An Rhein und Ruhr. Seit Jahren steigt die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt. Unser Reporter hat sich selbst auf Suche begeben. Hat Ahmad eine Chance?

Immer wieder berichten Menschen mit Migrationshintergrund - besonders Geflüchtete - dass sie sich bei der Wohnungssuche diskriminiert fühlen. Doch es macht offenbar auch einen großen Unterschied, woher sie genau stammen: Vor etwa acht Monaten sprach die Redaktion im Rahmen einer Reportage in einer Flüchtlingsunterkunft in Hamminkeln mit einer syrischen Familie, die erfolglos auf der Suche nach einer Wohnung war. Damals berichtete sie, dass viele Vermieter ihre Wohnung angeblich bevorzugt an ukrainische Familien vermieten. Diese Familie hat noch immer keine Wohnung, sie muss weiter in der Flüchtlingsunterkunft bleiben.

Diskriminierung aufgrund vermuteter, ausländischer Herkunft - etwa durch den Namen oder das Aussehen eines Wohnungsinteressenten - komme öfter vor als eine Ausgrenzung aufgrund finanzieller Situation, berichtet Rassismusforscher Karim Fereidooni von der Ruhr Universität in Bochum. „Selbst wenn jemand mit internationaler Familiengeschichte oder Deutsche, die nicht als weiße Menschen wahrgenommen werden, sich die Immobilie leisten können, werden sie häufig von Vermietern aufgrund rassistischer Diskriminierung bei der Wohnungssuche benachteiligt.“

Auch eine repräsentative Befragung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2020 belegt, dass 83 Prozent der Befragten aufgrund ihrer Herkunft auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt wurden. Im Vergleich zum Jahr 2013 habe sich die wahrgenommene Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt erhöht, damals berichteten 68 Prozent von solchen Erfahrungen.

Doch nicht alle Nationalitäten sind möglicherweise gleich betroffenen. Viele Vermieter würden es zum Beispiel bevorzugen, ihre Wohnung an ukrainische Familie zu vermieten, sagte Rainer Gewiss vom Sozialbereich der Stadt Hamminkeln damals bei unserem Besuch in den dortigen Flüchtlingsunterkünften.

Selbstversuch: Bekommt Ahmad die Wohnung oder Jovana?

Ob auch ich es mit meinem arabischen Namen schwerer hätte? Ich entscheide mich, einen Selbstversuch durchzuführen. Ich mache mich auf die Suche nach einer Wohnung für mich und meine vierköpfige Familie. Eine passende finde nach langer Suche bei Ebay-Kleinanzeigen: 83 Quadratmeter, warm, für 790 Euro in Herne, privat vermietet. Perfekt. In der Anzeige bittet die Vermieterin darum, Namen, Anzahl der Personen sowie Angaben zum Beruf zu machen.

Sofort schicke ich eine Anfrage an die Vermieterin. Allerdings bleibt sie mehr als einer Woche unbeantwortet. Ob die Anzeige immer noch aktiv ist, checke ich in diesem Zeitraum täglich. Sie bleibt online, aber ich bekomme keine Rückmeldung.

Zeit für den zweiten Teil meines Experiments: Mit dem Handy meiner Frau lege ich einen neuen Kleinanzeigen-Account unter einem weiblichen ukrainischen Namen an, von dem ich als „Jovana“ eine kurze Anfrage schicke: „Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind eine Familie mit einem Kind aus der Ukraine. Wir sind neu in Deutschland und suchen nach einer Wohnung. Ist diese Wohnung noch frei?“

Fünf Minuten später bekommt die mutmaßliche Jovana eine Antwort. Während die Vermieterin mit Jovana schreibt, frage ich von meinem Account als Ahmad nach, ob die Wohnung noch frei ist. Eine Viertelstunde später bekommt „Ahmad“ die befürchtete Rückmeldung: „Ich möchte Ihnen die Wohnung nicht vermieten.“ Eine Begründung gibt es nicht.

Die Betroffenen verlieren das Vertrauen in unsere Gesellschaft und fühlen sich als Bürger zweiter Klasse.
Karim Fereidooni, Rassismusforscher an der Ruhr Universität Bochum

Fereidooni: Betroffene verlieren Vertrauen in Gesellschaft

Bekommt Ahmad die Wohnung aufgrund seiner Herkunft nicht? Möglich. Doch das Problem ist, dass diese Art von Diskriminierung schwer zu beweisen ist. Die Wohnung könnte ich theoretisch auch aus anderen Gründen nicht bekommen haben.

Solche Erfahrungen können Betroffene belasten, die soziale Ungleichheit verstärken und den Zugang zu angemessenem Wohnraum beeinträchtigen. „Die Betroffenen verlieren das Vertrauen in unsere Gesellschaft und fühlen sich als Bürger zweiter Klasse“, sagt Fereidooni. „Unser Staat muss wirkungsvolle Maßnahmen einführen, die Diskriminierung verhindern beziehungsweise sanktionieren, denn Diskriminierung führt zur gesellschaftlichen Spaltung. Sensibilisierungsmaßnahmen für Vermieter sind ebenfalls sinnvoll.“

Schulungen für Vermieter könnten dazu beitragen, das Rechtsbewusstsein zu stärken. Aber auch anonymisierte Bewerbungen könnten den Weg zu Wohnungsbesichtigungen für Menschen ebnen, die ansonsten nicht eingeladen worden wären. „Während einer Wohnungsbesichtigung allerdings kann die Anonymität nicht aufrechterhalten werden“, so Fereidooni.

Ahmad antwortet der Vermieterin, dass er die Wohnung nicht mehr mieten möchte, Jovana löscht ihrerseits den Account. Das Ergebnis des Selbsttests bestätigt die Ergebnisse der Studie und die Erfahrung der syrischen Familie aus Hamminkeln.

Für mich war diese Wohnungssuche nur ein Experiment. Doch für viele Menschen sind solche Erfahrungen bittere Realität.