Goch. Simon Röhlen lässt Linien fließen: Das Museum Goch ist das erste deutsche Museum, das den Urban Art-Künstler in einer Einzelausstellung zeigt.

Seine ineinander verschlungenen, über- und untereinander verlaufenden, endlosen Linien ziehen sich über einen Strand in Katar, schlingen sich um eine Vase in Italien, klettern Häuserwände in Hongkong, London oder Berlin empor oder mäandern über die große Düne im französischen Arcachon. Oder sie vereinen sich zu ornamentalen Blüten- oder Blattgebilden auf großen Holzkisten und sorgen dafür, dass Besucherinnen und Besucher des Museums Goch zwar nicht im Wald stehen, sich aber ganz klar so vorkommen sollen.

„KEF! Simon Röhlen. I watch helplessly as Flowers wither“ (Machtlos sehe ich zu, wie Blumen verwelken) heißt die Ausstellung, die am 2. April, um 11.30 Uhr eröffnet wird. Goch ist damit das erste deutsche Museum, das den viel beschäftigten Urban Art-Künstler in einer Einzelausstellung zeigt.

Da kommt Ornamentik auf die Wand, der Künstler bei der Arbeit im Museum Goch.
Da kommt Ornamentik auf die Wand, der Künstler bei der Arbeit im Museum Goch. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Die Linie ist das formgebende Element in der Kunst von Simon Röhlen. Geboren 1989 bei Aachen, lebt und arbeitet er heute in Berlin und stellt in der ganzen Welt aus. Begonnen hat alles mit Graffiti. Da war Röhlen 14 Jahre alt und sprühte typografisch geprägte Bilder, illegale Arbeiten, in den öffentlichen Raum. Nach einer Phase, in der er figurativ arbeitete und sogenannte Characters entwickelte, reduzierte er sein Formenspektrum nach und nach – bis die Linie blieb.

Harmonie, Ruhe, Vergänglichkeit

Sie begleitet ihn seit vielen Jahren, steht für Harmonie und Ruhe – und Vergänglichkeit. Alles das finden Besucherinnen und Besucher der Gocher Schau von Beginn an. Im großen Saal des Erdgeschosses stehen die Highlights der Ausstellung, Röhlens Holzkisten, wie Störfaktoren verteilt, die meisten so hoch, dass man nicht über sie hinweg sehen kann. Alle sind in unterschiedlich erdigen Grüntönen grundiert und mit geschlungenen, organisch wirkenden Linien besprüht.

Und so sieht es dann aus, wenn Simon Röhlen einmal loslegt...
Und so sieht es dann aus, wenn Simon Röhlen einmal loslegt... © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

„Ich lasse es fließen“, beschreibt es der 34-Jährige. Still stehen die Baum-Kisten da, man ist versucht ganz leise um sie herum zu gehen, um sie nicht zu stören. Denn sie verströmen Stille und schaffen eine Art Waldsituation mit entspannter Atmosphäre. Ganz wie die Bäume im echten Wald haben auch die aus Press-Spanplatten gefertigten Kisten eine Wetterseite, die – wenn auch nur farblich – der Witterung ausgesetzt ist.

Als Betrachter tritt man ein in diese dreidimensionale, begehbare Welt des Künstlers. „Die Leute können und sollen hier hereinkommen und Ruhe finden“, erklärt Museumspädagogin Jasmin Schöne. Das funktioniert!

Man denkt, man steht im Wald

Im Grunde fehlen nur die Vögel, das Rascheln im Unterholz und der Geruch von Laub. Ähnlich ist es bei seiner Serie „Swirly forest“ (etwa: wirbelnder Wald). Wieder ist die Natur Vorbild für seine abstrakten Gebilde. Fast hypnotisch wirkt die Wiederholung der Geflechte aus Linien in immer neuen farblichen Kombinationen.

Jede seiner Arbeiten, findet Röhlen, sei in sich vollkommen. „Gleichzeitig sind sie Teil eines großen Puzzles, an dem ich mein ganzes Leben lang arbeiten werde.“ Ihn fasziniere der Kontrast zwischen Perfektion und ihrer Störung. So irritieren wie versehentlich aufgetragene pinkfarbene Sprühlinien auf der Leinwand mit eigentlich statisch verlaufenden Strukturen.

Der mit teils großformatigen Bildern arbeitende Maler und Zeichner wird nicht nur das Museum mit seiner Kunst gestalten, geplant ist es, in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken den Kuppelbau des historischen Wasserturms in Goch mit einer monumentalen Sprüh-Zeichnung zu versehen. Aus dem Fenster hinaus soll sich eine gesprayte Arbeit außerdem über die Außenfassade des Museums erstrecken, kündigt das Haus an.

Großes Interesse bei Schulklassen

Bei Schulklassen aus Goch, Weeze oder Uedem kommt die Kunst von Simon Röhlen übrigens richtig gut an: „Wir können uns vor Anfragen kaum retten“, freut sich die Museumspädagogin über das große Interesse. Seit der Künstler vor wenigen Tagen aus Berlin angereist ist, um seine Wald-Installation vor Ort anzufertigen, kommen Schüler nahezu aller Altersklassen, um ihm bei der Arbeit zuzusehen. Sprayen ist halt cool! Den Künstler freut’s. Geduldig und nahbar beantwortet er die vielen Schülerfragen.

>>> Simon Röhlen in Goch – 2. April bis bis 25. Juni 2023

Zeitgleich zur Eröffnung der Ausstellung für erwachsene Besucherinnen und Besucher bietet das Museum am Sonntag, 2. April, 11.30 Uhr, ein „kids opening“an.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in Kooperation mit der Neue Kunst Gallery Karlsruhe.

Das Museum ist dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet.

www.museum-goch.de