An Rhein und Ruhr. Mit dem „Verkehrsleitbild Rheinland 2023“ stellen die Industrie- und Handelskammern deutliche Forderungen auf. Das sind die Ideen.
Mehr Tempo bei Brückensanierungen, ein Ausbau des Schienennetzes, eine Weiterentwicklung der Flughäfen und auch für Autos erreichbare Innenstädte: Das „Verkehrsleitbild Rheinland 2023“, das nun mehrere Industrie- und Handelskammern aus der Region zusammen vorgestellt haben, umfasst ein ganzes Bündel an Forderungen an die Politik – weckt aber auch deutlichen Widerspruch bei Umweltverbänden.
Riesiger Investitionsbedarf bei Verkehrswegen
„Der Investitionsbedarf ist riesig, die Verkehrswege sind chronisch unterfinanziert“, erklärt Ocke Hamann, der verkehrspolitische Sprecher der Niederrheinischen IHK. Berücksichtige man die Ausbaupläne des Bundesverkehrswegeplans 2030 noch ohne Kostenanpassung, summieren sich die von 2012 bis 2023 fehlenden Mittel für Bundesverkehrswege bereits auf eine Finanzierungslücke von über 45 Milliarden Euro.
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Darum sei es dringend notwendig, die Mittel zu erhöhen. „Wir haben erste Signale gesehen, doch es wird noch deutlich mehr Geld benötigt.“ Die steigenden Baukosten müssten dabei in den Schaltzentralen in Düsseldorf und Berlin berücksichtigt werden.
Für Hamann spielt die Leistungsfähigkeit der Verkehrswege im Land eine zentrale Rolle dabei, die Industrie an Rhein und Ruhr wettbewerbsfähig zu halten. „90 Brücken müssten wir eigentlich jedes Jahr in NRW erneuern, momentan sind es im Schnitt 42.“ Er befürchtet, dass es täglich einen weiteren Fall „Rahmedetalbrücke“ geben könnte, also eine wichtige Verbindung von heute auf morgen gesperrt werden müsste.
Häfen Möglichkeiten für die Expansion geben
Mit Blick auf die Wasserstraßen im Rheinland fordert Hamann ein, die Expansionsmöglichkeiten der Häfen nicht einzuschränken. „Wir sehen in Köln und in Düsseldorf, dort etwa im Medienhafen, dass beispielsweise Wohnbebauung immer näher an den Rhein heranrückt.“ Dabei seien Häfen wichtige Logistikstandorte, ohne die Güter kaum über die Wasserstraßen transportiert werden können. Darum sei es in Duisburg besonders wichtig, die Entwicklung des Binnenhafens nicht durch den Entzug von Flächen für andere Zwecke – Gewerbe oder Wohnungsbau nennt Hamann – zu beeinträchtigen.
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„Augenmaß“ sei angebracht, wenn es darum gehe, Innenstadtbereiche für den Autoverkehr zu sperren, so durch reine Fahrradstraßen oder höhere Parkgebühren. „Einfach Verkehrsplanungen aus Kopenhagen oder Amsterdam auf Städte im Ruhrgebiet zu übertragen, das funktioniert nicht. Wir müssen passgenaue, pragmatische Lösungen vor Ort entwickeln.“
Handel, Gastronomie, Service- und Dienstleister, Reparaturbetriebe und Lieferdienste müssen weiter für gewerbliche Fahrzeuge zur Ver- und Entsorgung erreichbar sein. „Wenn wir die Duisburger Innenstadt beispielsweise für Autofahrer nicht mehr zugänglich machen, findet eine weitere Abwanderung in Richtung Centro in Oberhausen statt.“
Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn weiterentwickeln
Auch die Flughäfen in der Region nehmen die Industrie- und Handelskammern in den Blick. „Die Flughäfen brauchen Entwicklungsmöglichkeiten durch eine an die Runway-Kapazität angepasste Genehmigung in Düsseldorf und einen Fortbestand der Nachtflugregelung in Köln/Bonn über 2030 hinaus“, heißt es dazu in dem Verkehrsleitbild. Durch den Einsatz lärmarmer Flugzeuge und moderner Anflugverfahren könne das berechtigte Interessen der Anwohner nach mehr Lärmschutz garantiert werden.
„Zum Teil enthält das Papier Forderungen aus der verkehrspolitischen Mottenkiste, die nicht geeignet sind, das Rheinland zukunftsfest aufzustellen“, reagiert Dirk Jansen, Geschäftsleiter der Umweltschutzorganisation BUND in NRW, auf den IHK-Katalog. „Wer immer noch auf eine Expansion des Luftverkehrs setzt, auch die Straßeninfrastruktur ausbauen will und den Rhein als Wasserstraße ertüchtigen will, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.“
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Doch nicht in allen Punkten fällt seine Reaktion so harsch aus. Er sehe durchaus sinnvolle Forderungen. „Ja, wir brauchen mehr Planungskapazitäten für unsere Verkehrswege“, so Jansen. Diese müssten aber vor allem auf die Förderung des Umweltverbundes, also den Ausbau von Rad- und Schienenwegen, eine Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs und den Erhalt der bestehenden Infrastruktur ausgerichtet werden. „Der Neubau von Landes-/Bundesstraßen oder Autobahnen muss gestoppt werden.“