An Rhein und Ruhr. Eine NRW-Landesbehörde gibt eine Empfehlung zum Langsamfahren auf Dienstreisen. Umweltschützer Dirk Jansen geht das nicht weit genug.

Ganze fünf Dienstwagen umfasst die Fahrzeugflotte des Landesamtes für Finanzen. Ideen hat diese Behörde mit ihren rund 600 Beschäftigten dennoch, wie sie bei Dienstreisen positiv auf die Klimaschutzbilanz des Landes einwirken kann. So besteht seit November 2022 eine Empfehlung zum Langsamfahren. „Bei der Nutzung von Dienst-KFZ sollten wir uns vorbildlich energiesparend verhalten und uns ein freiwilliges Tempolimit auf Autobahnen von maximal 110 km/h und auf Landstraßen von maximal 80 km/h auferlegen“, heißt es dort. „Da es sich lediglich um eine freiwillige Empfehlung handelt, erfolgt kein Monitoring dieser Maßnahme“, erklärt das dem Amt übergeordnete NRW-Finanzministerium auf NRZ-Anfrage.

Mieses Abschneiden beim Dienstwagenvergleich

Noch kürzlich hatte die NRW-Landesregierung bezüglich der Nutzung von Dienstwagen negative Schlagzeilen geschrieben. So landete die schwarz-grüne Landesspitze bei einem Politiker-Dienstwagenvergleich der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zum CO2-Ausstoß auf dem letzten Platz der deutschen Bundesländer. Die DUH hat für die Dienstwagen des Ministerpräsidenten und der Landesminister in NRW einen durchschnittlichen realen Kohlenstoffdioxid-Ausstoß von 221 Gramm je Kilometer errechnet.

BUND-Sprecher Dirk Jansen setzt sich für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ein.
BUND-Sprecher Dirk Jansen setzt sich für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ein. © FUNKE Foto Services | Lukas Schulze

Auf dieses Ranking weist auch Dirk Jansen, Geschäftsleiter der Umweltschutzorganisation BUND in NRW, im Austausch mit der Redaktion hin. „Die Landesbehörde ist in meinen Augen keinesfalls ein Vorbild. Das wäre sie, wenn sie – genauso wie die gesamte Landesverwaltung – endlich in den Fällen, wo die Benutzung von Fahrrad oder Bahn nicht möglich ist, auf E-Mobilität umsteigen würde.“

LESEN SIE AUCH: SPRITPREISE: „PENDLER SCHAFFEN SICH EIGENES TEMPOLIMIT“

Freiwillige Verpflichtungen und Appelle seien zwar nett, können aber ordnungsrechtliche Maßnahmen nicht ersetzen. „Deshalb brauchen wir als schnell wirksame Klimaschutzmaßnahme dringend ein offizielles Tempolimit auf den deutschen Autobahnen“, so Jansen. „Die ökologisch vorteilhafteste Dienstreise ist die, die gar nicht stattfindet“, findet der BUND-Sprecher.

Helena Wisbert plädiert dafür, die Fahrzeugflotten zu modernisieren.
Helena Wisbert plädiert dafür, die Fahrzeugflotten zu modernisieren. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

„Grundsätzlich steigt der Spritverbrauch exponentiell ab einer Geschwindigkeit von über 130 km/h, daher ist es förderlich auch aus Sicht des CO2-Ausstosses langsamer zu fahren“, ordnet Helena Wisbert, Professorin für Automobilwirtschaft, das Thema ein. „Die Umstellung der Fahrzeugflotten eines Unternehmens auf Elektroautos macht aus Gesamtbilanzsicht aber mehr Sinn als ein Tempolimit für Dienstfahrzeuge.“

Zudem hält die Expertin ein verbindliches Tempolimit, das unter der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen liegt, „für realitätsfern“.

Optimierte Fahrweise als Vorbild

Thomas Müther, Sprecher des ADAC Nordrhein, berichtet davon, dass immer mehr Unternehmen Nachhaltigkeitsstrategien entwickeln und umsetzen würden. Dabei geraten auch Dienstwagen-Flotten und Regelungen in den Fokus, führt der ADAC-Sprecher an. „Die Empfehlung der Landesbehörde passt in diesen Zusammenhang und könnte für weitere Unternehmen oder Behörden ein Vorbild sein“, befindet Müther. Besonders entscheidend sei eine optimierte Fahrweise da, wo ein schneller Umstieg auf Elektroautos oder andere Verkehrsmittel nicht möglich sei.

LESEN SIE AUCH: TEMPOLIMIT: AUCH KLEINE SCHRITTE ZÄHLEN

Bezüglich der Frage, ob Dienstreisen generell ein „Auslaufmodell“ sind, sieht Müther zumindest Anzeichen. „Virtuelle Meetings haben enorm zugenommen. Die Corona-Pandemie hat dazu beigetragen, Dienstreisen stärker zu hinterfragen und häufiger darauf zu verzichten.“

Dass es zum Beispiel in der Logistikbranche bereits seit längerer Zeit üblich sei, Fahrerinnen und Fahrer zu einer spritsparenden Fahrweise anzuhalten – und es auch entsprechende Boni gibt –, darauf weist Ocke Hamann, Fachpolitischer Sprecher Mobilität und Verkehr bei der Niederrheinischen IHK hin. „Jedes Unternehmen hat Interesse daran, den Spritverbrauch zu senken.“ Auch Sicherheitsfragen und die Außendarstellung der Firmen seien wichtig. „Darum wird oft auf eine vernünftige Fahrweise wert gelegt.“

Einen Abgesang auf Dienstreisen möchte Hamann noch nicht anstimmen. „Klar ist, dass die Zahl der virtuellen Treffen zugenommen hat. Persönliche Gespräche werden dadurch aber nicht ersetzt.“