Essen. Die Faktenchecker von Correctiv decken Falschinformationen auf und recherchieren die wahren Fakten dahinter. Wie sie dabei vorgehen.

Sie recherchieren über Falschmeldungen im Netz und entlarven Desinformation. Die Faktenchecker von Correctiv gehen seit Jahren unzähligen Hinweisen auf mögliche „Fake News“ nach. Auch den Fall eines gefälschten NRZ-Artikels, der kürzlich für die Verbreitung von Falschinformationen missbraucht wurde, klärte Correctiv die Hintergründe auf: Hinter dem „NRZ-Fake“ standen Twitter-Profile, die, der Recherche der Fakenchecker zufolge ausschließlich pro-russische Propaganda verbreiten und zu einem Netzwerk von rund 1300 Profilen gehören. Wie Correctiv genau arbeitet und wie sie Falschnachrichten aufdecken.

150 bis 250 Nachrichten pro Woche

Matthias Bau ist Journalist und Faktenchecker bei Correctiv in Essen. Er erklärt, dass es zwei Arten von Falschinformationen gibt – Missinformationen und Desinformationen. Während Missinformationen unbeabsichtigt seien, treffe auf Desinformationen genau das Gegenteil zu. Über WhatsApp oder auch per E-Mail erreichen ihn und seine Kollegen regelmäßig Nachrichten, die potenzielle Falschinformationen sein könnten.

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Daraufhin werden alle eingegangenen Nachrichten nach ihrer Art sortiert – Text-, Bild- und Videomaterial. Wöchentlich erreichen die Redaktion zwischen 150 und 250 Nachrichten. Nicht allen Fällen geht das Team nach. Welche Inhalte geprüft und nachrecherchiert werden, wird intern diskutiert. „Ist das eine Behauptung, die man prüfen kann?“, ist eine Frage, die sich die Faktenchecker vor dem Aussortieren stellen.

Aussortiert nach Reichweite und nachrichtlicher Relevanz

Ebenso wird geprüft, welche Reichweite die Nachricht hat. Denn es lohne sich nicht, Recherche-Arbeit in eine Behauptung zu stecken, die kaum jemanden erreiche, erklärt Bau. Auch die Nachrichtenrelevanz spiele eine große Rolle bei der Entscheidung, welcher Nachrichten sich das Team annimmt und welcher nicht. Ein Beispiel: Gesundheitsminister Karl Lauterbach habe eine Corona-Pflichtimpfung für Neugeborene vorgeschlagen. Diese Behauptung haben die Faktenchecker als Falschmeldung ermittelt. Hier war die nachrichtliche Relevanz besonders hoch, da das Menschenwohl davon abhing.

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Nachdem schließlich alle eingegangenen Nachrichten sortiert und nach Relevanz gefiltert wurden, werden sie in einem Programm, das wie eine virtuelle Pinnwand funktioniert, aufgelistet. Darauf haben alle Faktenchecker vom Correctiv Zugriff und können sich ein Thema herauspicken und den Verlauf ihrer Recherche zu dem Thema mit ihren Kollegen teilen.

In Krisenzeiten haben die Fakenchecker viel zu tun

Es gebe einige Recherche-Aufträge, für die man nicht länger als 30 Sekunden bräuchte und bei anderen dauere die Überprüfung zum Teil sogar eine Woche, sagt Bau. Das hänge oft davon ab, ob der Faktenchecker Wissenschaftsanfragen stellen oder er sich, aufgrund mangelnder Expertise, länger in das Thema reinfuchsen muss. Weitere zwei bis drei Tage werden für das Redigieren benötigt. Etwa 40 Faktenchecks veröffentlicht das Team im Monat. „Wenn Krisen sind, merken wir, dass mehr Falschinformationen kursieren“, sagt Bau.

Doch Correctiv geht nicht nur unwahren Nachrichten auf den Grund. Auch gefälschten Zitaten recherchieren die Faktenchecker hinterher und prüfen, ob diese echt sind. Mitunter kursieren falsche Zitate jahrelang durchs Internet, werden immer wieder aufs Neue geteilt und erfahren immer neue Aufmerksamkeit. Das war vor Kurzem auch der Fall bei einem angeblichen Zitat der Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt.

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In sozialen Netzwerken wurde ihr eine Aussage zugeschrieben, wonach sexuelle Übergriffe durch Flüchtlinge ein Hilferuf der Geflüchteten seien. Die Recherche von Correctiv ergab: Das Zitat ist frei erfunden und wurde bereits 2017 geteilt. Seitdem geistert der „Fake“ durchs Netz. Ebenso wie andere gefälschte Zitate, die verkürzt, verändert oder komplett gefälscht wurden und zum Teil viele Jahre im Internet kursieren.

Bedrohungen gegen Correctiv

Fälle von Jugendgewalt oder auch Videos in denen Menschen erschossen werden, gehören hin und wieder dazu. Diese belasten ihn besonders. Dennoch ist er gezwungen sich den gesamten Inhalt anzugucken, um diesen überprüfen zu können. So löblich die Arbeit der Faktenchecker zu sein scheint, so wird sie nicht immer wertgeschätzt.

„Wir werden oft von Menschen kritisiert“, erzählt der Bau. Es seien in der Vergangenheit auch Drohungen ausgesprochen worden, sagt er. „Ihre Gesichter und Namen sind gespeichert“, ist eine an die er sich erinnert. Aus diesem Grund haben alle im Team eine Auskunftssperre beim Einwohnermeldeamt einrichten lassen, sodass keiner ihre Adresse ermitteln kann. Am Berliner Standort hätten einst Menschen sogar die Redaktion mit Plakaten bedeckt, erzählt der Faktenchecker.