Düsseldorf. Düsseldorferin Alexandra ist in ein norwegisches Dorf gezogen, damit ihre Kinder in der Natur aufwachsen. Was die Familie am Stadtleben störte.
Ihre Kinder sollten durch Wälder ziehen, nicht durch volle, dreckige Straßen. Sie sollten beim Blick aus dem Fenster Tiere auf grünen Wiesen beobachten können, nicht auf graue Hauswände starren. Sie sollten behüteter, freier, unbeschwerter aufwachsen. Wie in einer von Astrid Lindgrens Geschichten.
Für diesen Traum haben Alexandra und Michael Türschmann viel aufgegeben. Sie haben ihre Düsseldorfer Stadtwohnung gegen ein weißes, holzvertäfeltes Haus in Norwegen getauscht. 1400 Kilometer trennen die fünfköpfige Familie heute von ihrer Heimat, von Freunden und Familie.
Weg aus der Stadt, rauf aufs Land: Immer mehr junge Familien ziehen aufs Dorf
Weg aus der Stadt, raus aufs Land: Mit ihrer Entscheidung sind die beiden nicht allein. „Inzwischen entscheiden sich mehr Menschen für ein Leben auf dem Land als noch vor einem Jahrzehnt“, heißt es in einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung.
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Während die Deutschen gut zwei Jahrzehnte lang in Großstädten leben wollten, seien es nun vor allem junge Familien, die ländliche Regionen für sich entdeckten. Gründe dafür gibt es laut Studie viele: Die Städte werden immer teurer, die Arbeitswelt immer digitaler. Ein Leben auf dem Land scheint für viele die Lösung all ihrer Probleme zu sein, ein Ausstieg aus dem stressigen Alltag. Doch wie idyllisch ist das Landleben wirklich?
Eigentlich ist Alexandra Türschmann ein Großstadtkind. Sie wuchs in der belarussischen Millionenmetropole Minsk auf, studierte in Bonn, ließ sich schließlich in Düsseldorf nieder. Sie liebte die große Auswahl an Restaurants, die kurzen Wege, die Flexibilität. Doch dann wurde sie Mutter – und dachte immer öfter an die Sommer ihrer Kindheit zurück.
Die Schulferien verbrachte sie zusammen mit ihrer Oma in einer einsamen Hütte im Wald. Sie waren den ganzen Tag draußen, lebten als Selbstversorger nur von der kleinen Apfelbaumplantage und dem Gemüsegarten. „Dieses Leben unter einfachsten Bedingungen hat mich sehr geprägt. Düsseldorf hat sich irgendwann einfach nicht mehr richtig angefühlt“, sagt die heute 37-Jährige.
Düsseldorfer Familie: Skandinavien als Sehnsuchtsort
Als sie zum zweiten Mal schwanger wurde, fassten sie und ihr Partner daher den Entschluss, die Großstadt hinter sich zu lassen. „Ich wollte, dass meine Kinder keine Angst haben müssen, alleine draußen zu spielen, sich möglichst viel erleben können“, sagt Türschmann.
Bei der Suche nach einem neuen Zuhause beschränkten sie sich nicht auf Deutschland. Schließlich waren sie schon viel in der Welt unterwegs gewesen. Eines ihrer persönlichen Lieblingsziele und Sehnsuchtsort für viele, die vom Leben im Einklang mit der Natur träumen: Skandinavien.
„Wir dachten uns: Wenn wir schon aus der Stadt ziehen, dann könnten wir auch mitten in der Natur leben, die uns im Urlaub immer so begeistert.“ Online entdeckten sie ein Haus, das sie ohne Besichtigung kauften. Hochschwanger startete Türschmann in ihr neues Leben.
Von Düsseldorf nach Norwegen: Junge Familie lebt „wie im Urlaub“
Heute, fast sechs Jahre später, fühlt sich das Dorf mit den 40 Häuschen nahe der Kleinstadt Lillehammer für sie längst nach Zuhause an. Ihre Kinder können hier genauso aufwachsen, wie sie es sich immer gewünscht hat. Jetzt im Winter, wenn die Temperaturen nicht über null Grad klettern, fahren sie auf dem zugefrorenen See Schlittschuh und mit Skiern durch die Berge, bauen Schneemänner und wärmen sich mit heißer Schokolade wieder auf.
„Am Anfang war es so, als wären wir permanent im Urlaub. Und auch heute habe ich noch manchmal dieses Urlaubsgefühl“, sagt Türschmann, die gerade mit Baby Nummer vier schwanger ist.
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Ex-Düsseldorferin: „Anschluss auf dem Dorf zu finden, ist schwer“
„Nach der Schule oder der Kita können die Kinder einfach rausgehen und spielen. Man muss sich keine Sorgen machen. Hier im Dorf leben bestimmt an die 30 Kinder. Da ist immer ein älteres dabei, das aufpasst. Und wenn sich meine Tochter mal etwas weiter vom Haus entfernt, bekomme ich direkt eine Nachricht von der Nachbarin“, erzählt Türschmann.
Dass sie heute so guten Kontakt zu ihren Nachbarinnen und Nachbarn haben, sei nicht selbstverständlich. „Es war nicht leicht, Anschluss zu finden. Die Menschen hier in Norwegen, vor allem auf den Dörfern, bleiben gerne unter sich.“ Sie mussten andere Familien fünfmal zu sich einladen, bis eine Gegeneinladung kam, erinnert sich Türschmann.
Sie persönlich habe das weniger gestört. Aber aufs Alleinsein müsse man sich auf dem Dorf einstellen. Vor allem, wenn man wie Türschmann und ihr Partner remote arbeitet. Sie ist Bloggerin und betreibt einen Online-Shop für nachhaltiges Kinderspielzeug, er fliegt für seinen Job durch die ganze Welt.
Ihre Kinder hätten hingegen schnell neue Freundinnen und Freunde gefunden, im Dorf selbst und auch in der Schule. Das Problem: Die weiterführende Schule, auf die ihr ältester Sohn geht, liegt 45 Minuten entfernt. „Viel Fahrerei gehört zum Leben auf dem Land dazu“, sagt Türschmann.
In ihrem Dorf gibt es keinen Supermarkt, keine Apotheke, nicht mal einen Bäcker. Die kurzen Wege, das ist es, was sie am Stadtleben vermisst. Dafür seien die Abenteuer, die ihre Kinder täglich in der Natur erleben können, umso näher. „In Düsseldorf wären wir vielleicht mal in ein Kindercafé gegangen oder auf einen Spielplatz im Park“, sagt Alexandra Türschmann. „Aber hier können die Kinder die Welt wirklich frei entdecken.“
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