An Rhein und Ruhr. Das vergünstigte Deutschlandticket für Geringverdiener in NRW kommt später. Das Semesterticket für Studierende steht vor dem Aus. SPD übt Kritik.

Nicht nur die Finanzierung des Deutschlandticket in den kommenden Jahre sorgt für Diskussionen, auch an anderer Stelle gibt es Ärger um das „49-Euro-Ticket“. So wird die günstigere Variante des bundesweit gültigen Fahrscheins für Geringverdiener in Nordrhein-Westfalen erst später kommen als angepeilt und möglicherweise auch nicht landesweit zeitgleich an den Start gehen.

Das Semesterticket, mit dem Studierende an den Hochschulen in NRW bislang vergünstigt Busse und Bahnen im Land nutzen konnten, steht unterdessen komplett vor dem Aus. Eine erste Kündigung einer Studierenschaft ging bereits beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) ein – aufgrund der Konkurrenz zum Deutschlandticket.

Erste Kündigung ausgesprochen

Das Studierendenparlament der Technischen Universität (TU) Dortmund hat als erste Studierendenschaft in NRW einen Schlussstrich gezogen. „Leider konnten wir uns mit dem VRR nicht auf eine Vertragsanpassung einigen“, erklärte der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA). In seiner jüngsten Sitzung habe das Studierendenparlament einstimmig für die Kündigung des Semestertickets gestimmt.

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Hintergrund ist, dass seit der Einführung des Deutschlandtickets das Solidarmodell, auf dem das Semesterticket basiert, in Gefahr sei. „So, wie das Semesterticket aktuell existiert, ist es rechtlich angreifbar“, führt der AStA an. Ein Rechtsgutachten habe Sorgen befeuert, Studierende könnten künftig vor Gericht gegen die Zahlung des für sie verpflichtenden Beitrags klagen.

Das Deutschlandticket zum Preis von 49 Euro pro Monat stünde in Konkurrenz zum Semesterticket, mit dem für nur 12,33 Euro weniger im Monat lediglich in NRW der ÖPNV nutzbar sei. „Es hätte also eine alternative Lösung geschaffen werden müssen.“ Das hätte etwa ein deutschlandweit gültiges Semesterticket für unter 49 Euro sein können.

Studierende möchten Druckmittel aufbauen

Ab dem Wintersemester 2024/25 werde, Stand jetzt, kein Semesterticket mehr existieren. Der Dortmunder AStA hofft aber noch auf eine Lösung – auch als Signal für die weiteren Hochschulen im Land. „Die Kündigung wird auch als Druckmittel dienen, damit der VRR, das Land NRW und der Bund endlich handeln.“

Auf NRZ-Anfrage bestätigte der VRR, dass bislang eine verbindliche Kündigung eingegangen ist. Es würden noch Gespräche mit dem NRW-Verkehrsministerium und den anderen Verkehrsverbünden im Land stattfinden. „Alle Beteiligte versuchen eine gute Lösung im Sinne der Studierenden zu finden“, erklärt Sprecherin Sabine Tkatzik.

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Leider habe der VRR nicht die Möglichkeit, das Ticket im Solidarmodell zu einem reduzierten Preis für die Studierendenschaft anzubieten. Bund und Länder würden an einer Lösung arbeiten. „Wenn die Rand- und Rahmenbedingungen hierfür geschaffen sind, setzen wir zusammen mit den Verkehrsunternehmen das Deutschlandticket im Solidaransatz schnellstmöglich für die Studierendenschaften um“, so Tkatzik. Bislang nimmt der VRR monatlich rund acht Millionen Euro durch das Semesterticket ein.

Harte Kritik der SPD-Opposition

Die SPD-Fraktion im Landtag übt Kritik und fordert von der Landesregierung für die Sitzung des Wissenschaftsausschusses in der kommenden Woche einen Bericht an. „Der Schritt des Dortmunder Studierendenparlaments wäre zu verhindern gewesen – wenn die schwarz-grüne Koalition denn gewollt hätte“, so Bastian Hartmann, wissenschaftspolitischer Sprecher der Fraktion. „Es zeigt sich wieder, dass Studierende bei dieser Landesregierung keine Lobby haben.“

Studierende stünden seit Jahren vor immensen Herausforderungen – erst unter der Pandemie, jetzt unter den Folgen des Angriffskrieges auf die Ukraine. „Wir erwarten, dass Ministerin Brandes endlich eine Lösung liefert. Das Semesterticket muss gerettet werden.“

Vergünstigtes Ticket erst 2024?

Nicht nur beim Semesterticket bestehen weiter Unklarheiten. Viele Geringverdiener in NRW sollen ein auf 39 Euro im Monat vergünstigtes Deutschlandticket nutzen können. NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) hatte sich Anfang Juni optimistisch gezeigt, dass diese Variante im Herbst kommen kann. Die NRW-Verkehrsverbünde strebten nach bisherigen Angaben den 1. Dezember als Starttermin an.

Inzwischen zeichnet sich aber ab, dass zumindest der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) die Sozialticketvariante erst zu Beginn des kommenden Jahres einführen wird. „Wir starten ab dem 1.1.2024“, sagte der Leiter Abteilung Tarif und Vertrieb beim VRS, Sascha Triemer. Dafür gebe es in erster Linie technische Gründe, wie schnell das neue Produkt vertrieben werden könne. Auch das Abschließen von notwendigen Vereinbarungen spiele eine Rolle.

VRR plant den Start im Dezember

Wenn andere Verkehrsverbünde in NRW am Ziel 1. Dezember 2023 als Starttermin festhalten sollten, werde die Sozialticketvariante des Deutschlandtickets nicht zum gleichen Zeitpunkt starten, erklärte Triemer. Im VRR wird nach Worten einer Sprecherin davon ausgegangen, dass „voraussichtlich zum 1. Dezember das Deutschlandticket „Sozial“ zum Preis von 39 Euro angeboten wird.“ Beim Verkehrsverbund Westfalentarif hieß es, ab 1. Dezember sei ein Verkauf der Sozialticketvariante möglich. Was aber nicht feststehe sei, wer es dann auch schon verkaufen könne, erläuterte eine Sprecherin.

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Die Liste der Anspruchsberechtigten für die Sozialvariante des Deutschlandticket in NRW ist laut Angaben des Verkehrsverbund Rhein-Sieg bereits abgestimmt mit den anderen Verkehrsverbünden und dem Land. Dazu gehörten Bürgergeld-Empfänger, Sozialhilfe-Empfänger, Wohngeld-Empfänger, Empfänger von Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie Empfänger von Leistungen der Kriegsopferfürsorge, hieß es. Wie das Deutschlandticket selbst werde auch die Sozialticketvariante nur im Abo vertrieben.