Aus den Niederlanden. Sequenzierungen zeigen, welche Mutationen sich in den Niederlanden verbreiten. Grenzregion ist weniger stark von britischer Variante betroffen.
Während Neuinfektionen mit dem Covid-19-Virus zurückgehen, greifen dessen Mutationen immer weiter um sich – vor allem im Nachbarland von NRW. "Durchschnittlich sind in den Niederlanden wahrscheinlich 50 bis 60 Prozent aller positiven Tests auf die britische Variante zurückzuführen", sagt Alexander Friedrich, Leiter der Abteilung für Medizinische Mikrobiologie und Infektionsprävention am Universitätsklinikum Groningen.
Britische Mutation: Im Grenzgebiet weniger stark verbreitet
Doch regional gebe es "dramatische Unterschiede“, sagt Friedrich. "Wenn man sich einige Städte im Westen der Niederlande anschaut, hat man einen Prozentsatz von bereits bis zu 80 Prozent, in der Grenzregion zu Nordrhein-Westfalen keine 15 Prozent. Je näher man nach Deutschland kommt, desto weniger Fälle der britischen Variante gibt es derzeit."
Doch nicht nur die britische Mutation bereitet den Niederlanden Sorge. Auch die sogenannte südafrikanische und zwei brasilianische Varianten wurden entdeckt - mithilfe von Sequenzierungen. Bei diesem Verfahren wird das Erbmaterial des Erregers genetisch bestimmt, was eine Analyse von bekannten wie auch unentdeckten Virusvarianten ermöglicht.
Niederlande und NRW: Wie viel wird sequenziert?
Während zunehmend kritische Stimmen laut werden, dass in Nordrhein-Westfalen bislang nur ein Bruchteil der positiven Proben sequenziert werden, blickt Virologe Friedrich in Groningen recht positiv auf die Entwicklungen: "In Nordrhein-Westfalen ist das sehr gut geregelt."
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In NRW ist die Sequenzierung für Infektionsprävention auch entwickelt worden, wie Friedrich erklärt. Die Niederlande habe diese Expertise vor rund zehn Jahren übernommen, vor allem durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit.
Wer trägt die Kosten für die Sequenzierungen?
Jedoch gebe es in den Niederlanden keine einheitliche Verordnung für die Anzahl der Sequenzierungen wie in Deutschland, sagt Friedrich. Laut aktueller Bundesverordnung sind die Bundesländer angewiesen, bei fünf bis zehn Prozent der positiven Tests eine Genom-Sequenzierung durchzuführen.
Die Kosten übernimmt der Bund. Unterdessen ist in den Niederlanden nicht klar, wer etwa die Sequenzierungen in den regionalen Krankenhauslaboren bezahlt, wie Friedrich berichtet. “Da schauen wir in den Niederlanden ein bisschen neidisch nach Deutschland."
Niederlande: Sequenzierungsquote von fünf bis zehn Prozent
Derzeit würden zwei bis vier Prozent der wöchentlich positiven Testergebnisse sequenziert, so Friedrich. Zusammen mit regional durchgeführten Sequenzierungen in den Krankenhauslaboratorien ergebe sich in den Niederlanden ebenfalls eine Sequenzierungsquote von fünf bis zehn Prozent.
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Doch wie hoch muss die Sequenzierungsquote für belastbare Rückschlüsse sein? "Die Frage ist, wofür macht man die Sequenzierung", so Friedrich. "Das Ziel der fünf bis zehn Prozent ist nicht die Intervention, sondern eine Übersicht zu bekommen. Dafür sind zehn Prozent sicherlich nicht schlecht."
"Wenn ich die Sequenzierung nutzen will, um das Virus an der Verbreitung zu hindern, dann muss ich so viel sequenzieren wie möglich", so Friedrich. Nur so würde ein genaues Bild entstehen. Dadurch könnten unterschiedliche Maßnahmen per Region getroffen werden und ein landesweiter Lockdown nur sehr viel seltener nötig sein.
Steigende Zahlen: Was kommt auf die Niederlande zu?
Friedrich spricht von einem Paradox der Prävention: „Ich muss frühzeitig handeln, um wenig Probleme zu bekommen. Aber wenn ich frühzeitig handle, dann sagt die Hälfte der Leute: Was wollt ihr denn, es ist doch noch gar nichts passiert. Wenn das Kind erst in den Brunnen gefallen ist, sagen alle: Wir hätten etwas machen müssen."
In den Niederlanden steigen die Neuinfektionen erneut. „Das heißt, jetzt haben die britische Variante und die Ursprungsvariante ungefähr ein Gleichgewicht gefunden", sagt Friedrich. Wie schlimm es kommt, werde erst in ein paar Wochen deutlich. Mitte März oder Anfang April werde sich dann in den Niederlanden zeigen, "ob man es im Januar richtig gemacht hat."