Am Niederrhein. Trotz der seit neun Tagen andauernden Verspätungen und Zugausfälle wird die Sanierung der Strecke gefeiert. Warum die Bahn zuversichtlich ist
Den Bahnpendlern auf der Strecke zwischen Kleve, Geldern, Kempen und Krefeld müssen die Ohren geklingelt haben, als an diesem Dienstagmorgen Werner Lübberink die fünfmonatige Sanierung der Strecke als „das Wunder von Kevelaer“ bezeichnete. Die Bahnkunden sind eher verwundert, ob der Anhäufung von Verspätungen und Zugausfällen seit der Wiederinbetriebnahme am 27. November (die NRZ berichtete).
Auch am Festtag selbst klemmte es mal wieder. Wer auf der Strecke unterwegs war, konnte mit Flatterband abgesperrte Bahnübergänge sehen und merkte, dass die Züge auf Teilstrecken mit maximal 70 statt 100 km/h unterwegs waren. Frank Gülicher, bei der Bahn fürs digitale Planen und Bauen zuständig, räumte ein: „Wir haben ein paar Unschärfen gehabt. Aber wir gehen davon aus, dass wir ab nächster Woche einen stabilen Betrieb haben werden.“
Gabriele Matz, Vorstandschefin des VRR wurde etwas deutlicher: „Die Verbesserungen sind leider in den ersten Tagen noch nicht spürbar gewesen.“ Ebenfalls ein höflicher Gast des Festaktes, aber noch ein kleines bisschen deutlicher wurde Christian Kleinenhammann, Geschäftsführer der Rhein-Ruhr-Bahn, deren Züge derzeit auf der Strecke sehr häufig noch dem Fahrplan hinterher reisen: „Wir haben die Erwartung, dass zuverlässig, stabil und attraktiv gefahren werden kann. Ich freue mich darauf, dass sich die Anfragen minimieren und reduzieren werden.“
Die Bahn verweist darauf, dass die Erfolge der technischen Sanierung auf dem Streckenstück Kleve – Kevelaer bereits spürbar sind, da sei man schon deutlich stabiler unterwegs als früher, als man die Züge noch mit Technik aus Reichsbahnzeiten über die Strecke brachte.
Eine Fingerübung für die Sanierung am rechten Niederrhein
Für Technikfreaks und Bauexperten war die 70-Millionen-Euro-Sanierung ein Fest. Normalerweise nehme ein solches Programm einen Zeitraum von acht Jahren in Anspruch, hieß es. Weil die Planung, dem VRR sei dank, in der Schublade gelegen habe, konnte man sich für eines von sieben bundesweiten Schnellläuferprogramme qualifizieren. Sonst, so hieß es, hätte man bis in die 2030er Jahre warten müssen.
Ja, man war sogar Programm Nummer 1, das aus dem Topf der Corona-Hilfen auf die Strecke gebracht wurde. Insofern war das eine Sanierung mit Signalwirkung, bei der nicht nur die Steuerungstechnik mit 170 neuen Signalen und 30 Weichenantrieben auf den modernsten Stand gebracht wurde. 76 Bahnübergänge wurden (und werden) aufgerüstet und erneuert, die Bahn investierte gleichzeitig auch noch zwölf Millionen Euro in 23 Weichen und 7,6 Kilometer neue Gleise.
So aber ist die Strecke nun fit für den ab 2025 geplanten Einsatz von schnelleren, komfortableren Batteriezügen. Die Bauarbeiten indes, so hieß es am Rande des Festaktes, waren gewissermaßen nur eine Fingerübung für den von November 2024 bis Juni 2026 geplanten Ausbau der Strecke Emmerich-Oberhausen zum so genannten Hochleistungskorridor. NRW-Bahnchef Lübberink gab bekannt, dass für den Ersatzverkehr zusätzlich 100 Busse beschafft werden, die bei den diversen Bahnbaustellen, die zwischen 2025 und 2030 fast überall auf die Kunden zurollen, zum Einsatz kommen sollen. Und hoffentlich erst wieder in der Garage verschwinden, wenn der Zugverkehr wieder reibungslos funktioniert.