Essen. Der scheidende Vorsitzende von Rot-Weiss Essen stattete „vonne Hafenstraße“ einen Besuch ab und ließ die vergangenen Jahre Revue passieren.
Gäste gab es in den letzten Monaten beim Podcast „Vonne Hafenstraße - der RWE-Talk“ schon viele, aber der Besucher am Dienstagmorgen im Funke-Studio war dann schon ein besonderer: Marcus Uhlig, bis vergangenen Freitag noch Vorstandsvorsitzender bei Rot-Weiss Essen, schaute ein letztes Mal vorbei und ließ sechseinhalb aufregende RWE-Jahre in ausgedehnten 35 Minuten noch einmal Revue passieren. Da blieb viel Zeit für sentimentale Erinnerungen, aber auch der Ausblick auf die Zukunft kam nicht zu kurz. Die Marcus Uhlig weiterhin aufmerksam verfolgen wird, schließlich ist er im Besitz einer lebenslangen Dauerkarte.
Der Anfang Uhligs war voller Tatendrang und Vorfreude
Und es war ja auch kein Abschied von Knall auf Fall, auch in dieser Woche fährt er noch auf der Geschäftsstelle vorbei, um einige organisatorische Dinge zu erledigen, da gibt es eher einen fließenden Übergang. Und an das „nicht mehr im Dienst sein“, daran müsse er sich erst noch gewöhnen. Rückblick: Im November 2017 trat Uhlig in die recht großen Fußstapfen eines Michael Welling, der den Verein in den Jahren zuvor zurück in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geführt hatte. Der Neue, daran erinnert er sich heute noch genau, trat den Job ohne Bammel an: „Respekt hatte ich immer, nervös war ich nicht. Ich habe mich damals total darauf gefreut, loszulegen. Ich war voller Tatendrang. Und voller Vorfreude.“
Nun, sechseinhalb Jahre später, stand die Frage - in Anlehnung an den legendären Spruch von Schalke-Manager Rudi Assauer - im Raum: Hatte Marcus Uhlig RWE geschafft - oder schaffte RWE seinen Vorsitzenden? „Eine berechtigte Frage: Das ist auch eine der Gründe, warum ich aufhören möchte, damit sowas nicht passiert. Dass nicht irgendwann jemand zu mir sagt: Der Verein hat dich geschafft, der muss jetzt hier durch den Hinterausgang verschwinden. Das war mir wichtig. Rot-Weiss Essen ist einer der ganz großen Traditionsvereine, da muss man schon wissen, worauf man sich einlässt. Kein Verein, den man so eben wegmanaged. Ich werde immer gut über Rot-Weiss Essen sprechen, ich hoffe, der Verein auch über mich. Wir haben uns beide nicht geschafft, wir haben aber beide gemeinsam einiges geschafft - mit diesen Gedanken gehe ich auch“, so seine persönliche Bilanz.
Zeit, die RWE-DNA zu verstehen, hatte er genügend, und am Ende bleibt bei ihm die Erkenntnis: „Diese vielen Traumata, die ein Rot-Weiss-Fan so in sich trägt, das ist bei ganz vielen tief verankert, das habe ich auch gespürt. Ich glaube auch, dass der Verein mit seiner Riesen-Fangemeinde sich auch das ein oder andere Mal damit ein bisschen im Weg stand.“ Höhen und Tiefen, die gab es reichlich in Uhligs Amtszeit, das Bilderbuch ist prall gefüllt. Doch die Frage eines Fans, in welcher Zeit er am schlechtesten geschlafen hätte, die konnte der scheidende RWE-Boss glattweg verneinen. „Bei Rot-Weiss hat man nie so richtig Feierabend, aber schlecht geschlafen habe ich deswegen nicht. Natürlich gab es Phasen, wo es wirklich problematisch war. Ich denke an die erste Corona-Phase: Keiner wusste, wo es lang ging, als wir alle schnell verinnerlichen mussten, dass wir ganz neu denken lernen mussten, dass auf einmal ganz andere Parameter zählten. Sicherlich auch die Zeit um die Jahreshauptversammlung 2023, das war bestimmt keine gute Zeit für den Verein - und auch für mich nicht.“
Der Höhepunkt hingegen ist eindeutig: Der Aufstieg in die Dritte Liga im Sommer 2022, im letzten Heimspiel gegen Rot-Weiss Ahlen: „Die Saison davor mit dem epischen Zweikampf mit Borussia Dortmund, dann die Aufstiegssaison mit dem epischen Zweikampf mit Münster, mit all diesen Irrungen und Wirrungen. Der Böllerwurf, Rot-Weiss Essen kann nicht ohne diese Dramen. Zwei Spieltage vor Schluss deutete nichts darauf hin, dass wir es schaffen würden. Da kann sich jeder von uns noch dran erinnern: Was das damals mit der Stadt dann gemacht hatte, das war ja wirklich eine emotionale Eruption hier in Essen und Umgebung. Ich bin in meiner Karriere zuvor zweimal aufgestiegen mit Arminia Bielefeld in die Zweite Liga, aber das war nicht im Ansatz zu vergleichen mit hier.“
Rot-Weiss hat das Potenzial für die Top 25 in Deutschland
Eigentlich hatte sich Marcus Uhlig mit RWE das Fernziel Zweite Bundesliga gesetzt, dieses Vorhaben ging nicht in Erfüllung. Uhlig wiegelt ab: „Ich habe das ja niemals als mein Ziel deklariert. Rot-Weiss Essen, von der Größe der Stadt, von der Bedeutung und Kraft und vom Potenzial dieses Klubs, muss das Ziel haben, zu den Top 25 in Deutschland zu zählen. Den Schritt in die Richtung haben wir gemacht. Wir haben nach dem Aufstieg in den beiden Spielzeiten eine Entwicklung gesehen - in dieser Saison haben Kleinigkeiten dafür gefehlt, sonst wäre man jetzt schon Top 36 gewesen.“
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Ob nun sein Nachfolger Marc-Nicolai Pfeifer, der zum 1. Juli seinen neuen Job in Essen antritt, diesen nächsten Schritt mit dem Verein macht, das wird Marcus Uhlig interessiert beobachten: „Es gibt in der Tat einen größeren Umbruch, auch vorstandsseitig, auch in der Mitarbeiterschaft. Marc-Nicolai Pfeifer, den ich kenne und schätze, der dann im Sommer kommen wird, hat bewiesen, dass er einen Verein dieser Kategorie managen kann. Er hat 1860 München überlebt, das war auch nicht so ganz einfach. Ich hoffe, er weiß, worauf er sich da einlässt. Das traue ich ihm zu und wünsche ihm alles Gute.“
Und zur Frage eines Fans, ob die Rückkehr zu Rot-Weiss ausgeschlossen wäre, da ließ sich Marcus Uhlig ein Hintertürchen offen: „Im Fußball sollte man nichts ausschließen, das ist und bleibt mein Verein. Ich gehe ja nicht, weil ich vom Hof gejagt werde. Das ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um zu sagen: ich gehe jetzt raus. Aber eine Rückkehr zu Rot-Weiss ausschließen? Nein, auf gar keinen Fall.“