Münster. Rechtspopulist Geert Wilders hat die Wahl zum Parlament in Den Haag gewonnen. Niederlande-Experte Prof. Dr. Jacco Pekelder ist besorgt.
Die Niederlande haben ein neues Parlament gewählt. Zur Überraschung vieler Beobachter zog Geert Wilders mit seiner Partij voor de Vrijheid (Freiheitspartei) die meisten Stimmen auf sich. Prof. Dr. Jacco Pekelder, Leiter des Zentrums für Niederlande-Studien (ZNS) an der Universität Münster, ordnet das Wahlergebnis ein.
Vor wenigen Tagen wurde ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Pieter Omtzigt vom Nieuw Sociaal Contract (NSC), Frans Timmermans von der GroenLinks und Dilan Yeşilgöz von der rechtsliberalen VVD prognostiziert. Wurden Sie vom Wahlausgang überrascht?
Ja, das Ergebnis hat alle überrascht. Erst in der vergangenen Woche wurde klar, dass Wilders aufschließen und vielleicht sogar als Wahlsieger enden würde. Das hat mit der Dynamik auf der politisch rechten Seite zu tun. Dort hatte Yeşilgöz der VVD signalisiert, dass eine Koalition mit der PVV nicht undenkbar wäre, während Omtzigt selbst Zweifel hat aufkommen lassen, ob er Ministerpräsident werden wolle. Das hat konservative Wähler wohl dazu verführt, strategisch für Wilders zu stimmen, um damit eine Koalition der rechtskonservativen und ‑populistischen Parteien zu forcieren.
Medien schreiben von einem „politischen Erdbeben“ und einem „Rechtsruck“ in den Niederlanden durch das Wahlergebnis. Halten Sie das für eine Übertreibung?
In der politischen Grundhaltung vieler Niederländer hat es diesen ,Rechtsruck‘ beziehungsweise dieses Abrücken von links schon lange gegeben. Viele Menschen sind der Überzeugung, dass ,links‘ und insbesondere die Sozialdemokratie für viele Probleme der vergangenen 30 Jahre verantwortlich sind. Das hat mit dazu geführt, dass sich seit 2002 neben einem starken Mitte-Rechts-Lager zudem ein rechtspopulistisches Lager etabliert hat. Diese beiden Lager reagieren aufeinander wie kommunizierende Röhren, in etwa wie die Union und AfD dies in Teilen Deutschlands tun.
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Denken Sie, dass Geert Wilders neuer Premier werden wird?
Dies ist nicht auszuschließen, denn auf ihm ruht jetzt die Initiative der Regierungsbildungsverhandlungen. Wenn er sich dabei wirklich so gemäßigt positioniert, wie er sich während der Wahl gezeigt und geäußert hat, könnte es mit der Kompromissfindung mit der VVD, dem NSC und der Bauer-Bürger-Bewegung, die über viele Mandate in der Ersten Kammer verfügt, durchaus funktionieren. Er müsste aber deutliche Zugeständnisse in der Europa- und der Sicherheitspolitik machen. Anders als versprochen, müssten die Niederlande auch weiterhin die Ukraine unterstützen.
Premierminister Mark Rutte sorgte 13 Jahre lang für halbwegs stabile Verhältnisse in den Niederlanden. Ist diese Zeit nun vorbei?
In etwa vergleichbar mit der deutschen Rückschau auf die Ära von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel bewerten viele Menschen die Stabilität der Rutte-Jahre heutzutage eher als eine Ära der Reformverweigerung und des Wegschauens von den Interessen der Bürger. Viele Niederländer meinen, dass man das Land und das Verhältnis Staat-Bürger umkrempeln muss – danach sehnen sie sich mehr als nach Stabilität. (red./PM)