Am Niederrhein. Mit Wandgemälden wollen Kalkar, Emmerich, Wesel und Neuss die Geschichte der Hanse aufleben lassen. Auch niederländische Städte beteiligen sich.

Mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht und gekleidet in ein edles Gewand steht Helene Meurs als stolze Kaufmannsfrau auf dem Kalkarer Marktplatz, das historische Rathaus und ein gotisches Treppengiebelhaus in ihrem Rücken. Die 78-Jährige repräsentiert nicht nur ihre Stadt, sie steht zugleich für eine wirtschaftliche Blütezeit, in der Kalkar auf wirtschaftlichem, politischem und kulturellem Gebiet eine wichtige Rolle spielte.

Die Kaufmannsfrau stammt aus der Blütezeit der Hanse, jener Vereinigung wohlhabender Kaufmannsstädte zwischen der Mitte des 13. und dem beginnenden 15. Jahrhundert. Die Mitgliedsstädte der 2009 gegründeten Rheinischen Hanse wollen diese Zeit jetzt mit einer besonderen Initiative sichtbar machen.

Wandgemälde schaffen Erinnerung

In ihrem blauen Kleid ist Helene Meurs Teil eines gerade fertig gestellten, großformatigen Wandgemäldes an der Grabenstraße zwischen Museum und Klinik. Gemeinsam mit dem ebenfalls abgebildeten Kalkarer Künstler Hans-Hermann Bottenbruch wollen die städtischen Initiatoren des Gemäldes an diese Zeit erinnern. Und Kalkar ist mit dieser Aktivität nicht allein. Auch die Städte Emmerich, Wesel und Neuss auf deutscher Seite wollen mit Wandgemälden auf die Hansezeit aufmerksam machen.

Angelegt ursprünglich als grenzüberschreitendes Interreg-Projekt beteiligen sich außerdem zehn niederländische Städte entlang der Ijssel. Sie alle haben gemeinsam, dass sie nicht einfach nur erinnern, sondern die Hanse in gewissem Sinne in die Gegenwart holen wollen. So zeigt das Kalkarer Gemälde Helene Meurs mit einem Buch in den Händen, dem erst kürzlich erschienenen „Dorfroman“ des aus Kalkar stammenden Schriftstellers Christoph Peters. Und auch der malende/gemalte Bottenbruch ist in der Gegenwart ein Maler. So spiegelt die Vergangenheit die Gegenwart und umgekehrt.

Einheitlicher Stil in Emmerich, Neuss, Wesel und Kalkar

In Emmerich blickt man ebenfalls auf eine reiche Hansegeschichte zurück. „Embrica decora, das prächtige Emmerich, erlebte im 14. Jahrhundert seine Blütezeit und war eine wichtige Hansestadt“, sagt Dr. Manon Loock-Braun, Prokuristin der Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing GmbH. „Wir beschäftigen uns schon sehr lange mit der Wiederentdeckung dieser Zeit.“ Im Rahmen der Rheinischen Hanse, so Loock-Braun, halte man Kontakt miteinander, treffe sich jährlich zum Hansetag, der in diesem Jahr in Neuss stattfinde. Neben Kalkar/Grieth und Emmerich gehören auch Wesel und Neuss dazu. Eine Hauswand mit einem Hansemotiv zu gestalten, haben sich alle vier Städte gemeinsam ausgedacht. Um die Ausführung kümmert sich das niederländische Malerkollektiv „De strakke Hand“.

In Emmerich wird ein solches Gemälde in Kürze gegenüber der Post und in Nähe des Geistmarktes entstehen. Putzarbeiten werden dafür gerade ausgeführt. Das Motiv? „Zu sehen sein wird eine historische Handelssituation an der Rheinpromenade mit alten und neuen Elementen“, verrät Loock-Braun. Das sei auch in Wesel und Neuss so gedacht. „Wir wollen klar machen, dass alle Städte zusammengehören.“ In Kalkar verweist das überlebensgroße Gemälde auf diese Epoche, in der Waren von und nach Kalkar weite Wege unternahmen, in der so namhafte Meister wie Dries Holthuys, Arnt von Kalkar, Heinrich Douvermann oder Arnt van Tricht hier ihre großartigen Schnitzaltäre schufen, in der Kalkar eine wohlhabende Stadt war.

Hansetage: Tourismus sollte angeregt werden

Für die langjährige Kalkarer Stadtführerin Helene Meurs, die seit 30 Jahren Rundgänge zu 20 verschiedenen Themen anbietet, war das Eintauchen in die Hansezeit eine spannende Ergänzung. „1980 gab es im niederländischen Zwolle den ersten Hansetag“, erinnert sie sich. Die Stadt Lübeck, deren Gründung im Jahr 1143 als erste deutsche Ostseestadt allgemein als entscheidend für die Entwicklung der Hanse angesehen wird, habe sich damals bereit erklärt, die Hanse der Neuzeit zu gründen. „Kalkar wurde 1981 gebeten, ähnlich wie die übrigen Städte in der Region, daran teilzunehmen.“ Man wollte den Tourismus beleben, sieht Meurs. Auch Emmerich macht von Anfang an mit. „Wo auch immer die jährlichen Internationalen Hansetage stattfinden – wir sind dabei“, berichtet Loock-Braun von Reisen nach Riga, Bergen oder Rostock.

Helene Meurs erzählt den Besucherinnen und Besuchern ihrer Heimatstadt während der Hanseführungen von den dreiachsigen Treppengiebelhäusern, aus Backstein gebaute Kaufmannshäuser, die alle gleich breit sind und alle genau gleiche Maße haben mussten, damit hölzerne Fässer, die Handelscontainer des Mittelalters, dort hinein passten. Sie berichtet von der so wichtigen Rolle der Stadtwaage, der allein die Händler vertrauten in einer Zeit, in der es noch keine einheitlichen Maße gab. Sie macht anschaulich, warum ein Schnitzaltar von Meister Arnt von Kalkar in einer kleinen Kirche im norwegischen Trondenes steht. Der Altar wurde mit Trockenfisch aus Norwegen bezahlt.

Und die gelernte Hauswirtschaftsmeisterin macht sogar auf die rot-weißen Blenden an den Häusern in der so schön erhaltenen Kalkarer Altstadt aufmerksam. Bis heute erinnern sie an die Farben der Hanse. Während ihrer Führungen zeigt Helene Meurs, wie die Waren in den Häusern verladen und gelagert wurden und wie Handelsgüter von den Baltischen Ländern über Ost- und Nordsee und den Rhein bis nach Kalkar gelangten. So wie sie es jahrhundertelang auf diesem Weg auch nach Emmerich, Wesel oder Neuss schafften.

Die nächste Hanseführung mit Helene Meurs beginnt am 23. April um 14 Uhr ab dem Städtischen Museum, Kalkar, Grabenstraße. Anmeldung per E-Mail unter tik@kalkar.de oder unter 02824/13120