Duisburg. Nach der erfüllten Mission Klassenerhalt will der MSV Duisburg nun angreifen. Potenzial dazu ist vorhanden. Eine Analyse.
Es ist inzwischen gute Tradition. Beim Blick zurück auf die Saison des Fußball-Drittligisten MSV Duisburg stellt sich die Frage: Welche Verantwortung trug der Platzwart? MSV-Präsident Ingo Wald hatte die Anregung nach dem verpassten Klassenerhalt 2019 gegeben. Da sollte alles, auch die Leistung des Platzwarts, auf den Prüfstand. In der Regel kommt man hier zum Schluss: Die Menschen, die heute die deutlich attraktivere Berufsbezeichnung Greenkeeper tragen, tragen keine Schuld an der Misere. Dieses Mal muss das Urteil differenzierter ausfallen. Zunächst und vor allem: Von Misere kann keine Rede sein. Torsten Ziegner hat mit seiner Mannschaft plangenau das Soll erfüllt. Nach zwei Jahren der Not wollten sie eine Saison ohne Abstiegsangst. Platz zwölf sagt: Mission erfüllt. Dazu rangieren die Zebras vor Rot-Weiss Essen.
Zurück zum Bodenpersonal: Die Meidericher sagten Anfang April ein Spiel ab, weil der Rasen nur zum Ackerbau taugte. In den Pressekonferenzen nach den Drittliga-Partien kamen die Probleme mit der Spielfläche gelegentlich zur Sprache. Es liegt aber offenbar an der zerrütteten Drainage. So sagt es der MSV. Da seien selbst die grünsten Daumen machtlos.
Der MSV Duisburg holte auswärts mehr Punkte als zuhause
War der oftmals holprige Platz ein Faktor, dass die Mannschaft 24 Punkte (Platz neun in Auswärtstabelle) in der Fremde holte, aber nur 22 daheim (Platz 16 – punktgleich mit Absteiger Zwickau)? Immer wieder sagten Ziegner und seine Spieler: Man wolle den tollen Fans etwas zurückgeben. Allzu häufig blieben sie die Lieferung schuldig. Spielerisch sehenswert war das daheim Gebotene nur am Anfang der Spielzeit und zuweilen gegen Ende.
In das Bild passt, was nach dem Finale im Waldhof gesagt wurde: Auf die Frage, was sie sich für die neue Saison wünsche, antwortete Mittelfeldmann Niclas Stierlin: „Wir wollen erfolgreich sein. Das ist nicht der Anspruch des MSV, dass wir so Fußball spielen, wie wir ihn gerade spielen.“ Caspar Jander, gemeinsam mit Topscorer Moritz Stoppelkamp Spieler der Saison, sähe es gern, „dass wir ein bisschen besser Fußball spielen“. Jander wünscht sich ebenfalls, „dass wir das eine oder andere Tor weniger kassieren.“
MSV Duisburgs Trainer Ziegner ruderte zurück
In dieser Saison waren es 58. Immerhin 13 weniger als im Jahr zuvor, als das Scheunentor sperrangelweit offen stand. Die vor der Saison benannte Aufgabe, die Abwehr zu stärken, konnte trotzdem nur bedingt erfüllt werden. Ein Grund war übrigens, dass Zieger gerne mehr Fußball sehen wollte. Zwischenzeitlich gab er die Devise aus: „Wir wollen nicht mehr nur Spiele nicht verlieren, wir wollen sie gewinnen.“ Kaum hatte er das gesagt, blieb der MSV acht Spiele ohne Sieg und kassierte auf der Strecke 19 Gegentore.
Für den Trainer spricht, dass er rechtzeitig – vor dem 2:2 bei Viktoria Köln – zurückruderte. Statt der schönen, aber gefährlichen Raute wechselte er zurück zum System mit zwei Sechsern. In Mannheim versuchte er es dann wieder mit einem 4-4-2 und verlor 1:3.
Das Ziel lautet Aufstieg 2025, ausgegeben vom jetzigen Vorstandsmitglied Ulf Schott als feststehender Fakt. Mit Blick darauf war die Saison 2022/2023 eine Spielzeit nach dem Motto „Auf die Plätze“. Was gelang bei der Vorbereitung auf den Startschuss: Torhüter Max Braune, Linksverteidiger Baran Mogultay, Mittelfeldmann Caspar Jander und Stürmer Julian Hettwer, alles Kicker aus der eigenen Jugend und so um die 20, schafften den Sprung nach oben. Jonas Michelbrink, der von Hertha BSC kam, konnte sein Talent nicht zeigen. Soll aber welches haben. Alaa Bakir muss es weiter entwickeln. Hamza Anhari war zu oft verletzt, um seine Qualitäten beweisen zu können. In der Summe aber: Im Kader stehen ausreichend junge Leute, die Potenzial haben.
Der MSV Duisburg hat sich emanzipiert
Ein weiterer Schritt der Vorbereitung auf größere Taten: Der Spielverein hat sich emanzipiert, freiwillig und unfreiwillig. Es war das erste komplette Jahr ohne Sportdirektor Ivica Grlic, der seit Oktober 2011 in der Verantwortung war. Zudem: Der angekündigte Ausstieg von Hauptsponsor und Hauptgläubiger Schauinsland-Reisen fordert heraus. Dass aber ein Mittelsmann des Sponsors für Unruhe sorgt, kann niemand brauchen. Die Trennung war offenbar notwendig.
Auch die Entscheidung, dem 36-jährigen Moritz Stoppelkamp keinen neuen Vertrag zu geben, ist mit Blick auf 2025 nachvollziehbar. Trainer Ziegner spricht von einer neuen Hierarchie in der Truppe, die er formen will. Die Idee kommt nicht von ungefähr. In der ersten Hälfte galt: „Ohne Stoppel nur Gehoppel“. Sieben Tore und zehn Vorlagen steuerte der „Duisburger Jung“ bei. Er war wesentlich daran beteiligt, dass die Saison weitgehend sorgenfrei verlief.
In der finalen Phase aber funktionierte die Mannschaft ohne den Chef. Caspar Jander sagte nach dem Mannheim-Spiel: „Zum Ende der Saison haben wir uns als Mannschaft noch einmal gefunden. Wir haben unseren Spirit gehabt und, was in Duisburg gerne gesehen wird, wir haben alles gegeben.“ All dies ereignete sich nach dem 0:5 gegen Dortmund II, dem letzten Spiel mit dem Kapitän. Stoppelkamp musste danach mit Adduktoren-Problemen pausieren.
Um im Bild zu bleiben: Wenn 2022/2023 die „Auf die Plätze“-Spielzeit war, dann steht das neue Jahr unter dem Kommando „fertig!“. Bis ins vordere Drittel soll es gehen. 2024/2025 muss es dann richtig losgehen. Das kann gelingen. Die Betonung liegt auf „kann“.