Duisburg. Der MSV Duisburg verpasste die Rückkehr in die 2. Fußball-Bundesliga und muss nun einen neuen Anlauf unternehmen. Eine Analyse.

Vor gut einem Jahr warf Bernard Dietz beim Fußball-Drittligisten MSV Duisburg sein Vorstandsamt hin. Seine Vorstandskollegen hatten entschieden: Torsten Lieberknecht bleibt Trainer und Ivica Grlic Sportdirektor. Trotz eines Abstiegs aus der Zweiten Liga, von dem jeder sicher war: Das war vollkommen unnötig.

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Ingo Wald, Udo Steinke und Robert Philipps waren der Meinung: Das Tandem in der sportlichen Verantwortung könne die Delle ausbeulen. Außerdem wollten alle genau schauen, was falsch gelaufen sei. Wald bezog damals sogar den Platzwart in die Verantwortung mit ein. Dietz sah das anders. Die Tabelle gibt ihm heute Recht. Gut ein Jahr später sprach am Samstag der Vorstand ohne Dietz wieder dem Trainer und Sportdirektor das Vertrauen aus. Nach einem verpassten Aufstieg.

Den Erfolg hatte man unnötig aus den Händen fallen lassen. Da ist sich jeder sicher. Ivica Grlic kündigte eine knallharte Analyse an. Aus der weiten Ferne einer Sportredaktion geschaut, lässt sich das eine oder andere dazu beitragen.

Der Aufstieg war das Ziel des MSV Duisburg

Trainer Lieberknecht nährte zuletzt einen Mythos: Dem MSV habe niemand eine so gute Saison zugetraut. Sogar als Absteiger Nummer eins sei man gesehen worden. Das stimmt nicht: Sein Vorgesetzter Ingo Wald sagte beim ersten Training: Der MSV solle zu den acht Teams gehören, die um den Aufstieg mitspielen. Wald wörtlich: „Ich hoffe, dass wir nicht zu den fünf Mannschaften gehören, die es nicht schaffen.“ In den Pressegesprächen danach war von „oben mitspielen“ die Rede. Der erreichte Klassenerhalt war nie das Ziel. Die Rückkehr in die Zweite Liga durchaus.

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Dafür hatte die Führungsetage dem Sportdirektor einen ausreichend großen Etat zur Verfügung gestellt. Geschäftsmann Wald war bereit, ins Risiko zu gehen. Das geplante Minus lag bei mindestens einer Millionen Euro. Warum soll man einen solchen Verlust einkalkulieren? Weil der Vorstand das Geld mit den Fernseheinnahmen nach dem Aufstieg wieder reinholen wollte.

Der Kader war klein. Das lag daran, dass sich Grlic entschieden hatte, lieber auf Klasse als auf Masse zu setzen. Cem Sabanci hatte sich schon vorher einen Kreuzbandriss zugezogen. Joseph-Claude Gyau kam erst gar nicht, obwohl Lieberknecht ein „Daumen-hoch“-Signal so gedeutet hatte. Sebastian Neumann nahm nach seiner Hüft-Op nie wirklich an der Saison teil. Connor Krempicki zog sich in Mannheim einen Mittelfußbruch zu. Marvin Compper erwies sich als verletzungsanfällig. Grlic verzichtete in der Winterpause darauf, den Kader aufzustocken. Einer (Florian Brügmann) ging. Einer (Matthias Rahn) kam.

Das Kreuz mit den Standards beim MSV Duisburg

Der Trainer sagt, er liebt Herausforderungen. Es mangelt an Gegenliebe: Zur Saison 2016/2017 stand er im Winter mit Eintracht Braunschweig auf Platz eins. In der Relegation scheiterte man an Wolfsburg. Ein Jahr später standen Lieberknechts Braunschweiger im Winter auf Platz elf. Die Mannschaft stieg als schlechtestes Team der Rückrunde ab. Danach kam der Coach nach Duisburg und führte die Truppe als Ersatz für Ilia Gruev zur Halbserie auf einen Nichtabstiegsplatz. Als schlechtestes Team der Rückrunde stieg der MSV ab. Diesmal lag das Zebra beim Zwischenfazit auf Rang eins. Zehn von elf Truppen, die in der Vergangenheit dieses Glück ebenfalls hatten, stiegen auf. Der MSV schaffte es erstmals in dieser Ahnenreihe nicht mal in die Relegation. In der Rückrundentabelle reichte es nur zu Platz elf.

MSV-Kapitän Moritz Stoppelkamp mit einer emotionalen Geste vor den Fans nach dem  Spiel gegen Unterhaching. Lieber hätten die Zebras indes den Aufstieg gefeiert.  
MSV-Kapitän Moritz Stoppelkamp mit einer emotionalen Geste vor den Fans nach dem Spiel gegen Unterhaching. Lieber hätten die Zebras indes den Aufstieg gefeiert.   © imago images/Norbert Schmidt | Norbert SCHMIDT via www.imago-images.de

Das lag auch daran, dass Moritz Stoppelkamp seine Torgefahr einbüßte, Lukas Daschner lange nach seiner Form suchte, Leroy Mickels dem Sprung aus der Oberliga in die dritte Klasse Tribut zollte. Ahmet Engin schaffte es als gestandener Spieler beim Schlüsselspiel gegen die Bayern nicht mal in den Kader. Das Team wurde über den Saisonverlauf nicht besser, sondern anhand der Statistik belegt schlechter.

