Oberhausen. Der Umsatz der Markthändler in NRW ist 2023 nach einem Coronahoch eingebrochen. Diese Sorgen machen sich die Händler, das denken Kunden.
Marktwetter, das sieht definitiv anders aus. Es ist nassgrau an diesem Mittwochmorgen im Oberhausener Stadtteil Sterkrade, bei Temperaturen um die zehn Grad lädt ein beständiger Nieselregen eigentlich nicht zum Gang vor die Tür ein. Die Passantinnen und Passanten, die aber dennoch über den Wochenmarkt schlendern, der hier immer mittwochs und samstags mit bis zu 60 Ständen stattfindet, haben Kapuzen über den Kopf gezogen, Regenschirme sind aufgespannt.
Trübe Szenerie, trübe Stimmungslage?
Ist diese trübe Szenerie sinnbildlich für die Stimmungslage der Händler? Immerhin sind nach Angaben der Landesstatistiker die realen Umsätze im „Einzelhandel an Verkaufsständen und auf Märkten“ 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 10,1 Prozent zurückgegangen. Schrillen da die Alarmglocken?
Thomas Klöpper, Gemüse- und Obsthändler aus dem Kreis Borken, lässt sich von dieser Entwicklung nicht aus der Ruhe bringen. „In unserer Branche gibt es immer ein Auf und Ab. Dass es nach der Coronazeit auch wieder etwas heruntergeht, was die Umsätze angeht, das finde ich nicht so überraschend“, reagiert der Händler aus dem Städtchen Velen eher gelassen auf die Umsatzdelle in der Statistik. „Die Coronajahre mit den Lockdowns, als viele Menschen lieber draußen an der frischen Luft einkaufen gingen, waren eben besonders stark für uns.“
Treue Stammkunden, am Wochenende auch Laufkundschaft
Klöpper, der eine große Auswahl an Kartoffeln, Zwiebeln und Eiern aus der Region anbietet, kann sich auf seine treue Kundschaft verlassen. „Vor allem unter der Woche sind es fast ausschließlich Stammkunden, die zum Einkaufen kommen. Samstags haben wir beispielsweise hier in Sterkrade auch viel Laufkundschaft, die kaufen erst ein und gehen dann in die Eisdiele oder trinken noch irgendwo einen Kaffee.“
Seine Markttage hat Thomas Klöpper dennoch reduziert, „der Auf- und Abbau und die Fahrerei werden im Alter nicht einfacher“, führt er zur Erklärung an. „In Schmachtendorf stehe ich darum nicht mehr auf dem Markt.“
Dass die Markthändler durchaus Sorgen haben, davon berichtet Tobias Stamm. Er ist 1. Vorsitzender des „Kreisverband Oberhausen des Markt- und Reisegewerbes e.V.“. Der 47-Jährige führt den Familienbetrieb „Beckers Beste“ in dritter Generation mit seiner Frau Lilla, verkauft Kräuter, Tee und Gewürze nach eigener Rezeptur nicht nur auf Wochenmärkten in der Region, sondern auch auf Jahr- und Weihnachtsmärkten sowie Kirmessen. Einen Online-Shop gibt es bereits seit einigen Jahren. Das Geruchserlebnis kann über den digitalen Wege aber nicht vermittelt werden.
Stände bleiben unbesetzt, weil Personal fehlt
Vor allem Personalprobleme machen ihm zu schaffen. „Wir zahlen über Mindestlohn, aber es ist schwer, Personal zu finden.“ Beim pünktlichen Glockenschlag der Propsteikirche St. Clemens um neun Uhr hatte er eigentlich drei Männer zum Probearbeiten erwartet. „Doch wie Sie sehen, sehen Sie niemanden. Einer hat mir vor zwei Minuten aufs Handy geschrieben, dass er nicht kommen kann.“ Es sei ja Streik, habe der Mann ihm wissen lassen. Unausgesprochen bleibt, dass weder Busse noch Bahnen an diesem Tag tatsächlich aufgrund von Arbeitskämpfen in ihren Depots bleiben müssen.
