An Rhein und Ruhr. Statt Abrüstung und Frieden herrscht Krieg in Europa, werden weiterhin Waffen geliefert. Aber genau das zieht Friedensaktivisten auf die Straße.
Angesichts des Milliarden-Pakets für die Bundeswehr und der Forderung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach mehr Waffen und mehr Unterstützung im Krieg gegen Russland, klingt es wie ein Credo aus einer vergangenen Zeit: „Frieden schaffen ohne Waffen“, das fordert die Ostermarschbewegung seit zig Jahren. Waren all die Demonstrationen, waren all die Märsche, all die verteilten Flugblätter und Proteste also umsonst?
Ja, es ist ein wunder Punkt, gibt Jürgen Hagenguth, Mitorganisator des Ostermarsches Rhein-Ruhr und Duisburger Friedensaktivist, zu. Doch gerade jetzt sieht er die Chance für eine Zeitenwende. Nur, dass er Zeitenwende anders definiert. Nämlich für mehr Diplomatie und gegen eine weitere Aufrüstung.
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„Wir haben weiterhin Anlässe, auf die Straße zu gehen“, sagt er. Russland überfällt sein Nachbarland, die Nato-Staaten, auch Deutschland, nehmen das zum Anlass, aufzurüsten. „Das ist eine ganz schlimme Situation, weil das unseren Ansprüchen, für Frieden einzutreten, vollkommen entgegengesetzt ist“.
Aktivist: Spirale der Aufrüstung durchbrechen!
Nach einer der Hochphasen der Proteste in den 80er Jahren, als hunderttausende Demonstranten gegen die Stationierung atomarer Mittelstreckenwaffen protestierten, dachten die Friedensvertreter, „dass eine Zeit der Entspannung kommen würde“, wie Hagenguth schildert. Dass es mit der Aufrüstung zu Ende sei. „Das war die Hoffnung. Aber es ist anders verlaufen.“ Auf einmal, so Hagenguth, seien Dämme gebrochen. „Da stehen Zahlen im Raum, die kann sich ein normaler Mensch gar nicht vorstellen. Was sind 100 Milliarden, die in die Rüstung gesteckt werden? Und das sind nicht nur Helme oder Nachtsichtgeräte oder warme Stiefel.“
Der Ostermarsch Rhein-Ruhr von Karfreitag bis Ostermontag
In ganz Deutschland finden Ostermärsche statt, auch in NRW. Der Ostermarsch Rhein-Ruhr beginnt an Karfreitag in Gronau. Ostersamstag findet um 10.30 Uhr an der Kuhstraße in Duisburg eine Kundgebung mit anschließendem Demozug durch die Stadt zum Harry-Epstein-Platz statt. Mit dem Zug geht es weiter nach Düsseldorf, wo sich die Friedensaktivisten um 14.30 Uhr zur Kundgebung am DGB-Haus (Friedrich-Ebert-Straße) treffen.
Am Samstag gibt es Ostermärsche in Köln und Düren, am Sonntag in Essen, Gelsenkirchen, Wattenscheid, Herne und Bochum, am Montag in Dortmund.
Statt Geld in die Aufrüstung zu stecken, fordert Hagenguth: „Russland muss an den Verhandlungstisch!“ Russland muss – ganz nach Bertha von Suttner – die Waffen schweigen lassen. Und die Bundesregierung müsse endlich den Atomwaffenverbotsvertrag unterschreiben und die Waffenexporte stoppen – nicht nur in die Ukraine, sondern auch nach Saudi-Arabien oder in die Türkei, fordert der Friedensaktivist. Und den Krieg in der Ukraine dürfe man mit Waffenlieferungen nicht weiter anheizen. „Es muss eine Zeitenwende geschehen. Die Staaten müssen sehen, dass der Krieg kein Mittel der Diplomatie ist. Krieg verschlimmert die Verhältnisse.“ Die Spirale der Aufrüstung müsse endlich durchbrochen werden.
Geld werde für Klimaschutz und Soziales gebraucht
„Durch Aufrüsten entzieht man dem Haushalt Geld für Soziales und den Klimaschutz“, sagt Hagenguth. Für all das, für den Frieden, für den Schutz des Klimas werden an diesem Osterwochenende Menschen in Duisburg, Düsseldorf, in Essen, in Köln und vielen anderen Städten auf die Straße gehen. „Mitmachen ist alles“, sagt Hagenguth und will damit noch mehr Menschen zu den Ostermärschen locken.
Nina Krüger, Jugendbildungsreferentin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für die Region Niederrhein nimmt zum ersten Mal an einem Ostermarsch teil. Sie wird das Grußwort zum Auftakt am Samstag um 10.30 Uhr halten. „Nie wieder Krieg, das ist noch immer das Credo des DGB“, sagt sie im Gespräch mit der Redaktion. „Wir appellieren an die Internationale Staatengemeinschaft, diplomatische Lösungen anzubieten“, fordert sie.
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Für sie bedeutet Frieden, in Freiheit zu leben, ein Recht auf Bildung, auf Selbstbestimmung, auf freie Entfaltung, die eigene Meinung und gute Arbeit zu haben. „Diese Kinder, die nun aus der Ukraine und aus anderen Ländern auf der Flucht sind, die haben diese Freiheiten gerade nicht“, sagt sie. Dafür will sie an diesem Wochenende demonstrieren.
Entstanden ist die Idee in Großbritannien 1958
Inspiriert wurden die ersten Ostermärsche in Deutschland von Großbritannien, wo Friedensaktivisten an Ostern 1958 einen dreitägigen Protestmarsch von London zum Atomwaffenforschungszentrum Aldermaston organisierten. An den Ostertagen im April 1960 demonstrierten dann am Truppenübungsplatz im niedersächsischen Bergen-Hohne mehr als tausend Pazifisten gegen Atomwaffen – der erste Ostermarsch für Frieden und Abrüstung in Deutschland. Nach einer längeren Pause in den 70er Jahren erhielt die Ostermarschbewegung zu Beginn der 80er Jahre mit den Protesten gegen die Stationierung atomarer Mittelstreckenwaffen neuen Auftrieb. Damals kamen Hunderttausende zu den Kundgebungen. Danach wurden die Ostermärsche zwar kleiner, sie erlebten aber etwa während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien und am Golf zwischenzeitlich stärkeren Zulauf und sind bis heute identitätsstiftend für die Friedensbewegung.