Geldern/Rees. Matthias Ahlbrecht absolviert einen Bundesfreiwilligendienst beim VSR-Gewässerschutz in Geldern. Der Verein sucht ganz bewusst ältere Bufdis.

Ein gesundheitlicher Schicksalsschlag hat das Leben von Matthias Ahlbrecht von jetzt auf gleich auf den Kopf gestellt: Er erlitt einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall. „Ich ahnte morgens nicht, dass ich abends berufsunfähig sein werde.“ Bis heute hat er nur eingeschränkt Gefühl in den Händen – eine Folge der Erkrankung. Seinen Job als Zahnarzt musste Ahlbrecht deshalb aufgeben. „Ich konnte und wollte mich aber nicht damit abfinden, einfach zuhause zu sitzen. Ich brauchte wieder eine Aufgabe“, erzählt er.

Der Reeser hat also im Internet recherchiert – und ist dabei auf den Bundesfreiwilligendienst (BFD) des VSR-Gewässerschutzes, einer gemeinnützigen Umweltschutzorganisation mit Sitz in Geldern, aufmerksam geworden. Der Verein hat explizit nach Bufdis im höheren Alter gesucht, die das Team von Geldern aus deutschlandweit an Infoständen und im Labormobil unterstützen. Das ist es, fand Ahlbrecht. Interesse an Umweltthemen habe er schließlich schon immer gehabt. Im Februar startete er also als Bufdi – mit 54 Jahren.

VSR-Gewässerschutz sucht Bufdis in Teilzeit

Seit 2017 bietet der VSR-Gewässerschutz den Bundesfreiwilligendienst an. Ganz klassisch für junge Menschen, die gerade ihren Schulabschluss in der Tasche haben, aber eben auch gezielt für ältere Personen sowie Rentnerinnen und Rentner. „Für viele Rentner oder Menschen, die sich neu orientieren, ist es eine starke Umstellung, wenn sie nach ihrem Arbeitsleben plötzlich keinen geregelten Arbeitsalltag mehr haben. Wir geben ihnen daher die Möglichkeit, sich weiterhin sinnvoll einzubringen“, erklärt Harald Gülzow, Vorsitzender im VSR-Gewässerschutz. Mit 21 Stunden pro Woche ist der BFD angesetzt. Dazu gibt es ein monatliches Taschengeld von 200 Euro, Sozialversicherungsbeiträge übernimmt der Verein.

Als Bufdi hat Matthias Ahlbrecht Harald Gülzow in diesem Jahr auf zwölf mehrtägigen Touren begleitet. Mit dem Labormobil ging es für die beiden für jeweils drei Tage quer durch Deutschland. Vom Rhein bis zur Oder, von der Ostsee bis zum Bodensee. Gemeinsam haben sie an den Infoständen Bürger über Belastungen im Grundwasser und deren Ursache beraten oder ihre mitgebrachten Brunnenwasserproben zur Analyse auf Bakterien entgegengenommen.

Matthias Ahlbrecht (Mitte) berät Brunnenbesitzer am Infostand des Labormobils.
Matthias Ahlbrecht (Mitte) berät Brunnenbesitzer am Infostand des Labormobils. © Anja Roth / VSR-Gewässerschutz

„Das war richtig spannend, und ich konnte auch erste kleinere Untersuchungen selbst durchführen“, erzählt Ahlbrecht. Soll beispielsweise nur der Nitratwert des Wassers bestimmt werden, kann die Probe direkt vor Ort im Labormobil untersucht werden. „Und wenn man dabei doch mal einen Fehler macht, wird einem nicht der Kopf abgerissen. Es gibt keinen Leistungsdruck.“

Wenn das Duo mit dem Labormobil längere Strecken unterwegs war, hatte es einen Wohnwagen dabei. Darin schlief der Bufdi. Das Labormobil selbst bietet ebenfalls eine Schlafmöglichkeit. „Ich bin früher nie campen gewesen. Ich finde das in den letzten sechs Monaten super, das ist wie Urlaub“, sagt Ahlbrecht lachend. Der Reeser habe Ecken von Deutschland gesehen, die er privat vermutlich nie besucht hätte, wie er sagt. „Das Havelland in Brandenburg hat mir richtig gut gefallen oder Großenknethen in Niedersachsen. Ein wunderschöner Ort.“

Für den Bundesfreiwilligendienst in Geldern sind keine Vorkenntnisse notwendig

Neben Matthias Ahlbrecht haben zwei weitere Senioren in den letzten Jahren schon einen Bundesfreiwilligendienst beim VSR-Gewässerschutz absolviert. Einer von ihnen war 66, der andere sogar schon 68 Jahre alt. „Ihr höheres Alter kommt ihnen meist entgegen“, betont Harald Gülzow. „Sie können auf viel Lebenserfahrung zurückgreifen und kommen mit unseren Interessenten, die meist älter als 40 Jahre sind, deutlich einfacher ins Gespräch.“

Der Freiwilligendienst dauert mindestens sechs und maximal 18 Monate. Matthias Ahlbrecht hat seinen zunächst siebenmonatigen Dienst auf ein Jahr verlängert. Danach stellt ihn der VSR-Gewässerschutz auf Mini-Job-Basis sogar ein. Dann ist er der erste Mann im Labormobil. Ein Bufdi würde ihn bei den dreitägigen Touren zwischen April und September begleiten. Dafür sucht der Verein allerdings noch einen Bundesfreiwilligen ab April 2023. Spezielle Vorkenntnisse sind dafür nicht erforderlich. Die Bufdis werden eingearbeitet. „Ein Führerschein der Klasse 3 beziehungsweise BE wäre von Vorteil, damit man sich bei den langen Touren am Steuer abwechseln kann“, sagt Gülzow.

Persönliches Gespräch statt schriftlicher Bewerbung

Wer Bufdi werden will, braucht keine Bewerbung zu schreiben, ein Anruf in der Geschäftsstelle in Geldern reicht. Bei einem persönlichen Gespräch wird dann geklärt, ob es zwischen dem Kandidaten und dem Gewässerschutz-Team passt. „Wir halten es bewusst niederschwellig. Wir wollen nicht, dass es gerade bei interessierten Rentnern am Verfassen einer Bewerbung scheitert“, so Gülzow.

Matthias Ahlbrecht hat sein freiwilliges Jahr als Bufdi überhaupt nicht bereut. Im Gegenteil: „Ich habe wieder das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Von den Bürgern wurde meine Arbeit auch geschätzt und anerkannt, das tut richtig gut.“

>>>Verein engagiert sich seit über 40 Jahren

Bereits 1980 entstand der VSR-Gewässerschutz als Zusammenschluss verschiedener Bürgerinitiativen im Rheineinzugsgebiet. Sein damaliger Name „Verein zum Schutze des Rheins und seiner Nebenflüsse“ beschrieb sein Programm. Mit der Zeit änderte sich der Arbeitsbereich.

Heute untersucht die Umweltschutzorganisation hauptsächlich Brunnen- und Trinkwasser auf Nitrat und Pestizide. Durch die Analysen werden Belastungen möglichst frühzeitig erkannt und eine Gefährdung von Menschen durch die Nutzung von Grundwasser kann verhindert werden.

Ansprechpartnerin für den Bundesfreiwilligendienst beim VSR-Gewässerschutz (Egmondstraße 5, 47608 Geldern) ist Anja Roth. Sie ist montags bis freitags von 9 bis 13 Uhr unter 02831/9731082 oder per Mail an: zu erreichen.