Kalkar. Erstmals übernimmt deutscher Gefechtsstand Verantwortung für Nato-Luftoperationen. Warum aus der Einsatzbereitschaft für Kalkar nun Ernst wurde.
Der Vorbereitungsprozess lief über Jahre. Jetzt tritt der Realeinsatz ein. Die operative Führung der Nato-Luftoperationen in ganz Europa liegt bis November in Kalkar. „Wir sind die Ersten, die für die Nato so etwas machen“, erklärt Oberstleutnant Alexander Feja. Er ist Leiter der Informationsarbeit im Zentrum Luftoperationen und Sprecher des Deutschen Anteils der Nato-Mission Verstärkung Air Policing Baltikum (VAPB). „Es ist toll. Wir zeigen, dass wir es können. Es ist eine wichtige Herausforderung für uns“, bewertet er. „Wahrscheinlich werden wir eine Menge Erkenntnisse gewinnen – was sich bewährt, ob sich etwas ändern soll“, schildert Feja die Bedeutung.
„Speerspitze“ der Schnellen Eingreiftruppe der Nato
Dass der niederrheinische Gefechtsstand der Bundeswehr erstmalig in der Geschichte der Allianz die Führung übernimmt, liegt daran, dass die Kollegen vom Nato Allied Air Command in Ramstein zu der Zeit eine wichtige Einsatzübung absolvieren. Sie sollen sich zwei Monate ganz auf ihre Teilnahme an der Übung Steadfast Jupiter konzentrieren können.
Deutschland, USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien abwechselnd bereit
Im Januar hatte Kalkar routinemäßig von den Franzosen für ein Jahr die Einsatzbereitschaft für die Führung von Luftstreitkräften als „Speerspitze“ der Schnellen Eingreiftruppe der Nato übernommen (die Very High Joint Task Force, VJTF). Das bedeutete: Wenn alarmiert wird, übernimmt Kalkar. Das ist jetzt der Fall.
Erstmals, seit Deutschland, USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien der Nato regelmäßig einen Gefechtsstand zur Planung und Führung von Luftoperationen (Air Command and Control) abwechselnd zur Verfügung stellen, wird das genutzt und übernimmt nun eines dieser nationalen Joint Force Air Component Headquarters (JFAC) real einen konkreten Einsatzauftrag. Der Nato-Oberbefehlshaber im belgischen Mons hat den Kalkarer Standort aktiviert.
In wenigen Tage aktiviert
Nur wenige Tage vergingen zwischen Alarmierung und Einsatzbereitschaft. Der multinationale Gefechtsstand rief seine Zusatzkräfte etwa aus Tschechien, Großbritannien und Estland zusammen. 300 Leute sind nun im Schichtbetrieb in Kalkar an den Monitoren und bei anderen Aufgaben tätig. Haben alle einen Platz? „Dafür ist der Gefechtsstand ausgelegt“, erklärt Feja. „Alles wurde vorbereitet, alle Rechner, alle Verbindungen zu wichtigen Stellen aufgebaut“, so Feja.
Von hier aus läuft die Führung der Operativen Luftüberwachung der ganzen Nato. „Die temporäre Übernahme dieses Einsatzauftrages für die Nato entspricht voll und ganz unserem Portfolio“, betont Brigadegeneral Holger Radmann, Director JFAC Joint Forces Air Component HQ Headquarters.
Ukraine und übliche Flugaufträge
Gilt das Augenmerk der Ukraine? „Natürlich gucken alle intensiv zur Nato-Ostflanke, aber wir erledigen auch die normalen Dinge“, beschreibt Alexander Feja: Flugaufträge festlegen, Flüge der AWACS-Airborne Early Warning and Control System-Maschinen aus Geilenkirchen, unbemannte Aufklärungsflüge aus Signonella auf Sizilien, Betankungsmissionen, natürlich auch Übungs- und Einsatzflüge der einzelnen Nationen und wo Lufttransporte nötig sind, schildert der Pressesprecher. Die Frauen und Männer in Kalkar waren bei Übungen dafür zertifiziert worden. „Und bekamen hinterher das Prädikat: Ihr könnt das“, erklärt der Feja.
Bis November und darüber hinaus
Der Wechsel der Aufgaben vom zentralen Luftwaffenhauptquartier der Nato in Ramstein hierher verlief wenig formell. „Man stimmt sich ab und übergibt“, schildert Feja. Das Zieldatum ist gleitend. Vom 11. September bis 4. November liegt die Verantwortung in Kalkar, aber tatsächlich fließend auch bis Jahresende, während Ramstein sich nach seiner Übung wieder für seine Aufgaben eingerichtet hat. Kalkar erfüllt dann wieder seine alltägliche Luftoperation der Nato und bleibt natürlich stand-by in Einsatzbereitschaft bis zum nächsten routinemäßigen Wechsel im Januar.
Brigadegeneral Holger Radmann: „Die Übernahme unterstreicht die wichtige Rolle Deutschlands in der Allianz und ist ein weiteres sichtbares Zeichen der Bündnissolidarität gegenüber unseren Partnern.“