An Rhein und Ruhr. Kölner Karnevalisten haben einen Leitfaden entwickelt, um Kinderrechte besser zu schützen. Auch Vereine am Niederrhein achten auf den Nachwuchs.

Die Küsschen auf die Wange, die im rheinischen Karneval nur so umherfliegen wie Kamelle, mag noch lange nicht jedes Kind, erst recht nicht von jedem. Jecken sollten daher den „Pänzrechtepass“ für den Kölner Karneval lesen, in dem es heißt: „Kein Bützchen auf Kommando“ und „Zwangsbützen ist sexuelle Belästigung“.

Das Anliegen des Passes ist gerade besonders aktuell, da zuletzt ein Vorfall in Sankt Augustin für Empörung sorgte: Ein Präsident soll bei einer Karnevalsveranstaltung zu einem Mädchen im Grundschulalter gesagt haben: „Endlich kann ich mal mit dir knutschen, ohne dass deine Mama schimpft.“

Karneval: Was sich Kinder nicht gefallen lassen müssen

Das Festkomitee Kölner Karneval und die Beratungsstelle „Zartbitter“ wollen solche Fälle verhindern und dafür sorgen, dass sich Kinder im Karneval wohler fühlen. Dafür haben sie mit Jugendlichen aus zehn Kölner Tanzgruppen eine Broschüre entwickelt, die 30 Regeln enthält.

Sie weisen zum Beispiel darauf hin, dass sexuelle Belästigung strafbar ist – und zum Beispiel Griffe ans Gesäß, unerwünschte Fotos auf der Toilette oder unter den Rock dazu gehören. Erwachsene müssten die Privatsphäre achten. Niemand dürfe fremdes Eigentum beschädigen.

Auch Grundsätze zum guten Umgang stehen drin. So haben Kinder das Recht, Spaß zu haben, respektvoll behandelt zu werden, sich in Kostümen wohlzufühlen und sich zu beschweren, verdeutlicht der Leitfaden. „Mädchen und Jungen haben gleiche Rechte“ und „alle dürfen mitmachen“, heißt es.

Beratungsstelle erkennt Übergriffe an Karneval – und hilft

Wie die Formulierungen oft schon andeuten, haben die Regeln einen ernsten Hintergrund. Das sagt auch „Zartbitter“-Geschäftsführer Philipp Büscher der NRZ: „Sie zeigen, was am Karneval Spaß macht und begeistert, was aber auch nervt und stört.“

Kinder sind sensibel und wollen nicht als Karnevalsdeko auf der Bühne stehen, sondern respektiert werden.
Philipp Büscher - Geschäftsführer der Kölner Beratungsstelle „Zartbitter“

Die Informationsstelle gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen bekomme mit, „dass es im Karneval Erwachsene gibt, die Kinder nicht respektvoll behandeln oder sie sogar belästigen“, erklärt Büscher. Das decke sich mit den Erfahrungen der Kinder, die am Rechtepass mitgewirkt haben.

Wie häufig Übergriffe vorkommen, könne er nicht sagen. Verbreiteter als Belästigungen seien jedoch Fälle, bei denen sich Kinder unwohl fühlen, weil sie zum Beispiel zum dauerhaften Lächeln auf der Bühne gezwungen werden. „Kinder sind sensibel und wollen nicht als Karnevalsdeko auf der Bühne stehen, sondern respektiert werden“, sagt Philipp Büscher.

Rechte im Karneval: „Pänzrechtepass“ ist nicht nur für Kinder

Der „Pänzrechtepass“ sei nicht nur für Kinder gedacht, erklärt Christine Flock, die beim Festkomitee für Kinder- und Jugendkarneval zuständig ist: „Erwachsene sehen Kinderrechte als Selbstverständlichkeit an, aber das sind sie nicht.“

Am Beispiel aus Sankt Augustin erklärt sie: „Vor 20 Jahren waren solche Sätze gang und gäbe, aber das darf nicht sein. Wenn man Menschen für Kinderrechte sensibilisiert, wird vielen vielleicht eher bewusst, dass solche Aussagen absolut nicht gehen.“

Kölner Karneval plant umfassendes Schutzkonzept

Der „Pänzrechtepass“ soll nicht das letzte Mittel zum Schutz von Kindern im Kölner Karneval bleiben. Christine Flock und das Festkomitee wollen zusammen mit „Zartbitter“ ein umfassendes Kinderschutzkonzept entwerfen, „das soll für alle Gesellschaften verpflichtend sein“. Schon jetzt gibt es eine gesonderte Beschwerdestelle für Vorfälle an Karneval.

Zentrale Konzepte gibt es bisher weder in Köln noch am Niederrhein. Aber: „Wir achten darauf, dass es in jedem Verein Personen gibt, die für die Jugendbetreuung qualifiziert sind“, sagt Karl Schäfer, Präsident des Karnevalsverbands Linker Niederrhein (KLN). Dasselbe teilen auch der Landesverband Rechter Niederrhein (LRN) und das Comitee Düsseldorfer Carneval (CC) mit.

Wie Vereine am Niederrhein die Kinder schützen

Alle drei Verbände würden mehrmals im Jahr Schulungen für die Jugendleiter-Card (Juleica) durchführen. Die Juleica-Ausbildung qualifiziert Ehrenamtler für die Jugendarbeit.

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„Dabei lernen die Personen, wie sie gut mit Kindern umgehen, wo sie besonders vorsichtig sein müssen und zum Beispiel wann Fotos von Kindern veröffentlicht werden dürfen und wann nicht,“ erklärt KLN-Präsident Schäfer. Auch ein Erste-Hilfe-Kurs sei dabei.

Das Comitee Düsseldorfer Carneval organisiert zudem zweimal im Jahr Versammlungen, bei denen sich Betreuungspersonen auch über die Anliegen der Kinder unterhalten. „Im Mai treffen wir uns zum Beispiel, um darauf zurückzublicken, wo es Probleme beim Straßenkarneval gab“, sagt die CC-Jugendbeauftragte Nicole Nothen.

Übergriffe an Karneval: Tipps für Kinder und Eltern

Sie hat auch Tipps für Kinder, die an Karneval Dinge erleben, wegen denen sie sich unwohl fühlen: „Eine Notiz machen, nicht direkt den ‚Täter‘ ansprechen, sondern immer zuerst mit Freunden und der Familie sprechen.“ Kinder und Eltern könnten auch ein Code-Wort ausmachen, bei dem sie Bescheid wissen, dass etwas vorgefallen ist.

Nothen ermutigt aber auch dazu, den Veranstalter oder Karnevalsverein auf einen Vorfall anzusprechen: „Auch kleine Vereine achten auf ihre Kinder und kontrollieren, was geht und was nicht.“

„Pänzrechtepass“: Kinderrechte im Landtag ausgestellt

Die 30 Regeln des „Pänzrechtepasses“ sind nicht nur als Motive in einer Broschüre abgebildet, sondern auch als große Bilder im Düsseldorfer Landtag ausgestellt.

Landtagspräsident André Kuper hat die Ausstellung am Dienstag eröffnet. Er sagte: „Der Karneval ist eine fröhliche Zeit, in der Erwachsene Verantwortung tragen, dass niemand die ausgelassene Stimmung ausnutzt, um Kinder verbal oder sexuell anzugreifen. Auch im Karneval ist es unter keinen Umständen akzeptabel, Kinder einfach zu küssen oder ihnen anzügliche Dinge zu sagen.“

Die Ausstellung in der Bürgerhalle des Landtags ist noch bis Aschermittwoch, 14. Februar, geöffnet. Besucher sollten sich vorher beim Landtag anmelden.