Kreis Wesel. Corona-Folgen und Krankheitswelle belasten den Kita-Alltag. Darüber hinaus besteht weiter Fachkräftemangel. Was sich Träger im Kreis wünschen.

Dort, wo Menschen täglich für andere Verantwortung übernehmen, Alte oder Kranke pflegen, genauso aber die Jüngsten betreuen und sie auf dem Weg in die Schule begleiten, schlägt er besonders kräftig zu: der Fachkräftemangel. Laut einer Studie der Bertelsmannstiftung fehlen in NRW mehr als 100.000 Kita-Plätze und rund 24.000 Erzieherinnen und Erzieher. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, haben CDU und Grüne im NRW-Landtag kürzlich einen Antrag verabschiedet: Mit mehr Quereinsteigern, erleichterter Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und dem Ausbau des Studien- und Ausbildungsangebots in Erziehungsberufen soll Abhilfe geschaffen werden. Die Stadt Aachen will kurzfristig ganz pragmatisch sein und Menschen ohne pädagogische Ausbildung in Kitas mithelfen lassen, als Unterstützung der Fachkräfte. Wie bewerten Träger von Kindertageseinrichtungen im Kreis Wesel aktuell die personelle Situation?

In Zahlen liest sich das etwa bei der Awo so: Sie ist im Kreis Träger von 24 Kitas mit 365 Mitarbeitenden im pädagogischen Bereich – aktuell sind 26 Stellen unbesetzt, wobei die Awo dazu sagt, dass es sich bei dem Großteil dieser offenen Stellen um freiwillige Leistungen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus handele, zum Beispiel zur Entlastung der Mitarbeitenden. Schulungen oder Urlaub – das könne in vielen Einrichtungen gut abgefangen werden, größeres Problem seien eher die akuten Erkrankungen, die zu kurzfristigen Ausfällen führen, sagt Benjamin Walch, Geschäftsbereichsleiter Kinder und Jugendliche. „Die Atemwegserkrankungen ziehen sich aktuell und sorgen für längere Ausfallzeiten.“

Fachkräftemangel im sozialen Bereich: Caritas-Direktor sieht „Warnsignal“

Ähnlich erlebt es Reimund Schulz, Geschäftsführer der Evangelischen Kinderwelt. Er kann für 15 Einrichtungen in Dinslaken, Voerde, Schermbeck und Hünxe sprechen, darüber hinaus noch für weitere in Duisburg und Dorsten mit insgesamt 350 Stellen, etwa zehn seien derzeit nicht besetzt. Immerhin: „Wir finden ganz gut Personal“, sagt er. Aber die akuten Erkrankungen gefährdeten das System.

Dazu wirkt die Belastung in der Corona-Pandemie nach, in einem Bereich, in dem es nie Ruhepausen gab: „Den Mitarbeitenden steckt das noch in den Knochen. 2023 müssen wir einfach mal zur Ruhe kommen“, sagt Caritasdirektor Michael van Meerbeck. Unter dem Dach der Caritas gibt es im rechtsrheinischen Kreis Wesel zehn Kitas mit etwas über 130 Mitarbeitenden, bei zurzeit sechs bis zehn offenen Stellen. Van Meerbeck sieht bei der Diskussion ein generelles Problem. Er wertet es als „Warnsignal“, dass sich immer weniger Menschen finden, die den Beruf des Erziehers oder der Erzieherin übernehmen wollen, „sich nicht mehr einsetzen wollen für das Gemeinwohl“. Er appelliert an alle Menschen: „Wir müssen als Gesellschaft wieder achtsam miteinander umgehen.“

Rahmenbedingungen in Kitas: Gruppen der Kinder sollten verkleinert werden

Mehr Wertschätzung in jeglicher Hinsicht und verbesserte Rahmenbedingungen sehen die Träger im Kreis als Kernpunkte bei der Diskussion um den Fachkräftemangel, sie alle betonen, wie sehr sich die Mitarbeitenden für die Kinder ins Zeug legen. Benjamin Walch und Reimund Schulz nennen die Bedeutung der Ausbildung und plädieren auch dafür, die Gruppen der zu betreuenden Kinder zu verkleinern. Das führe allerdings zu mehr nötigem Personal, so Schulz. Also braucht es mehr Nachwuchs: „Es müsste massiv in die Ausbildung investiert werden.“ Durch „PiA“, die praxisintegrierte Ausbildung zum Erzieher, kämen immerhin bereits mehr junge Menschen nach, bewertet er das Format positiv.

Was sie von der Idee halten, Quereinsteiger und Personen ohne pädagogische Ausbildung in den Kitas einzustellen? Als Unterstützung der Fachkräfte vergleichbar mit den Alltagshelfern, finden sie das gut. Michael van Meerbeck befürwortet einen angemessenen Personalmix. Reimund Schulz würde sich wünschen, dass das in der Pandemie geborene Programm um die Alltagshelfer, die bei hauswirtschaftsnahen Tätigkeiten mit anpacken, verstetigt würde. Zwar wurde es verlängert, allerdings wieder nur für ein halbes Jahr, kritisiert er. Das mache es schwierig, nachhaltig Personal dafür zu finden. „Das ist auch nicht wertschätzend diesen Mitarbeitern gegenüber.“ Und Benjamin sieht zwar die Unterstützung als positiv an, betont aber auch: „Ich sehe nur die Gefahr, dass dann die eigentliche Diskussion, die um mehr Fachkräfte, aus dem Fokus gerät.“ (mit dpa)

Wie viele Menschen in Kitas im Kreis Wesel beschäftigt sind

Markus Renner, Gewerkschaftssekretär bei Verdi Duisburg-Niederrhein, fordert in der Diskussion um das Kita-Personal: „Wir müssen generell dringend an das Kibiz (Kinderbildungsgesetz) ran, vor allem an den Personal-Kind-Schlüssel.“ Die Gruppen seien zu groß gedacht. Die Überbelegung sei eigentlich als Ausnahme vorgesehen, werde aber zu oft mitgeplant.

  • Das statistische Landesamt hat kürzlich Zahlen dazu veröffentlicht, wie viele Personen im Jahr 2022 in Kindertageseinrichtungen tätig waren und wie viele Kinder dort betreut wurden. Demzufolge arbeiteten im Kreis Wesel zum Stichtag 1. März 2986 Personen als pädagogisches und Verwaltungspersonal (ein Plus von 21,4 Prozent im Vergleich zu 2018). Wichtig: Es handelt sich um Personen, nicht um Stellen. Abgefragt wurden Einrichtungen von Trägern jeglicher Art.
  • Auch die Zahl der zu betreuenden Kinder ist derweil gestiegen: auf insgesamt 15.187 (plus 10,1 Prozent). Die meisten Kinder (11.554) im Kreis Wesel waren zwischen drei und sechs Jahre alt. Wie landesweit auch, ist die Zahl der zu betreuenden Unter-Dreijährigen im Kreis leicht angestiegen: von 1677 auf 1850 (plus 10,3 Prozent).