bis hoch zum Fußballlehrer. Meine erste Station war ein Dorfklub in der schleswig-holsteinischen Verbandsliga.

Später waren Sie beim FC Sylt. Dort wurden Sie wegen zu großer Professionalität entlassen. Wie bitte?

Der Verein war aus der Kreis- bis in die Oberliga durchmarschiert mit ehemaligen Profis, viel Geld und wenig Training. Ich sollte ihn in die Regionalliga führen - dafür hätten wir professioneller werden müssen. Und der Geldgeber durfte auch nicht mehr bei der Aufstellung mitreden. Das hat ihm nicht gefallen und so sind wir nach drei Monaten wieder auseinander gegangen. Mit dieser Wortwahl in der Pressemitteilung haben sie mir natürlich eine gute Referenz mitgegeben.

Sie gelten als lockerer, offener Typ, geben sich Fan-nah, drücken auch mal einen Spruch. Das kommt in Duisburg gut an. Sind Sie damit auch schon angeeckt?

Das weiß ich nicht. Ich halte meine Meinung nicht zurück, das gefällt vermutlich nicht immer allen. Letztlich ist mir das egal. Ich mag den Austausch mit den Fans, Pressekonferenzen oder Gespräche wie dieses, auch wenn es mal Reibungspunkte gibt. Wichtig ist, seinem Gegenüber zu respektieren.

MSV Duisburg: Profi-Karriere von Trainer Dietmar Hirsch begann auf Bezirksliga-Asche

Glauben Sie, mit Ihrer Art könnten Sie in höheren Ligen Probleme bekommen?

Ich würde mich jedenfalls nicht verstellen - das könnte ich auch gar nicht. Was Ansprache, Trainingsintensität oder Öffentlichkeitsarbeit betrifft, bin ich mir immer treu geblieben, ob in der Verbandsliga, 3. Liga oder nun beim MSV. Nur die Bedingungen verändern sich.

Bevor Sie in Gladbach Profi geworden sind, haben Sie in der Bezirksliga für den ASV Süchteln auf Asche gespielt. Inwiefern hat Sie das geprägt?

Mein Weg nach oben war schon für damalige Zeiten ungewöhnlich. Ich habe Zivildienst geleistet und eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten gemacht. Ich wollte zwar immer so hoch wie möglich spielen. Aber dass ich es mit Anfang 20 aus der Bezirksliga in die Bundesliga schaffe, daran war nicht zu denken. Mit viel harter Arbeit und ein bisschen Glück bin ich über Gladbachs zweite Mannschaft bei den Profis reingerutscht. Ich hatte viel weniger Talent als die meisten jungen Spieler beim MSV. Ich versuche ihnen meine Einstellung zu vermitteln, mit der ich es immerhin zu knapp 200 Bundesliga-Einsätzen gebracht habe.

MSV Duisburg: Hirsch über die Bedeutung des RWO-Spiels

Wie gelingt Ihnen das? Mit „Geschichten von damals“ wohl kaum.

Eine klare Hierarchie ist mir sehr wichtig. Heutzutage gibt es viel mehr, die das fußballerische Potenzial für den Profibereich mitbringen. Entscheidend ist, dass sie klar in der Birne bleiben. Manche kommen aus dem NLZ in den Seniorenbereich und halten sich für die Größten. Ich habe gestandene Spieler, die höher gespielt und viel erlebt haben. Sie kümmern sich um die Jungs, reden viel mit ihnen, verbringen Zeit außerhalb des Platzes.

Alles andere als der Aufstieg wäre eine große Enttäuschung. Wie gehen Sie mit dieser Erwartungshaltung um?

Der Aufstieg war von vornherein unser großes Ziel. Dafür kommen wir jeden Tag hierher. Daraus macht niemand einen Hehl. Und es wäre gelogen, zu sagen, dass wir uns nicht mit der Tabelle, unseren Verfolgern und deren Spielen beschäftigen. Wir haben einen guten Mix aus Fokus und Lockerheit. Im Training wird viel gelacht. Ich spreche gerne von kontrollierter Euphorie. Wir wissen, was wir erreichen können. Aber hier dreht keiner durch.

Welche Bedeutung hat das Spiel gegen RWO am Freitag?

Das ist schon noch mal eine Nummer größer. Erster gegen Zweiter, Derby unter Flutlicht, ausverkauft. Wir können die Tabellenführung ausbauen und einen direkten Konkurrenten distanzieren. Wir sind bereit.

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