Kempen. Auf Gut Heimendahl in Kempen gibt’s Landwirtschaft zum Angucken und Anfassen. Jeden Samstag ist zudem Suppentag – seit fast 40 Jahren.

Irgendwo, zwischen Torhaus, Hofladen und Herrenhaus, wuselt gerade noch Hannes von Heimendahl herum. Auf Gut Heimendahl ist eben immer etwas zu tun, jeden Tag… „und jede Nacht“, ergänzt er, nachdem er die drängendsten Aufgaben erledigt und sich nun für einen kleinen Plausch auf eine der grünen Bänke im Hof gesetzt hat. Denn zu erzählen gibt’s so einiges über den historischen Gutshof, auf dem nicht nur eine dampfende Tradition regelmäßig viele Leute anlockt…

Haus Bockdorf, so der ursprüngliche Name des prächtigen Anwesens, gibt’s seit 1358. Mindestens. „Da wurde es das erste Mal urkundlich erwähnt“, weiß Hannes von Heimendahl. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte es sich zu einem landwirtschaftlichen Betrieb von beträchtlicher Größe, das sich mit seiner imposanten Hofeinfahrt durchaus sehen lassen konnte. „Das Torhaus wurde im 16. Jahrhundert gebaut und ist bis heute das älteste, sichtbare Bauwerk hier“, erzählt er. Richtig interessant aber wird es mit dem Jahr 1874, als der Krefelder Samtfabrikant Hugo Alexander Heimendahl den Kempener Gutshof erwarb. Denn damit beginnt auch seine persönliche und ortsverbundene Familiengeschichte.

Hof mit Seele

„Mein Ururgroßvater hat hier vieles verändert“, sagt Hannes von Heimendahl und deutet auf das Herrenhaus mit Türmchen auf dem Dach und Löwen vorm Eingang. „Vorher war es klassizistisch, bis er es komplett mit zeitgenössischem Backstein ummanteln und dann noch neugotische Elemente einfließen ließ.“ Vor Kurzem ist das Schieferdach erneuert worden, alles unter strengen Auflagen, denn das komplette Anwesen steht unter Denkmalschutz. Aber, das ist ihm wichtig zu betonen, „das hier ist kein verstaubtes Museum, sondern weiterhin ein landwirtschaftlicher Betrieb.“ Und das dürfen, ja sollen sogar, die Besucherinnen und Besucher sehen. „Denn nur dadurch lässt sich ein solcher Hof mit Seele erhalten.“

Das Herrenhaus des Guts Heimendahl in Kempen wurde Ende des 19. Jahrhunderts umgebaut.
Das Herrenhaus des Guts Heimendahl in Kempen wurde Ende des 19. Jahrhunderts umgebaut. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Deshalb geht’s nun auch von der Bank ins Grüne. Allerdings schauen zwei Anwohner schon sehnsüchtig aus dem Fenster, weil sie unbedingt am Rundgang teilnehmen möchten. Moment, Hannes von Heimendahl holt sie mal eben… und dann springen seine beiden Hunde auch schon aufgeregt um ihn herum. Wie sie heißen? „Das ist etwas kompliziert“, sagt er und lacht, „Komm und Kappes.“ Ja, genau, „Kappes“ wie die niederrheinische Bezeichnung für „Kohl“ und „Komm“, nun ja, wie eben der klassische Lockruf „Komm“, den er sogleich anwendet. Aber keine Chance, Komm und Kappes rennen direkt die Allee hoch. „Das ist übrigens mit 220 Jahren eine der ältesten Esskastanienalleen.“

Alte Obstsorten

Und auf der rechten Seite, bitte einmal schauen, stehen 60 seltene Hochstammobstbäume. „Die hat sich mein Vater vor über 20 Jahren zum Geburtstag gewünscht“, erzählt Hannes von Heimendahl. Seitdem wachsen sie hier, ganz ohne Dünger und Pestizide, und sorgen so für Äpfel, aus denen sich naturtrüber Saft herstellen lässt. Das Obst aber macht nur einen Bruchteil des landwirtschaftlichen Betriebs aus, dazu kommen Getreide, Zuckerrüben, Kartoffeln, Kohl, Mais, Gemüse… die Liste ist lang. Das Aushängeschild bleiben allerdings die Nutztiere. Wie viele es davon hier gibt? „200.000.“ Wirklich! „Zumindest, wenn man die ganzen Bienenvölker mitzählt.“

