Monheim. Ulrike Töpfer ist Erzieherin aus Leidenschaft. Sie möchte mehr Zeit für die Betreuung und Erziehung der Kinder haben. Das belastet sie.

Das Lachen, das vergeht ihr nicht so einfach. Seit 32 Jahren arbeitet Ulrike Töpfer in ihrem Beruf, der gefühlt bei ihr eher Berufung ist. Die 63-Jährige ist Erzieherin, leitet eine Kindertagesstätte der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Monheim. Töpfer bekommt hautnah mit, was der vielbeschworene Fachkräftemangel tatsächlich bedeutet. „Am Morgen zähle ich durch: Wie viel Personal ist da? Wie viele Kinder habe ich? Wenn der Betreuungsschlüssel nicht passt, dann muss ich leider das nächste Elternteil bitten, ihr Kind wieder mitzunehmen.“

Personeller Puffer existiert nicht

Eltern so enttäuschen zu müssen, das falle nicht leicht, das betont auch Jürgen Otto, Vorstand des AWO Bezirksverband Niederrhein. Noch in den 90er- und 00er-Jahren sei es kein Problem gewesen, Erzieherinnen und Erzieher auf dem Arbeitsmarkt zu finden. „Durch den Rechtsanspruch auf die Kinderbetreuung, den wir auch befürworten, werden aber deutlich mehr Kräfte benötigt.“

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Aktuell könne bei den Trägern der Einrichtungen, egal ob sich nun eine Kita in kirchlicher, städtischer oder sonstiger Hand befindet, kein personeller Puffer aufgebaut werden. Ausfallzeiten, etwa aufgrund von Krankheiten, Schwangerschaften oder gar Kündigungen können nicht mehr abgefedert werden.

Die Konsequenz sei, so Otto, die Einschränkung von Öffnungszeiten, die Reduzierung der Betreuungsplätze und als letzte Möglichkeiten Gruppen- oder gar Einrichtungsschließungen. Allein im Juni 2023 meldeten im Bereich des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) 364 Einrichtungen Probleme – in Düsseldorf waren es 17.

Zusätzliche Aufgaben abseits der Pädagogik

Nicht nur der Mangel an zusätzlichen Fachkräften sei problematisch. Ulrike Töpfer berichtet davon, wie sich der Beruf der Erzieherinnen und Erzieher im Laufe der Jahre gewandelt hat. Zur pädagogischen Betreuung oder eher Erziehung der Kinder seien weitere Aufgaben hinzugekommen, gerade auch für die jeweilige Einrichtungsleitung. „Meine Tage bestehen vielfach zu 80 Prozent aus Elterngesprächen und Personalangelegenheiten.“ Finanzmanagement und das obligatorische Controlling kämen hinzu.

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Dokumentationspflichten hätten jeder Erzieher und jede Erzieherin zu erfüllen. Nicht selten sind sie zudem gefragt, bei der Materialbeschaffung tätig zu werden, zudem müssen sie Räumlichkeiten vor- und nachbereiten, sind für die Hygiene verantwortlich.

Für die Unterstützung beim Anziehen der Gummistiefel werden nicht unbedingt pädagogische Fachkräfte benötigt.
Für die Unterstützung beim Anziehen der Gummistiefel werden nicht unbedingt pädagogische Fachkräfte benötigt. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

In geringem Umfang bestehe jetzt bereits die Option, Verwaltungsassistenten zu beschäftigen. Auch das „Kita-Helfer“-Programm der Landesregierung bringe eine gewisse Entlastung. Diese Helferinnen und Helfer unterstützen das Kita-Personals bei der Einhaltung und Umsetzung von Hygieneregeln, beim Küchendienst, der Begleitung bei Ausflügen und der Vorbereitung von Veranstaltungen.

Landesregierung führt Programm 2024 weiter

Dieses Programm, das bis Ende 2023 aufgelegt war, wird nach Angaben des NRW-Familienministeriums auch 2024 fortgeführt – dafür seien im Haushaltsentwurf für 2024 knapp 140 Millionen Euro vorgesehen. Insgesamt hätten bislang über 9200 Einrichtungen eine Förderung beantragt, teilt das Ministerium auf NRZ-Anfrage mit.

AWO-Vorstand Jürgen Otto plädiert dafür, grundlegender an das Kita-System heranzugehen. Aus seiner Sicht könnte durch eine Öffnung für weitere Personen- oder Berufsgruppen, sogenannte „Profilergänzende Kräfte“, Druck abgelassen werden. Für diese Kräfte gebe es weiterhin Grenzen, betont Otto. Bestimmte Aufgabenbereiche würden ausschließlich beim pädagogischem Fachpersonal liegen, beispielsweise Elterngespräche oder pflegerische Tätigkeiten. Einfach „von der Straße weg“ würde zudem niemand angestellt.

Auf persönliche Kompetenz kommt es an

Neben der beruflichen Kompetenz komme es auf die persönliche Kompetenz an, Kriterien wie Verantwortungsbewusstsein, Teamfähigkeit oder Empathie müssten erfüllt werden. Grundlagen seien zudem unter anderem die Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses und das Absolvieren einer pädagogische Basisqualifizierung. Handwerkerinnen und Handwerker etwa, die auf eine Stelle in einer Kita umsatteln wollen, erhalten so Einblicke in didaktisch-methodische Handlungskonzepte oder einen Kurs „Erste-Hilfe am Kind“. Kauffrauen, beziehungsweise Kaufmänner könnten auf der Leitungsebene für Entlastung bei Verwaltungsaufgaben sorgen.

Ulrike Töpfer würde sich freuen, hätte sie in Zukunft mehr Zeit dafür, den Anforderungen der Kinder in ihrer Einrichtung im Monheimer Stadtteil Baumberg gerecht zu werden.