„Der Mangel an Personal führt auch dazu, dass wir hin und wieder Stände nicht besetzen können“, erklärt Stamm. Eigentlich könne „Beckers Beste“ an bis zu elf Standorten parallel verkaufen. „Aber ohne Verkäuferinnen und Verkäufer funktioniert das nicht.“
Von einstmals 100 Ständen sind in Sterkrade noch 60 übrig
„Der Sterkrader Markt war noch zu Beginn der 2000er Jahre einer der schönsten und größten in NRW. An Samstagen hatten wir 100 Händler hier, heute sind es noch 60“, so Stamm. Dieser Einbruch habe auch damit zu tun, dass Händler keinen Nachwuchs finden. „Und in der Coronazeit haben beispielsweise Textilhändler aufgegeben, weil sie von den Lockdown-Maßnahmen nicht ausgenommen waren, da sie eben nicht Waren des täglichen Bedarfs verkauften.“
Paul Weinhard hat sich einige Meter entfernt mit Kräutern für den heimischen Garten eingedeckt. „Es ist ja jetzt die richtige Jahreszeit, damit anzufangen. Wir wollen zu Hause tatsächlich mehr Kräuter selbst anbauen“, führt der Sterkrader an. Er gibt sich als überzeugter Marktgänger zu erkennen. „Ich bin regelmäßig hier, kaufe lieber hier als im Geschäft ein.“ Er schätzt besonders, dass die Produkte frisch sind. „Die kommen ja meistens direkt am Morgen vom Großhändler.“ Auch Brot kauft er auf dem Markt ein.
Den Betrieb vom Vater im Jahr 2008 übernommen
Einige Meter weiter gibt es jungen Gouda zu erwerben, ein Kilogramm für 8,95 Euro, so steht es auf dem Kundenstopper geschrieben. Thorsten Welke hat den Familienbetrieb, Wurst- und Käsespezialitäten Welke, 2008 von seinem Vater übernommen. „Uns gibt es seit 1965“, berichtet er mit deutlich hörbarem Stolz in der Stimme.
Natürlich habe es einige Veränderungen in der Branche gegeben. „Zuletzt waren auch steigende Energiekosten eine Herausforderung. Das eins zu eins auf die Preise umzulegen, das funktioniert so nicht.“ Dennoch könne er sich über das Geschäft nicht beklagen. „Die Menschen schätzen die Qualität, die sie bei uns bekommen“, ist Welke überzeugt.
Dass da etwas dran ist, das kann Ingrid Klamet bezeugen. Sie hat sich nach einem Blick in die Auslage des Verkaufswagens entschieden, dass es heute unter anderem die Leberwurst sein soll. „Ich schaue immer, was es auch an neuen Sachen gibt. Den Matjessalat kann ich sehr empfehlen, den gibt es so nirgendwo anders“, schwärmt sie. „Da muss man aber schnell sein, der ist oft schon früh ausverkauft.“
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Die Sterkraderin, die in fußläufiger Entfernung zum Markt wohnt, schätzt die Qualität der Waren, die sie dort findet. „Hier ist die Auswahl auch sehr groß, Obst und Gemüse sind immer frisch und es ist nicht so trubelig. Außerdem weiß ich ganz genau, wo alles ist“, gibt sie sich als Stammkundin zu erkennen.
Auf den menschlichen Aspekt kommt es an
Auch der menschliche Aspekt spiele für sie eine Rolle, den Wochenmarkt anderen Einkaufsmöglichkeiten vorzuziehen. „Im Discounter an der Kasse ist es doch so unpersönlich. Hier sind die Verkäuferinnen immer sehr nett.“ Dass man sich kennt, bestätigt Verkäuferin Heike Borscheck mit einem freundlichen Nicken – sie ist seit über zwei Jahrzehnten bei Welkes angestellt.
An einer anderen Ecke des Standes fragt eine Kundin nach Joghurt, „gerne auch dem mit nur 1,5 Prozent Fett“. Thorsten Welke muss sie vertrösten. „Leider alles gerade ausverkauft“, fügt der erfahrene Händler an. „Dann komme ich eben am Samstag wieder“, erwidert die Dame und lässt sich schon einmal drei Stück zur Seite legen. Thorsten Welke kann sich sicher sein, dass diese Ankündigung in die Tat umgesetzt wird. Auf seine Stammkundschaft könne er sich verlassen.