Wachtendonk/Essen. Zu Fuß unterwegs zu sein, ist in Deutschland eines der liebsten Hobbys. Anke Schöps gibt Tipps, wie eine Tour mit Kindern gelingt.
Nicht erst seit der Coronapandemie entdecken die Deutschen das Wandern für sich. Noch vor einem Besuch im Fitnessstudio gilt es als eines der beliebtesten Hobbys im Land – das ergab etwa eine repräsentative Befragung des Allensbach-Instituts zum Freizeitverhalten: 11,8 Prozent der Befragten gaben an, häufig draußen zu Fuß unterwegs zu sein. Die Tendenz ist dabei steigend, 2021 waren es 10,7 Prozent, 2020 genau zehn Prozent. Dazu passt, dass am 18. Mai (Christi Himmelfahrt) wieder NRZ-Wandertag rund um den Baldeneysee in Essen ist.
Wandern: Wie ein kleiner Urlaub
Als Kronzeugin für den generellen Wandertrend kann Anke Schöps herhalten. Für die neue Broschüre „NRW entdecken“ (herausgegeben von einer Initiative im Verkehrsministerium und zahlreichen Verkehrsunternehmen) hat die Bloggerin und zweifache Mutter zusammen mit ihrem Mann drei Routen herausgesucht und beschrieben.
„Für mich ist eine Wanderung ein wenig wie ein kleiner Urlaub“, sagt Schöps. Die NRZ hat sich eine der Touren ausgeguckt – und sich in und um Wachtendonk auf den Weg gemacht. Die in Tönisvorst lebende Expertin liefert dazu die passenden Tipps, wie das Wandern auch mit Kindern funktioniert.
Was die insgesamt neun Routentipps der Broschüre gemein haben, ist eine Erreichbarkeit der Start- und Zielpunkte mit dem öffentlichen Nahverkehr. Auch in Wachtendonk, im südlichen Teil des Kreis Kleve und unweit der niederländischen Grenzstadt Venlo gelegen, geht es vom Friedensplatz aus los – später auch wieder Ziel. Von hier aus verkehren Busse zu den Bahnhöfen in Geldern und Kempen, einen eigenen Gleisanschluss hat die kleine Gemeinde nicht.
Schon hier wird ein Motiv der auch für Wanderneulinge geeigneten Rundroute deutlich: ein Fluss, sei es nun Niers oder Nette, ist gefühlt stets nur einen Steinwurf entfernt. Der Versuchung, an der kleinen Nierspromenade mit Sitzgelegenheiten direkt eine Pause einzulegen, gilt es zu widerstehen – obwohl ein öffentlicher Bücherschrank Schmökerstoff zu bieten hat.
„Als grobes Kriterium für eine maximale Länge hat sich für mich die Rechnung ‘Lebensalter des Kindes mal dem Faktor 1,5’ bewährt“, führt Anke Schöps an. Ihrer fünfjährigen Tochter traut sie so Touren bis etwa 7,5 Kilometern Länge zu – diese Strecke gilt es denn auch in und um Wachtendonk hinter sich zu lassen.
Bei der Orientierung helfen Wegmarkierungen, meistens an Bäumen angebracht, die mit „Erlebnispfad Kulturlandschaft Wachtendonk-Süd“ beziehungsweise „Wachtendonk-Nord“ versehen sind. So gelingt es, den Anschluss in Richtung Ortskern zu finden.
Dieser bietet kleine Gassen und eine historische Bausubstanz – jedes zweite Haus scheint laut Plakette unter Denkmalschutz zu stehen. Aus der dicht bebauten Ortsmitte heraus führt der Weg weiter an der Niers entlang – zu entdecken gibt es die Ruine der Burg Wachtendonk, einen kleinen Leuchtturm, Pferdekoppeln und Gänseställe. In regelmäßigen Abständen gibt es Bänke für Pausen, Infotafeln klären über Flora und Fauna auf.
Eine Thema beim Wandern mit Kindern sei die Abwechslung, betont Anke Schöps. „Das kann funktionieren, indem man sich kleine Etappen setzt.“ Da kann der Anblick von Gänsen oder Pferden ein Highlight sein – oder die Selbstbedienungsfähre über die Niers. Hier gilt es unter Einsatz eigener Muskelkraft den Fluss zu überqueren. „So etwas ist natürlich eine tolle Sache für die Kleinen.“
Auch wenn sich mancher Wanderfreund asphaltierte oder breite Wege aus Bequemlichkeit wünscht, „Kinder finden das eher langweilig“, sagt Schöps. „Eltern machen sich vielleicht Sorgen, wenn es sich um schmale Wege, im Zweifelsfall noch mit Steigungen oder Wurzelwerk versehen, handelt, aber für Kinder ist das ein Erlebnis.“ Apropos Erlebnis: Für den Nachwuchs kann die Aussicht auf ein Eis am Ende der Tour verlockend wirken.
Die Zahl der Wanderer ist 2020 und 2021 gestiegen
Heinz-Dieter Quack, Professor an der Ostfalia Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel, gibt jedes Jahr mit seinem Team den „Wandermonitor“, eine Studie zu aktuellen Entwicklungen rund ums Wandern, heraus. „Insbesondere in Zeiten der ersten Corona-Lockdowns 2020 ist die Zahl der Wanderer besonders gestiegen. Zu diesem Zeitpunkt fehlten die sportlichen Alternativen, Fitnessstudios waren geschlossen, Angebote der Vereine konnten ebenfalls nicht stattfinden.“
Deutliche Zuwächse habe es in allen Altersgruppen bei der Wanderbegeisterung gegeben. „2022 ist es wieder etwas weniger geworden, aber wir sprechen noch von einem höheren Niveau als 2019.“ Nach Angaben des Experten gehen zwischen zwei Drittel und etwas mehr als 70 Prozent der erwachsenen Deutschen zumindest selten wandern. „Man muss aber sehen, dass vor allem die Gruppe der Gelegenheitswanderer sehr groß ist. Die Menschen, die sehr viel wandern, machen einen kleineren Teil aus.“
Große Bedeutung von Vereinen für das Wandernetz
Die meisten Wanderaktivitäten finden dabei außerhalb von Vereinen statt. „Die durchschnittliche Größe einer Wandergruppe besteht aus zwei Personen.“ Die Bedeutung von Organisationen wie dem Sauerländischen Gebirgsverein oder dem Deutschen Alpenverein sei dennoch groß. „Fast das gesamte Wandernetz in Deutschland wird von Vereinen getragen.“
Verschiedene Motive bringen die Menschen zum Wandern, so Quack. „Aktiv zu sein spielt eine Rolle, etwas für die eigene Gesundheit zu tun. In den vergangenen Jahren haben wir aber immer häufiger festgestellt, dass das Wandern zum Abstand gewinnen vom Alltag genutzt wird, als eine analoge Erfahrung ohne Laptop und Smartphones.“