Kempen. Es ist eine der ersten Plauderkassen in NRW und vor allem ältere Kunden lieben sie. Wir haben uns vor Ort umgehört. Was sagen die Mitarbeitenden?
Auf dem Kassenband liegen Himbeeren, Blaubeeren und eine Zeitung. Die Verkäuferin Melanie Essen lächelt die Kundin herzlich an. „Hallo!“ Dann scannt sie die Waren, eine nach der anderen, und beginnt das Gespräch. „Haben Sie schon gehört, dass es heute ein Unwetter geben soll?“ Wer sich nun wundert, wieso es hier, mitten im Edeka Steves, so entspannt zugeht, dem verrät ein Banner, dass gerade die Plauderkasse geöffnet hat. Und das bedeutet: „Hier haben Sie alle Zeit der Welt!“
Das Projekt hat Katja Klein von der Seniorenberatung der Stadt Kempen vor wenigen Monaten ins Leben gerufen. „Im Fernsehen habe ich einen Bericht über eine Plauderkasse in Süddeutschland gesehen“, erzählt sie. Das wäre doch auch etwas für den Niederrhein! Denn Einsamkeit ist überall ein immer größeres Thema, gerade bei Seniorinnen und Senioren, wie sie durch ihre alltägliche Arbeit nur allzu gut weiß.
Dabei hilft manchmal schon ein kurzes Gespräch oder ein freundliches Lächeln, damit sich jemand ein kleines Stückchen besser fühlt. Und genau an diesem Punkt setzt das neue Projekt an. Für manche ist der Besuch des Supermarkts der einzige Moment des Tages, in dem sie auf andere Menschen treffen. Allerdings geht‘s an vielen Kassen hektisch zu, die Waren rasen in Sekundenschnelle übers Band und dann in die Tasche, da wird allein schon das Zusammensuchen des Kleingelds zum Stressfaktor.
Plauderkassen bei Edeka und Rewe in Kempen
An der Plauderkasse können sich Kundinnen und Kunden dagegen mehr Zeit lassen, um über Gott und die Welt... oder eben übers aufkommende Unwetter zu reden. „Ich finde es schön, dass die Bereitschaft in den Supermärkten direkt da war“, erzählt Katja Klein. Denn neben dem Edeka am Hessenring öffnet nun auch der Rewe an der Kleinbahnstraße in Kempen zwei Mal in der Woche die Plauderkasse.
Und die Resonanz ist durchweg positiv, wie Melanie Hausmann von der Edeka-Marktleitung erklärt. „Bei uns steht immer der Kunde im Vordergrund“, betont sie, „deshalb wollten wir ein Angebot schaffen für alle, die sich beim Einkaufen bewusst mehr Zeit lassen wollen.“ Dazu gehört auch Monika Horten, die gerade ihre Himbeeren, Blaubeeren und Zeitung vom Kassenband in ihre Einkaufstasche einräumt.
- Einsam und allein? Das muss gar nicht schlimm sein
- Gegen Einsamkeit: Südkoreaner halten Steine als Haustiere
- Gegen die Einsamkeit: Stoppenberger gründen Seniorennetzwerk
Einsam fühlt sich die 76-Jährige zwar nicht, „gleich treffe ich mich noch mit einer Bekannten“, erzählt sie, aber an der Plauderkasse stellt sie sich trotzdem gern an. „Es ist doch einfach schön, wenn jemand etwas Nettes sagt“, sagt sie. „So etwas braucht man.“ Übrigens nicht nur die Kundinnen und Kunden... „Gerade die Verkäuferinnen werden doch oft angemeckert.“ Deshalb sei ein kurzes Gespräch sicher auch für sie schön.
Mit Behinderung wieder selbstständig einkaufen
Das kann Melanie Essen bestätigen. Die 27-Jährige freut sich, wenn sie die Schichten an der Plauderkasse übernehmen kann. „Ich bin ja selbst eine Quasselstrippe“, gibt sie zu und lacht. Wobei sie bei der Begrüßung immer erst schaut, ob ihr Gegenüber auch wirklich zu einem Gespräch bereit ist. „Manche gucken extra weg und andere lächeln einen an“, erzählt sie. „Man merkt einfach, ob sie Lust darauf haben.“ Und dann kann das Plaudern ganz unterschiedlich ablaufen.
Plauderkassen in Kempen
Die Plauderkasse bei Edeka Steves, Hessenring 25 in Kempen, ist mittwochs und donnerstags von 10 bis 13 Uhr geöffnet. Eine weitere Plauderkasse gibt‘s bei Rewe Nico Barbera, Kleinbahnstraße 24 in Kempen.
Die Seniorenberatung lädt am Sonntag, 9. Juni, ab 10 Uhr zum Informationstag „Gut beraten und betreut in Kempen“ im Konferenzloft, Wiesenstraße 4, ein. Seniorinnen und Senioren können sich über verschiedene Angebote in Kempen und Umgebung informieren.
„Wie geht‘s Ihnen heute?“, ist natürlich der Klassiker. „Mir hat aber auch schon mal ein Mann erzählt, dass er sich aufgrund seiner Behinderung hier sicherer fühlt und auch wieder selbstständig einkaufen kann“, sagt Melanie Essen. Das freut sie natürlich ganz besonders. Doch irgendwann, das ist ihr bewusst, ist auch die schönste Plauderei vorbei. So wie jetzt. Monika Horten hat ihre Einkäufe bezahlt, Melanie Horten reicht ihr den Bon: „Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen!“