Eins, zwei, drei… vier Hörner haben die Jakobschafe auf Gut Heimendahl in Kempen.
Eins, zwei, drei… vier Hörner haben die Jakobschafe auf Gut Heimendahl in Kempen. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Dazu kommen noch hunderte Gänse, Puten, Schweine, Schafe… Letztere stehen gerade auf der Wiese, „ich versuche sie mal anzulocken“, sagt Hannes von Heimendahl und legt direkt los mit „Komm mäh, komm!“ Skepsis bei den Schafen, Erklärung vom Landwirt: „Der Ruf hat sich über die Generationen eingebürgert.“ Und tatsächlich, nun kommen die wolligen Tiere mit vier (!) Hörnern doch, zwar etwas widerwillig, aber macht ja nix. „Das sind Jakobschafe, die mein Vater in den 1950er/1960er ursprünglich als lebende Rasenmäher für den Landschaftspark angeschafft hat.“ Die Nachbarschaft lachte damals noch über die Neuanschaffung, die sich jedoch schon bald auszahlen sollte…

Seltene Tierrassen

„Er hatte die Idee, dass er Fleisch in hoher Qualität anbieten könnte“, erzählt Hannes von Heimendahl. Denn die Tiere kommen hier zur Welt, leben artgerecht – „ohne prophylaktisch Antibiotika zu bekommen“ –, werden in der hauseigenen Metzgerei geschlachtet und weiterverarbeitet. Und, ganz wichtig, „die Produkte können Kunden im Hofladen kaufen“. Selbstvermarktung war damals noch ungewöhnlich, Biozertifikate gab’s sowieso noch nicht. Und heute? „Brauchen wir kein Zertifikat, weil die Kunden unser Qualitätsmanagement sind“, antwortet er und läuft weiter bis zu den Schweinen, die sich im Schlamm suhlen und danach auf dem Stroh ausruhen. „Die Leute sehen ja, woher ihr Fleisch kommt.“

Samstag ist Suppentag auf Gut Heimendahl in Kempen.
Samstag ist Suppentag auf Gut Heimendahl in Kempen. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Übrigens hat sich das Gut Heimendahl dabei als Archehof auf seltene Nutztierrassen spezialisiert, um so deren Fortbestand zu sichern und gleichzeitig auf ihre Vorzüge aufmerksam zu machen. „Die Bronzenepute beispielsweise ist viel robuster als die Pute, die nur im Stall lebt“, erklärt Hannes von Heimendahl. Das alles erzählt er auch auf seinen Führungen, denn, das sagt er selbst, „wir wollen den Hof zugänglich machen, nicht nur für Kinder, auch für Erwachsene, und ihnen die Möglichkeit geben, das zu erleben, was für uns in der Landwirtschaft selbstverständlich ist.“ Am Ende geht’s natürlich noch dorthin, wo sich all die Produkte anfassen, riechen und schmecken lassen: zum Hofladen.

Suppentag seit über 40 Jahren

Hier gibt’s den Apfelsaft, die Fleischprodukte, die Schafsfelle… und dann führt Hannes von Heimendahl noch in die erste Etage, dorthin, wo immer samstags der Duft von Suppe in der Luft liegt. Mal steht Erbsensuppe auf dem Speiseplan, dann Hühnersuppe, Bohnensuppe, Kürbissuppe… In diesem Jahr sind bereits 10.071 Suppen über den Tisch gegangen, das verrät die Kreidezahl auf einer Schiefertafel. Mit 598 Suppen im Jahr 1986 hat alles angefangen, so steht’s auf einer anderen Tafel geschrieben, „damals gab’s die Suppe nur um Weihnachten herum“, erzählt er, „aber die Leute fanden es so gemütlich, dass wir sie danach das ganze Jahr über angeboten haben.“

Kein Wunder, dass sich Gäste hier wohl fühlen, denn in der urigen Stube können sie nicht nur schlemmen, sondern auch noch so allerhand entdecken – landwirtschaftliche Geräte, alte Blechdosen und Radios… Und wie oft sitzt der Chef selbst hier oben und isst Suppe? „Ich probiere zumindest jede Woche.“ Ja, auch das gehört zu seinen Aufgaben. Nächsten Samstag, 14. Oktober, ist es wieder so weit, dann gibt’s Gulaschsuppe.

>>> Hofladen und Suppentag

Der Hofladen von Guten Heimendahl hat dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Der Suppensamstag läuft von 11 bis 15 Uhr, solange der Vorrat reicht. Übrigens, welche Suppe es gibt, steht schon immer ein Jahr im Voraus fest…

Weitere Informationen sind im Internet zu finden unter www.gut-heimendahl.de