Aus den Niederlanden. In deutschen Supermärkten sind Bio-Produkte längst zur festen Größe geworden. Der niederländische Sektor hinkt hinterher - schöpft aber Hoffnung.
Landwirtschaft und die Niederlande – bei diesem Begriffspaar erscheint schnell ein gläsernes Gewächshaus vor dem inneren Auge. „Es gibt das Image, dass Holland beim Gemüseanbau sehr technisch ist“, bestätigt Michaël Wilde, Direktor des niederländischen Öko-Branchenverbands Bionext.
Doch das habe keinesfalls eine schlechte Qualität zur Folge - auch in niederländischen Gewächshäusern werde Bio produziert. Sind die Niederlande also – wie in so vielen Innovationsfragen - auch beim Thema ökologische Landwirtschaft Vorreiter? Leider nicht, bedauert Wilde. „Wir sind sehr eifersüchtig auf Deutschland. Bio hat dort eine größere Akzeptanz, einen Platz in der öffentlichen Debatte.“
Bio in Niederlanden weniger beliebt als in Deutschland
Wie in Deutschland gibt es in den Niederlanden zwar das EU-Bio-Siegel, das Demeter-Siegel sowie das niederländische Siegel Eko. Doch Bio-Produkte hätten sich auf dem niederländischen Markt noch lange nicht so durchgesetzt wie in Deutschland, der Schweiz oder Skandinavien, erklärt Wilde.
Dabei sollte sich das schon vor über zehn Jahren ändern. Unter dem Slogan „Biologisch, eigenlijk heel logisch – biologisch, eigentlich sehr logisch“ lief 2002 eine Werbekampagne des Landwirtschaftsministeriums an, die das Interesse an biologisch zertifizierten Lebensmitteln bei unseren Nachbarn steigern sollte.
Das habe auch funktioniert, sagt Wilde. Bis die Regierung die Kampagne 2011 abgesetzt habe. Mit der Folge, so Wilde, dass Bio in den Niederlanden nicht so beliebt wie in Deutschland sei. Der Marktanteil von Bioprodukten wachse nur langsam.
Umstellung auf Bio in den Niederlanden schwieriger?
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„Dazu muss man wissen: Die Umstellung auf Bio ist schwierig", sagt Bernhard Rüb von der Landwirtschaftskammer NRW. "Es gibt viele Richtlinien. Je technischer die Landwirtschaft ist, desto schwieriger wird es. Die Betriebe in den Niederlanden sind weiter entwickelt und spezialisierter als in Deutschland."
Für kleinere Betriebe in der Eifel oder im Sauerland etwa sei eine Umstellung daher einfacher. "Das liegt nicht an der Uneinsichtigkeit der niederländischen Betriebe.“
Starke Landwirtschafts-Lobby in den Niederlanden
„Wir sind ein Handelsland“, sagt auch Wilde. Als großer Exporteur von Agrarprodukten liege der Fokus auf kostengünstigen Produktionsbedingungen. „Biodiversität und Klimaschutz stehen da im Weg. Die Lobby der konventionellen Landwirtschaft ist sehr stark und wohlhabend. Das macht es manchmal schwierig für uns.“
Und dann ist da noch das Konsumverhalten unserer Nachbarn. „In den Niederlanden geben wir weniger Geld für Essen aus als in Deutschland“, sagt Wilde. Und Bio koste eben.
Coronapandemie: Interesse an lokalen Bio-Betrieben gestiegen
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Eine weitere Erklärung des Bionext-Direktors für den Unterschied zwischen den beiden Ländern: „In Deutschland gibt es ein stärkeres Gefühl für die Region.“ Und damit auch für regionale Bio-Produkte. Doch Wilde ist optimistisch, dass der Bio-Landwirtschaft in den Niederlanden bald eine rosigere Zukunft bevorsteht.
Während der Coronapandemie habe das Interesse an regionalen und saisonalen Produkten bereits zugenommen. „Es wurde mehr in lokalen Bioläden gekauft“, so Wilde. Dieser Trend wird sich auch in diesem Jahr fortsetzen, nimmt der Branchenverband an.
Mehr Öko-Landwirtschaft: Vorgaben aus Brüssel
Hinzu kommen die Vorgaben aus Brüssel, die die Niederlande im Bereich der Ökolandwirtschaft unter Zugzwang setzen. Denn die EU will bis 2030 den Anteil ökologischer Landwirtschaftsfläche auf 25 Prozent erhöhen. „Die Regierung setzt jetzt mehr auf Bio“, beobachtet Wilde.
Auch die NRW-Landesregierung möchte in diesem Zusammenhang den Anteil ökologischer Landwirtschaftsfläche bis 2030 auf 20 Prozent erhöhen. Aktuell liegt er bei 6 Prozent. Noch ein weiter Weg. „In den Niederlanden sind es derzeit 3,8 Prozent“, sagt Michaël Wilde dazu. „Wir sehen Deutschland als Riesenvorbild. Wir sind hinten dran, aber wir glauben, dass in den kommenden Jahren noch viel passieren wird.“
>>> Bio-Landwirtschaft in NRW und den Niederlanden
Laut Skal Biocontrole gab es im vergangenen Jahr 2115 ökologisch zertifizierte Landwirtschaftsbetriebe in den Niederlanden – im Vergleich zu 2010 Betrieben in NRW. Bei dieser letzten Landwirtschaftszählung von IT.NRW wurden allerdings nur Betriebe über 5 Hektar berücksichtigt, sodass die Gesamtzahl an Biobetrieben in NRW für 2020 höher ausfällt.
So gab es 2019 laut Bundesanstalt Landwirtschaft und Ernährung 2202 Bio-Landwirtschaftsbetriebe in NRW. Im vergangenen Jahr umfasst der biologische Landbau in den Niederlanden 79.664 Hektar. In Nordrhein-Westfalen waren es IT.NRW zufolge rund 86 300 Hektar.