Am Niederrhein. Klever Bundestagsabgeordneter Stefan Rouenhoff (CDU): Bundesregierung antwortet unzureichend auf Anfrage zum „RE10-Bahnchaos“ am Niederrhein.
Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) sieht die Betriebsqualität auf der Strecke Düsseldorf-Krefeld-Kleve auf dem Weg der Besserung. In den ersten drei Monaten des Jahres gab es rund 3.300 gemeldete Verspätungen, der Schnitt lag in den Quartalen des Vorjahres bei 4.900 Verspätungen.
Bei vier Messpunkten auf der Strecke und rund 5600 Zugfahrten pro Quartal bedeutet dies: Waren in 2023 noch rund 20 Prozent der Züge verspätet, so waren es in 2024 „nur“ rund 15 Prozent. „Die Linie ist noch ein gutes Stück weit weg von einer befriedigenden Betriebsqualität, wird aber langsam stabiler. Das stellt uns noch lange nicht zufrieden. Uns ist auch bewusst, dass für die Fahrgäste jede Verspätung ärgerlich ist“, räumt aber auch ein VRR-Sprecher ein.
Vor allem der Januar hat die Bilanz erneut verhagelt: 477 Züge fielen in diesem Monat aus, fast jeder Dritte Zug also. Im Februar und März sank die Zahl auf 140 Ausfälle - bei rund 1900 Zugfahrten pro Monat. „Hauptgründe für die unzureichende Betriebsqualität sind nach wie vor Störungen der Infrastruktur (Bahnübergänge, Signale, Stellwerke)“, so der VRR.
Bei der andauernden Krise auf der Bahnstrecke des RE 10 „Niers-Express“ zwischen Krefeld und Kleve handelt es sich nach Auffassung des Bundesverkehrsministeriums jedoch um einen „Einzelfall“, zumindest, wenn man sie mit den anderen Ergebnissen von Sanierungen aus dem sogenannten Schnellläuferprogramm vergleicht. Das geht aus der Antwort des Ministeriums an den Klever CDU-Bundestagsabgeordneten Stefan Rouenhoff hervor.
„Dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA) sind keine derartigen Störungen von anderen Strecken bekannt, die im Rahmen des Schnellläuferprogramms des Bundes (SLP) modernisiert wurden“, schreibt die Bundesregierung in der Antwort auf die „Kleine Anfrage“ der CDU-Abgeordneten Rouenhoff und Martin Plum (CDU/Viersen)..
Schon bei der Wiedereröffnung lief es nicht
Bei dem „Schnellläuferprogramm“ (SLP) handelte es sich um eine vergleichsweise zügige Sanierung der Strecke unter Inkaufnahme einer immer noch über Monate dauernden Vollsperrung. Bereits bei der Wiedereröffnung im November 2022 hatten sich die Pannen gehäuft.
Beim SLP ist bundesweit digitale Stellwerkstechnik acht verschiedener Herstellern auf unterschiedlichen Strecken eingebaut worden. Dabei sei alles glattgegangen, nur auf der Schienenstrecke Kleve-Kempen sei „Stellwerkstechnik einer Firma verbaut, bei der nachgebessert werden muss“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung, die unter Federführung des Verkehrsministeriums von Volker Wissing (FDP) erstellt wurde.
Da andere Anlagen dieser Firma ohne derlei Pannen funktionierten, sei vermutlich das Zusammenspiel von alter und neuer Technik die Hauptursache für die immer wieder auftretenden Störungen. Denn weil es schnell gehen musste, wurden nur diejenigen Bahnübergänge ins neue System überführt, bei denen das ohne größere Planrechtsänderungen möglich war.
Bis 2030 wird es besser – schrittweise
Damit habe eine größere Anzahl an störanfälliger Alt-Technik vor Ort verbleiben müssen. Alle aktuell noch in Alt-Technik vorhandenen Bahnübergänge sollen der Antwort zufolge – mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verkehrsverbund Rhein-Ruhr – bis Ende 2030 erneuert oder geschlossen werden.
