Kleve. Der kalendarische Frühlingsanfang ist da. Doch was ist mit der Natur? Im Klever Reichswald beginnt die Suche nach den Boten des Frühlings.
Graue Wolken bedecken den Himmel über dem Klever Reichswald, sie sind aber gerade noch dünn genug, dass sie den Stand der Sonne verraten. Die kalte, feuchte Luft an diesem späten März-Morgen lässt einen durchatmen, ein modriger Geruch nach feuchter Erde gemischt mit einer würzigen Baumharz-Note steigt in die Nase. Der Winter neigt sich dem Ende zu, am 20. März ist offiziell Frühlingsanfang. Doch noch ragen die Äste der Bäume fast nackt in den Himmel. Wo steckt der Frühling? Wir machen uns auf die Suche.
Jägerhund wittert erste Anzeichen für den Frühling
Förster Joachim Böhmer stellt seinen mit Schlamm bedeckten Wagen am Waldrand ab, lässt seinen Hund Pixar raus, legt ihm eine Leine an. Sofort hat der Wald die volle Aufmerksamkeit des rot-braunen Wachtelhundes. Er schaut tief in den Wald und wirkt abgelenkt. Er wittere Wildschweine, erklärt Böhmer das Verhalten seines Vierbeiners.
„Für mich ist die Zeit im Frühjahr und im Herbst am schönsten“, verrät der für den nördlichen Reichswald zuständige Förster. Gerade die farbenfrohe Natur in diesen beiden Jahreszeiten fasziniere den 58-Jährigen. Am Wegesrand verdrängt bereits grünes Gras das vergilbte Gestrüpp aus dem vergangenen Winter. Kleine Wassertropfen glitzern auf den Schnauzhaaren des Hundes, nachdem dieser beim Schnüffeln den Tau gestreift hat.
Schrilles Gezwitscher hallt durch den Wald. „Die Vögel singen schon“, bemerkt Böhmer. Das sei ein deutliches Anzeichen für den Frühling.
Im Frühjahr beginnt die Brut- und Setzzeit
Zwischen den kahlen und grauen Bäumen fällt ein Strauch mit weißen Knospen auf. „Das ist eine Schwarzkirsche“, erklärt Böhmer. Die ersten Knospen oder auch das frische, grüne Gras, das nach dem Winter von Tag zu Tag sichtbarer wird, bezeichnet Böhmer als „grünen Schleier“. Plötzlich ist in der Ferne ein hölzernes Hämmern zu hören, was gleich wieder verstummt. Ein Specht! „Alle Tiere sind jetzt aktiv“, sagt der Förster.
Er setzt einen Schritt nach dem anderen auf den schlammigen Waldboden. Die nun nach dem Winter aufgeweichte Erde ist ideal für Vögel, um nach Würmern und Käfern zu graben. „Habichte oder auch Hohltauben beginnen damit, sich ihre Nester zu bauen“, sagt der Waldexperte. Dafür nutze die Hohltaube beispielsweise Hohlräume in alten, verfaulten Bäumen. Wildschweine, Hasen und Kaninchen bekämen in diesen Tagen ihre ersten Jungen. Mit dem Frühjahrsbeginn wird die Brut- und Setz-Zeit eingeläutet.
Der Feind der Knospen: Förster macht sich Sorgen
Während sich in den vergangenen Tagen die Sonne mal blicken ließ, ist von frühlingshaften Temperaturen an diesem Morgen nichts zu spüren. Die kalte Luft lasst die Nase laufen und die Luftfeuchtigkeit macht die Hände klebrig. Die Auswirkungen des Klimawandels führt bei einigen Pflanzen nicht selten zu einer verfrühten Blütezeit im Frühling. Das kann Folgen haben.
So macht sich der Klever Sorgen um möglichen Frost. Er greift mit den Fingern nach an einem dünnen Ast mit grünen Knospen. Sollte es wieder Minustemperaturen geben, wäre das für den Knospenaustrieb fatal. Doch auszuschließen sei es nicht, denn der April stehe bevor und der mache ja bekanntlich, was er will, sagt der Förster. Ein weiteres Problem sind die oft zu trockenen Sommermonate für die Bäume.
Joachim Böhmer strebt stets einen Mischwald an
Unter den vergangenen Trockenjahren habe vor allem die Buche sehr gelitten, die im Boden kein Wasser mehr finde. Ebenso kämen auch die Vögel nicht mehr an die Würmer heran, die mit der Feuchtigkeit tiefer in den Boden kriechen. Deswegen ist es wichtig, verschiedene Baumarten anzupflanzen, die resistent gegenüber den klimatischen Veränderungen sind. „Das Frühjahr ist für mich die Pflanzzeit“, sagt er.
Diese Resistenz der Pflanzen prüft der Förster und markiert die entsprechenden Bäume mit einem weißen Kreis. Immer mit dem Ziel, einen Mischwald zu erhalten, also ein Wald mit verschiedenen Baumarten. Diese resistenten Holzgewächse bezeichnet der Förster als Zukunftsbäume.
Verhaltensregeln im Wald
Wer die Vorteile der Natur für sich nutzen will und in den Wald geht, sollte einiges beachten. Gerade im Frühjahr, wenn viele Jungtiere geboren werden, sind Hundebesitzer gut damit beraten, wenn sie ihre Vierbeiner an der Leine führen. Gerade junge Hasen oder Wildschweine fallen kurzerhand in das Beuteschema von Hunden. Förster Joachim Böhmer rät, den eigenen Hund abrufbereit zu trainieren. Auch gilt es auf den Spazierwegen zu bleiben. Das hat mehrere Gründe: Zum einen wahre man so eine gewisse Distanz zu den wilden Tieren und laufe zum anderen auch nicht Gefahr, Opfer von Zecken im Unterholz zu werden. Eine Rücksichtnahme sei zwar wichtig, aber gänzlich aufs Reden verzichten, brauche niemand. Im Gegenteil, meint Böhmer. Wer sich im Wald unterhält, helfe den Tieren, sich zu orientieren und dem Menschen fernzubleiben.
„Der Wald hält Körper und Seele zusammen.“ Spaziergänge oder auch Fahrradtouren kämen dem Körper zugute, während die Pflanzen und Tiergeräusche Erholung für den Geist seien. „Ich kann jedem nur empfehlen, runter vom Sofa und ab in den Wald!“, appelliert der Förster mit einem Lächeln. Schließlich sei die Natur schon erwacht.