Köln/Kleve. Die Kölner Spezialfirma Fröbus erstellt Kopien von Kunstwerken mit modernsten Techniken, täuschend echt. In Kleve sind einige Arbeiten zu sehen.
Die Kopie – das ist quasi die legale Schwester der Fälschung. Und könnte, rein technisch, natürlich aussehen wie neu. Also besser als das Original. „Auf keinen Fall“, sagt Franz Bayerl. Er muss es wissen, schließlich ist er Geschäftsführer einer Firma, die sich das Kopieren und Digitalisieren von Kunst in drei Dimensionen zum Geschäftsmodell erkoren hat.
Bei ihnen heißen die künstlich geschaffenen Zwillinge „Digitalisate“. Bei Fröbus in Köln werden nach allen Regeln der Kunst und dem neuesten Stand der Technik digitale Kopien von Kunstwerken geschaffen. Die Rathauspropheten von Köln haben sie genauso in digitale Kopien übersetzt, wie derzeit die rund 145.000 Objekte umfassende Münzsammlung des Schlosses Friedensstein in Gotha. Oder die Altäre von Derek Baegert aus Dortmund und die seines Sohnes Jan aus Cappenberg für eine spektakuläre Ausstellung im Museum Kurhaus Kleve.
Digitalisate für Autos von morgen und Kunst von gestern
Am Beispiel der Baegert-Altäre lässt sich auch ganz gut erklären, was die Firma Fröbus, ein traditionsreicher Kölner Grafikbetrieb, mit ungefähr einem Drittel ihrer Belegschaft auf technisch höchstem Niveau treibt. Viele der übrigen Mitarbeitenden basteln übrigens an virtuellen 3-D-Modellen für die Autos von morgen. An eigens geschützten Rechnern in Räumen ohne Internet und Smartphone. Geheimsache der Großkonzerne.
Dagegen arbeiten die Kunst-Reproduzenten streng öffentlich: Sie helfen, das Leben und Werk des mittelalterlichen Altarmalers Jan Baegert möglichst vollständig zu zeigen. Und dafür kann man natürlich nicht der Dortmunder Probsteikirche den Altar entführen, obwohl der eines der Kernstücke im Werk von Vater und Sohn Baegert ist.
Also rückt die Firma Fröbus in Dortmund an. Mit zwei Kleinbussen voller Equipment und dem Willen zur Nachtschicht. Zum einen, weil das Zeitfenster Ende letzten Jahres knapp war. „Man sagte uns: Übermorgen stellen wir hier die Weihnachtsbäume auf“, erinnert sich Wolfram Jopp, einer der Experten für 3D-Visualisierung.
Und zudem: Nachts stört kein Licht von draußen die möglichst neutrale Beleuchtung, mit der die Altartafeln ausgeleuchtet werden. Dann wird in allerhöchster Auflösung fotografiert: Die Kamera immer möglichst plan vor den Altartafeln, nicht einfach, wenn er bis zu 4,60 Meter in die Höhe ragt. Doch jeder Winkel muss rausgerechnet werden. Dazu entsteht ein kompletter 3-D-Scan des Altares, der Rahmen und der Applikationen.
Altartafeln werden direkt auf Holz gedruckt
Dazu werden die Farbtemperaturen bestimmt und mit dem Original abgeglichen, jeder Ton muss dem Original gleichen. Dann wird gedruckt: Direkt auf Holz, extra aus Österreich beschafft, gut gelagert, damit es nicht reißt, weiß gestrichen, aber so, dass die Maserung noch zu erahnen ist. Eigentlich sollte direkt auf zwölf Millimeter dicken Holz gedruckt werden, die aber waren zu instabil, also auf 19mm-Platten.
„Das ist unser Ehrenkodex“, sagt Frank Bayerl, „dass wir das Kunstwerk im Ist-Zustand so echt wie möglich reproduzieren“. Wenn der Zahn der Zeit über die Jahrhunderte an den Kunstwerken genagt hat, dann soll das auch auf der Replik zu sehen sein. Dafür muss dann Kunstmaler Hans Wäckerlin auch bei den Altarbildern und den Scharnieren mit dem Pinsel nacharbeiten und am Ende den Firnis auftragen. Denn der hat im Original einen bestimmten Strich, also bekommt ihn auch die Kopie.
Und schließlich werden auch die Rahmen aus Holz gefertigt, mit der Farbe und der Patina der Jahrhunderte versehen. Und was aussieht, wie die Produktion einer Weihnachtsbäckerei sind die 118 Filamente: Rosetten und Sternchen, alle frisch aus dem 3-D-Drucker geliefert und von Hand mit Goldfarbe verziert.