Bereits im Februar waren entsprechende Schritte eingeleitet worden: Neue Kabel sollen dafür sorgen, dass die Technik stabiler wird. Auch dafür allerdings wird es wieder – vor allem nachts und an Wochenenden – Sperrungen geben. Bis Juli 2024 sollen die neuen Kabel eingebaut und damit die Technik verlässlicher werden.
Rouenhoff kritisiert das massiv: Die Bundesregierung erkläre nicht, „warum die mangelhaften Übertragungskabel nicht gleichzeitig mit der neuen digitalen Stellwerkstechnik verbaut wurden, obwohl diese als zentrale Ursache für die anhaltenden Störungen betrachtet werden.“
Eine Unterstützung eines dauerhaften Schienenersatzverkehrs, zumindest als „Back-up“ bei erneuten Pannen und Zugausfällen, lehnt der Bund ab. „Die Entscheidung über die Einrichtung von Schienenersatzverkehr ist eine unternehmerische Entscheidung des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr bzw. des von ihm beauftragten Eisenbahnverkehrsunternehmens Transdev Rhein-Ruhr GmbH und liegt damit nicht im Einflussbereich der Bundesregierung.“
Immerhin, so der Klever CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Rouenhoff, gibt es jetzt Ersatzbusse, die kurzfristig einspringen können, wenn Züge wieder ausfallen oder stark verspätet sind. Besser als nichts, so Rouenhoff. „Aber entscheidend ist, dass die Bahnkunden am Niederrhein – die Bauzeit eingerechnet – seit fast zwei Jahren nicht die Leistung bekommen, für die sie bezahlt haben.“
Immer wieder Ausfälle und Verspätungen
Im Mai 2022 war die Strecke gesperrt worden, um im Rahmen des „Schnellläuferprogramms“ saniert zu werden und dann verlässlicheren Betrieb zu gewährleisten. Das Gegenteil war der Fall: Immer wieder musste aufgrund technischer Probleme der Betrieb eingeschränkt werden und es kommt auf der weitgehend eingleisigen Strecke immer wieder zu Zugausfällen und großen Verspätungen.
„Es sind dort 90 Millionen Euro investiert worden, davon 80 Millionen aus dem Schnellläuferprogramm, mit der Zusage der Bahn, dass der Betrieb auf der Strecke damit deutlich stabiler wurde. Das ist jedoch nicht eingetroffen“, so Rouenhoff. „Das lasse ich nicht gelten, das ist für die Bahnkunden nicht akzeptabel.“ Dabei ist die neue Technik nicht das einzige Problem. Veraltete Züge und Personalausfälle kommen mittlerweile noch hinzu.
Zu Ausfällen war es im Oktober auch wegen Personalmangels gekommen. Die bislang unvollständige Digitalisierung der Strecke erfordert noch immer zahlreiche mit Personal besetzte Stellwerke.
Petition mit 6000 Unterschriften
Eine solche ständige Bereitschaft von Bussen, die bei Ausfall der Züge einspringen könnten, hatte der Klimaaktivist Jannis Berbalk (SPD) gefordert und eine entsprechende Petition gestartet, die von mehr als 6000 Menschen unterzeichnet wurde.
Auch die Möglichkeit von Schadenersatzforderungen gegenüber den Firmen, die an Ausrüstung und Sanierung der Strecke beteiligt waren, sieht der Bund nicht. Nach Auffassung der Bahn hätten die Unternehmen ihre Verträge erfüllt.
Das löst bei Stefan Rouenhoff Kopfschütteln hervor: „Völlig unverständlich ist zum Beispiel bis heute, warum es trotz des Bahnchaos nach Ende der Modernisierungsarbeiten neun Monate lang keine Kommunikation zwischen der zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA), und der Deutschen Bahn gegeben hat. Die Frage hiernach wird auch auf die Kleine Anfrage hin bewusst nicht beantwortet“, kritisiert er.