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Bei Magenta-Sport wurde vor dem Spiel am Samstag berichtet: Der MSV habe nur sieben Treffer nach Standards erzielt. Keine anderes Team sei da schlechter. Lieberknecht gab selbst zu, dass die Ecken und Freistöße gegen Halle „katastrophal getreten“ worden seien. Er wollte das „aktiv ansprechen“.

Halles neuer Trainer hatte mit seinen Jungs tüchtig geübt, und der MSV fing sich beide Treffer nach Ecken. Der Coach gab später zu, dass man gewusst habe: Halle kann Standards. Das 0:1 gegen Würzburg fiel nach einem Freistoß. Das 2:3 gegen Waldhof daheim nach einer Ecke. Unterhaching glich zum Hinrundenfinale per Freistoß zum 2:2 aus. Braunschweig ging mit dem gleichen Trick in Duisburg mit 1:0 in Führung. Das 0:1 in Chemnitz fiel nach einer Ecke. Das 2:2 in Bayern fiel nach einer zu kurz abgewehrten Ecke. Die Liste ist nicht vollständig.

Trainer und Sportdirektor sehen keine Fehler in der Vorbereitung während der Corona-Pause. Die Belastung habe die Verletzungsmisere verschuldet. Hinweis: Der MSV gehörte zu den ersten Teams, die wieder ins Training einsteigen konnten. Petar Sliskovic (Leiste) und Joshua Bitter (Oberschenkel) verletzten sich, bevor überhaupt der erste Anpfiff ertönte. Arne Sicker fiel nach 28 Minuten der zweiten Re-Start-Partie gegen Jena aus. Diagnose: Oberschenkel. Marvin Compper musste nach 45 Minuten gegen Jena dauerhaft raus. Vincent Vermeij zerrte sich am gleichen Tag auch was und fehlte gegen Chemnitz. Sinan Karweina pausierte nach dem Uerdingen-Spiel. Der Stürmer hatte zuvor nur Kurzeinsätze gehabt. Vincent Gembalies blieb gegen Uerdingen nach 45 Minuten in der Kabine. Gegen 1860 war er gar nicht im Kader. Gegen Jena kam er erst zur zweiten Halbzeit rein. Moritz Stoppelkamp fiel im fünften Spiel nach 28 Minuten aus. Der Athletiktrainer ist Miro Lusic.

MSV Duisburg: Zu harsche Weinkauf-Kritik

Schließlich ein Wort zum Torwart. Leo Weinkauf ist an dieser Stelle für seine zwei Fehler gegen Uerdingen und Viktoria Köln harsch angegangen worden. Das war ungerecht. Durchaus, der MSV wäre direkt aufgestiegen, wenn der junge Keeper die beiden Böcke nicht geschossen hätte. Aber: Der Torwart kann nichts für die finanzielle Misere des Vereins. Und Trainer Lieberknecht sagte später: Man habe den Torwart zu seiner Spielweise ermuntert. Obwohl schon vorher der Puls bei den Fans höher ging, wenn Weinkauf zu seinen gewagten Aktionen ansetzte. Der MSV verlor durch sein verfehltes Zuspiel auf Vincent Gembalies in Meppen mit 0:1.

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Der Coach hat berichtet, dass er Talente fördern will, weil der MSV ein Ausbildungsverein ist. Das ist hier offenbar nicht ausreichend gelungen. Liegt aber eben nicht allein an Leo Weinkauf, der ein tolles Spiel gegen die Bayern machte. Torwart- und Standardtrainer ist Sven Beuckert.

Ein neuer Anlauf kostet Geld

Was man sich ebenfalls fragt: Über viele Monate hieß es: Der MSV müsse aufsteigen, weil die 3. Liga nicht weiter finanzierbar sei und der MSV sich einen erneuten Kraftakt nicht leisten könne. Ingo Wald sagte beim Halle-Spiel im Fernsehen: „Wir werden darum kämpfen eine Kleininsolvenz zu vermeiden.“ Jetzt sagt der Manager: „Wir greifen in der kommenden Saison an.“ Das wird nicht billig, wie man an dem ursprünglich eingeplanten Minus von 1,1 Millionen Euro (und Platz fünf) gesehen hat. Wer hat da keinen Überblick über die Zahlen?

So viel als Hilfe bei der Analyse.

Um Zeit zu sparen, noch ein Hinweis: Einmal mehr kann der Platzwart bei der Suche nach den Gründen für einen leichtfertig verschenkten Aufstieg ausgeklammert werden.