3-D-Druck geht nur in Weiß, dann wird gemalt
„3-D-Druck in Farbe funktioniert noch nicht, das sieht alles aus wie Matsche“, sagt Bayerl und zeigt auf den Kopf einer scheinbar Jahrhunderte alten hölzernen Figur: Die kam schlicht und weiß aus dem Drucker, wird nachgearbeitet und dann bemalt. Ein halbes Dutzend ausgewählter Künstler durfte sie jeweils nachmalen. Wer das Original am besten trifft, bekommt den Auftrag.
So reden jetzt leichtgewichtige Kopien, nur ein paar Kunststoffkilos schwer, den Kölner Stadtverordneten ins Gewissen, das Gemeinwohl über Eigeninteressen zu stellen und den Worten Tagen folgen zu lassen. Die fast 600 Jahre alten Originale aus dem Rathaus stehen, klimageschützt, im Schnütgen-Museum. Die künstlich gealterten Propheten aus dem Hause Fröbus trotzen für sie den wechselnden klimatischen Bedingungen im Rathaus. Knapp 170.000 Euro haben die acht Skulpturen, je ungefähr 1,20 Meter hoch, gekostet.
Auch das Museum Kurhaus Kleve musste eine fünfstellige Summe aufwenden für die Kopie des wuchtigen Altars, der da mit 23.000 von Hand geschlagenen Goldpunzierungen jetzt samt 600-Kilo-Sockel und Wandhalterung im Museum steht. Lohnende Investitionen, argumentiert Bayerl. Viele Kunstschätze der Menschheitsgeschichte verschwinden in privaten Depots, irgendwo in Zollfreilagern. „Kunstwerke, die man eigentlich nicht der Öffentlichkeit entziehen darf. Wenigstens ein Digitalisat als Kopie sollte zugänglich bleiben“, findet er.
Museen könnten häufiger auf den aufwendigen Transport von Leihgaben mit Leibwächtern und in Klimakisten verzichten, wenn es digitale Kopien gäbe. Die Diskussionen um Restitutionen bedeutender Kunstwerke in einstige Kolonien oder die Erstattung von NS-Raubkunst wären womöglich leichter zu führen, bliebe den Häusern hier eine digitale Kopie. Übrigens keine brandneue Idee: Von Fassadenteilen der Kathedrale Notre Dame in Paris befinden sich Kopien in Pariser Museen. Das macht jetzt den originalgetreuen Wiederaufbau des Wahrzeichens möglich. Auch bei dem Problem der möglicherweise asbestbelasteten historischen Bücher wären Digitalisate ein denkbarer Ausweg.
Delfter Porzellan unter Beschuss aus fünf Kameras
Im Kölner Betrieb steht gerade eine Vase aus feinstem Delfter Porzellan auf einem Drehtisch, der geräuschlos Stück für Stück rotiert. Ein künstliches Streifenmuster wird auf die Vase projiziert, denn weißes Porzellan ohne Lichtreflexe digital zu erfassen, das fällt den Scannern schwer. Obwohl gleich fünf Kameras das Objekt gleichzeitig von drei Seiten, von oben und unten fotografieren, damit später eine Kopie gefertigt werden kann. Entweder digital, fürs Archiv, für interaktive Panels. Oder für eine gedruckte Kopie, die jeder anfassen und notfalls sogar fallen lassen könnte. Ohne unermesslichen Schaden für die Kunstgeschichte.
Fast will man glauben: Fälschen, Verzeihung: Kopieren – das ist auch eine Kunst. Vielleicht sogar die etwas Größere, weil sie nicht nur alle Facetten des Originals, sondern auch die Dimension der Zeit berücksichtigt. Und nicht zuletzt: Eine Kopie ist immer eine Verneigung vor dem Original.
Wo die Arbeit von Fröbus (und Baegert) derzeit zu sehen ist
Die Arbeiten der Firma Fröbus in Sachen Derek und Jan Baegert lassen sich noch bis zum 23. Juni in der Ausstellung „Schönheit und Verzückung“ im Museum Kurhaus Kleve besichtigten. Am Donnerstag, dem 16. Mai 2024, moderiert Museumschef Harald Kuinde um 19.30 Uhr einen Gesprächsabend. Unter dem Titel „Blasphemie?“ spricht ein Kirchenvertreter über Martin Kippenbergers gekreuzigten Frosch in der mittelalterlichen Ausstellung und Frank Bayerl über die Präsentation von Originalen und Kopien in Museen.