An Rhein und Ruhr. Wie jedes Jahr ruft die Friedensbewegung wieder zu Ostermärschen auf. Ein Gespräch mit dem Essener Friedensaktivisten Bernhard Trautvetter.

Es sind nur noch wenige Tage, bis an den Osterfeiertagen die deutsche Friedensbewegung ihren jährlichen Höhepunkt erlebt. Wie jedes Jahr werden wohl auch diesmal bundesweit tausende Menschen für Abrüstung und Frieden auf den Straßen unterwegs sein. Als größte Veranstaltung in Nordrhein-Westfalen gilt generell der Ostermarsch Rhein-Ruhr, wo an drei Tagen in Städten zwischen Duisburg und Dortmund für Abrüstung und Frieden demonstriert werden wird.

Daneben sind die pazifistische Haltung und auf Kooperation und Verhandlung ausgelegten Forderungen der Friedensbewegung insbesondere seit Beginn des Krieges in der Ukraine in Kritik geraten. Die Bewegung ließe sich von Putin instrumentalisieren, lautet ein Vorwurf. Auch die Frage, um welchen Preis der geforderte Frieden erreicht werden soll, beschäftigt viele. Die NRZ hat mit Bernhard Trautvetter – Mitglied des Essener Friedensforums, überzeugter Friedensaktivist, Künstler, Gewerkschafter und ehemaliger Berufsschullehrer – über seine Motive gesprochen.

Herr Trautvetter, Sie engagieren sich bereits eine lange Zeit in der Friedensbewegung. Woher kam damals Ihre Motivation?

Trautvetter: Das geht Jahrzehnte zurück – ich bin jetzt eben bald 70. Der erste Impuls für mein, ich nenne es mal, friedens-ökologisches Engagement war der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“. Im Vorwort wurde damals der damalige UN-Generalsekretär Sithu U Thant zitiert, nachdem wir nur noch zehn Jahre Zeit hätten, eine weltweite Kooperation auf die Beine zu stellen, das Wettrüsten zu beenden und dann noch weitere entsprechende ökologische friedensmäßigen Aktivitäten zu entfalten. Wenn wir das innerhalb der gegebenen Zeit nicht hinbekommen, dann werden die Probleme derartige Ausmaße annehmen, dass deren Bewältigung menschliche Fähigkeiten übersteigt. Glücklicherweise hat er sich bei den zehn Jahren geirrt, doch der Gedanke dahinter begleitet mich seitdem.

Ostermärsche 2024: Friedensbewegung hat bewegte Geschichte hinter sich

Seit dieser Zehn-Jahres-Frist ist einige Zeit vergangen. Es scheint, als wäre seit damals die Welt sehr viel unübersichtlicher geworden. Wie stellt sich das aus Ihrer Sicht als Friedensaktivist dar?

Natürlich haben wir erst mal nicht mehr die beiden großen Pole. Also die sich sozialistisch nennenden Staaten im Osten Europas und in Asien auf der einen und die westlichen Staaten mit dem Militärbündnis NATO auf der andern Seite. Und in der Zeit dieser beiden Blöcke waren wir zwischenzeitlich an sehr gefährlichen Stellen, die mit gesundem Menschenverstand abgewendet wurden. Diese Konfrontation zwischen Warschauer Pakt und NATO haben wir heute so nicht mehr. Und ja, zwischenzeitlich – vor 30 Jahren, inzwischen fast 35 Jahren – hatten wir die Hoffnung auf das Aufgehen der Entspannungs- und Ostpolitik. Allerdings sind wir heute immer noch in einer Gefahrenzone und die Weltuntergangsuhr stand noch nie so nah an der Stunde null für die Menschheit wie heute.

Die Weltuntergangsuhr stand noch nie so nah an der Stunde null für die Menschheit wie heute.
Bernhard Trautvetter

Wenn Sie dann auf ihre persönlichen Erfahrungen blicken, welche Entwicklungen hat die Friedensbewegung vor diesem Hintergrund durchlaufen?

Bei der ersten großen Friedensdemonstration am 10. Oktober 1981 waren damals 300.000 Teilnehmer. Viele der Redner, darunter auch Heinrich Böll, erklärten damals schon, wie wir immer wieder aus der Politik heraus delegitimiert werden. Damals nannte man uns unter anderem „finstere Gestalten“. Das war damals so und gilt auch noch heute. Was sich verändert hat, ist, dass Teile der damaligen Bewegung heute beim Delegitimieren mitwirken. In den 80er Jahren waren Spitzen der Sozialdemokraten auf unseren Demonstrationen mit dabei. Das ist heute seltener. Bei den Bundesgrünen ist es so ähnlich.

Essener Friedensaktivist: „Frieden kommt niemals durch Krieg“

Vermutlich wird die Mehrheit aber doch immer noch friedliche Lösungen in Konflikten befürworten. Es scheint doch eher so, als würden immer mehr Menschen bezweifeln, dass Frieden durch Verhandlungen umsetzbar ist. Wie würden Sie diese Entwicklung einschätzen?

Dem würde ich zustimmen. Leider denken viele, dass wir Frieden durch Krieg erreichen können. Und das ist natürlich eine Verknüpfung von zwei sich gegenseitig ausschließenden Inhalten. Frieden kommt niemals durch Krieg, sondern er legt immer wieder den Grundstein für neue Konflikte.

Angesichts all dieser Entwicklungen, der unübersichtlichen Weltlage und verhärteter Fronten sowohl im Krieg als auch in der Gesellschaft – Was gibt Ihnen als Aktivist in der aktuellen Zeit Hoffnung für den Frieden?

Das sind Gedanken. Zum einen schaue ich auf das Ende der Klima-Konferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dort haben sich die pazifischen Inselstaaten geweigert, die Abschlusserklärung zu unterschreiben. Also diejenigen, die heute schon vom Klimawandel am stärksten betroffen sind und wo die Auswirkungen erbarmungslos zuschlagen. Und dann gibt es die Gedanken an die nachfolgende Generation. Mein jüngster Enkel wird im Jahr 2100 nicht mal 80 Jahre alt sein. Und meine Mitmenschen sagen mir, du hast kein Recht aufzugeben. Und wenn ich diese Gedanken zusammenfasse, komme ich auf Folgendes: Solange das Schicksal der Menschheit noch nicht entschieden ist, ist es unsere Verantwortung alles dafür zu geben, dass der Frieden bleibt.

Termine der Ostermärsche

Während die ersten Ostermärsche in Nordrhein-Westfalen bereits am Karfreitag beginnen, starten die Veranstaltungen im NRZ-Gebiet am Karsamstag (30. März). Speziell startet hier der dreitägige Ostermarsch Rhein/Ruhr um 10.30 Uhr mit Auftaktveranstaltungen in Duisburg und Wuppertal. Weitere größere Veranstaltungen starten um 12 Uhr in Köln und 13.30 Uhr in Münster. Am Sonntag geht der Ostermarsch Rhein/Ruhr ab 9.30 Uhr weiter in Essen, Wattenscheid und Bochum. Seinen Abschluss findet dieser am Ostermontag (1. April) um 13.30 Uhr in Dortmund. Ebenfalls am Ostermontag gibt es außerdem einen Ostermarsch ab 14 Uhr in Krefeld.

Insgesamt sind nach Angaben des Netzwerks Friedenskooperative mehr als 100 Ostermärsche in Deutschland geplant. Eine bundesweite Übersicht und weitere Informationen gibt es unter www.friedenskooperative.de/ostermarsch-2024.