Eindhoven. Eindhoven wurde von den Corona-Krawallen hart getroffen. Wie haben die Einwohner die Ausschreitungen erlebt? Nicht alle lehnen die Gewalt ab.
Ein gelb-schwarz gestreiftes Absperrband flattert vor dem Eingang des Hauptbahnhofs im Wind. Reisende laufen um den abgesperrten Bereich, in dem die Glasscherben im Sonnenlicht aufblitzen. Es sind die wenigen Überbleibsel der gewaltsamen Ausschreitungen im niederländischen Eindhoven in den vergangen Tagen.
Seit dem Wochenende waren in mehreren niederländischen Städten Demonstrationen gegen die neu eingeführte Ausgangssperre eskaliert. Am Dienstagabend blieb die Lage weitestgehend ruhig.
Doch die Schäden sind teilweise noch zu sehen, der Schrecken sitzt tief. Eine kleine Gruppe hat sich neben der Absperrung versammelt und blickt hinauf zur gläsernen Bahnhofsfassade. Durch die Fensterscheiben ziehen sich tiefe Risse. Steine haben Einschlaglöcher in den großen Glasscheiben hinterlassen, hinter denen Stühle und Tische des Bahnhofscafé erkennbar sind.
Eindhoven: Glasscherben vor dem Bahnhof
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"Das ist fast unwirklich", sagt Janneke Schouten, die mit einer Freundin vor dem Bahnhof steht und dabei zusieht, wie zwei Männer in knalligen Warnwesten auf einer blauen Drehleiter die beschädigten Fenster begutachten. "Aber man sieht schon fast nichts mehr."
Die 26-Jährige studiert in Eindhoven und musste sich den Ort der Ausschreitungen selbst ansehen. "Was sind das für Menschen?", fragt sie. "Viele Jugendliche, verrückt."
Gewaltsame Ausschreitungen in Eindhoven
"Peace and Humanity - Frieden und Menschlichkeit", steht in hellblauer Kreideschrift auf dem Boden vor der Absperrung. Doch die Schrift ist schon stark verblasst, die rosa Kreideherzen daneben wenigstens nicht.
Ob solch eine Gewaltbereitschaft unter den Demonstranten zu erwarten war? "Ich habe eigentlich nie zuvor darüber nachgedacht", antwortet Janneke Schouten. "Andererseits haben es die Niederländer nicht so mit Regeln."
Jugendliche an Corona-Krawallen beteiligt
Nahe der Bussteige auf der Rückseite des Hauptbahnhofs stehen drei Jugendliche, die das anders sehen. Sie wollen sich zum Thema äußern, sagen, dass sie Mo, Rachid und Emre heißen. Und, dass sie verstehen können, warum es zu den Ausschreitungen gekommen ist.
Gewalt und Zerstörung seien zwar nicht gut. "Die Läden haben damit nichts zu tun", sagt Emre. "Das macht die Stadt kaputt." Wenn die Gewalt sich aber gegen Polizisten richte, dann sei das wiederum ok, findet Rachid. Die Jungs grinsen beim Reden.
"Bloß nicht die Ausgangssperre lockern"
Keine hundert Meter weiter sitzt Joost Janzen auf einer Bank. "Das war dumm", sagt der 17-jährige Schüler über die gewaltsamen Ausschreitungen. Verständnis für die Randalierer äußert er nicht. "Die Ausgangssperre ist nervig, man kann nichts tun." Aber deshalb Gewalt anwenden? Nein.
Niemand in seinem Umfeld habe sich an den Ausschreitungen beteiligt oder sie gut geheißen. "Ich denke auch nicht, dass da viele Menschen aus Eindhoven dabei waren", sagt er. Gerüchten zufolge seien Randalierer aus Belgien gekommen.
Ob er Angst vor weiteren Ausschreitungen habe? "Natürlich", antwortet er. Die Politik solle jetzt bloß nicht nachgeben und die Ausgangssperre lockern. "Wir müssen stark bleiben. Sonst denken die, dass sie mit Gewalt alles durchsetzen können."
Bars und Restaurants in Eindhoven angegriffen
Im Bahnhof zeugt nur noch ein ramponiertes Piano von dem gewaltsamen Ausmaß der Proteste. Auf dem Vorplatz stehen noch eingeschlagene Reklamekästen, aber mit jedem Meter, der vom Bahnhof wegführt, nimmt der Schrecken schon wieder merklich ab. Schäden sind nicht zu entdecken.
Doch die Fenster der Bars und Restaurants gegenüber des Bahnhofsplatzes sind dunkel. Ob die Lokale aus Angst vor neuen Krawallen oder wegen der Corona-Pandemie dicht sind, ist nicht ersichtlich.
Gastroszene schon genug von Corona getroffen
Das Restaurant Fuso aber hat für Abholer geöffnet. "Wir machen einfach weiter", sagt Wendy Li. Die Eigentümerin stand am Sonntagnachmittag hinter der Theke, als die Ausschreitungen begannen. Direkt vor dem Fenster des Lokals. "Wir hatten große Angst, unsere Tür stand noch offen", erinnert sie sich. "Wir haben uns nicht nach draußen getraut."
Dann seien die Tische auf ihrer Terrasse angezündet worden. Die Randalierer warfen mit Kübeln um sich, eine Scheibe des Restaurants ging zu Bruch. "Der Schaden kostet ein paar Tausen Euro", sagt die 41-Jährige. Dabei mache Corona der Gastro-Szene schon genug zu schaffen. "Wir haben Angst, dass das wieder passieren kann."
Eindhoven: Nichts los in der Innenstadt
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Trotzdem ist das Restaurant eines der wenigen rund um den Bahnhof, das an diesem Tag geöffnet ist. Die Innenstadt wirkt verlassen, nur vereinzelt kommen sich Passanten entgegen. Gegen Abend tauchen dann immer mehr Polizisten mit neongelben Westen nahe des Bahnhofs auf. Sie sprechen Jugendliche an, lassen sich ihre Rucksäcke und Taschen zeigen. Ein Polizist fotografiert einen Jungen mit seinem Ausweis. Er lacht, dann darf er mit seinen Freunden weiter.
Auch die Polizisten ziehen weiter. Kaum jemand scheint sich lange rund um den Bahnhof aufhalten zu wollen. Die Lage ist ruhig, wie man sagen würde. Wie die Ruhe vor dem nächsten Sturm. Oder wie die Erschöpfung nach dem letzten.