Kreis Wesel/Düsseldorf. Das Fördergebiet für die Bezuschussung beim Bau wolfsabweisender Zäune für Pferdebesitzer ist viel kleiner als das Wolfsgebiet Schermbeck.
Stephanie Grefen sorgt sich um ihre Pferde. Sie ist beunruhigt, vor allem, nachdem in Bottrop-Kirchhellen am Mittwoch ein Pony schwer verletzt wurde – mutmaßlich durch einen Wolf. Und auch an einem Haus im Hünxer Wald habe man erst am Donnerstag einen Wolf gesichtet, beschreibt eine Hünxerin gegenüber der NRZ-Lokalredaktion in Dinslaken. Zwar können Pferdehalter wie Stephanie Grefen – theoretisch – seit Januar Fördergelder für den Bau von Schutzzäunen oder der Anschaffung von Herdenschutzhunden beantragen. Doch das gilt längst nicht für alle Ponyhalter im Wolfsgebiet Schermbeck. Denn das Fördergebiet fällt ziemlich klein aus.
In der Förderkulisse sieht das NRW-Umweltministerium vor, Ponyhalterinnen und -halter in Teilen Bottrops, Oberhausen und Hünxe finanziell bei Herdenschutzmaßnahmen zu unterstützen. Selbst Schermbeck, dessen Name das Wolfsgebiet trägt, fällt nicht in das Fördergebiet. Auch Stephanie Grefens Stall an der Schermbecker Landstraße zwischen Schermbeck und Wesel findet keine Berücksichtigung.
Sie kann das Förderkonzept nicht nachvollziehen: Sie kritisiert, dass das Fördergebiet so klein ausfällt – nämlich nur auf die Gegend, in der es vor allem in der jüngsten Vergangenheit zu den Ponyrissen gekommen ist. Sie meint: Die dortigen Pferdehalter hätten bereits ihren Schutz längst finanziert oder sich Alternativen gesucht.
Antragsformulare fehlen noch
Außerdem sieht sie es als problematisch, dass Zäune erst gebaut werden können, wenn die Förderung genehmigt worden sei. So lange würden Pferdehalter in Sorge und Angst leben – zumal noch keine Formulare da sind, um die Zäune zu beantragen. Die würden zurzeit erstellt und seien voraussichtlich zu Beginn der nächsten Woche bei der Landwirtschaftskammer im Internet verfügbar, antwortet das nordrhein-westfälische Umweltministerium auf NRZ-Anfrage.
Auch Nadine Schmitz würde „sofort“ ihren bisherigen Zaun mit vier Litzen gegen einen wolfsabweisenden Zaun eintauschen, besonders weil sie zwei Fohlen erwartet. Sie betreibt einen Offenstall in Hünxe-Bruckhausen – und fällt ebenfalls aus dem Fördergebiet heraus. Bei einem Offenstall befinden sich die Pferde rund um die Uhr auf der Weide, statt eines Stalls gibt es einen Unterstand. Ein nächtliches Aufstallen, wie es Pferde- und Ponyhaltern empfohlen wird, ist hier – ebenso wie bei Stephanie Grefen - also gar nicht möglich.
Hünxerin sorgt sich um die Fohlen
Schmitz hatte bereits Stunden aufgebracht, um alle Infos und Kostenvoranschläge zu sammeln. 15 Euro pro Meter kostet ein solcher Zaun in etwa, der ihre vier Pferde vor den Wölfen rund um Gloria schützen soll, beschreibt sie. Ein weiteres Problem: Selbst wenn sie ins Fördergebiet fallen würde, könnte sie erst einen Zaun bauen, wenn die Fohlen geboren sind. Doch gerade in der Zeit kurz vor der Geburt und auch direkt nach der Geburt, wenn die Fohlen noch wackelig auf den Beinen sind, sorgt sie sich um die Tiere. Denn die trächtige Stute hätte im Fall eines Wolfsangriffs mit ihrem dicken Bauch schlechte Fluchtchancen.
Große Sorgen macht sich auch Linda Kruss, die ein Therapiereitzentrum betreibt. „Meine Pferde haben einen hohen ideellen Wert“, sagt sie. Sie seien aufwendig ausgebildet. Viele ihrer Ponys seien um die 1,40 Meter groß, das kleinste sei 1,20 Meter und würde dadurch ins Beuteschema des Wolfes passen, glaubt sie. Auch sie würde sofort einen wolfsabweisenden Zaun bauen, vor allem, weil sie von Wolfssichtungen in der direkten Umfeld wisse, sagt sie. Doch auch ihr Hof fällt nicht ins Fördergebiet. Sie befürchtet zudem, dass die bloße Anwesenheit des Wolfs bei ihren Therapiepferden einen solchen Stress auslösen könnte, dass die zuverlässige Therapiearbeit gefährdet werden könnte.
Bleibt die Frage, warum das Fördergebiet so klein ausfällt. Befürchtet das Land zu hohe Kosten, wenn das Fördergebiet ausgeweitet würde?
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Das Umweltministerium sagt auf Anfrage der NRZ, dass Wolfsgebiete im Vergleich zum eigentlichen Territorium (Streifgebiet), bundesweit relativ groß gewählt würden. Während sich das Wolfsgebiet Schermbeck über 957 km² erstrecke, umfasse das eigentliche Streifgebiet „erfahrungsgemäß“ nur etwa 200 km². Ein Monitoring des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz habe auch für das Schermbecker Wolfsgebiet diese Größe ergeben.
Laut Schadensstatistik reißen Wölfe selten Pferde
„Die Übergriffe auf ungeschützte Kleinpferde konzentrierten sich räumlich auf einen Bereich innerhalb des Streifgebiets. Die Förderung der Herdenschutzmaßnahmen für die betreffenden Haltungsformen von Pferden ist auf die Region beschränkt, in der es eine zeitliche und räumliche Häufung von Übergriffen auf gegen den Wolf ungeschützte Kleinpferde (Ponys) gegeben hat“, erklärt ein Sprecher des NRW-Umweltministeriums auf NRZ-Anfrage. Belege für diese Praxis sieht das Ministerium von Ursula Heinen-Esser (CDU) zum einen in Niedersachsen, zum anderen in der jährlichen bundesweiten Schadensstatistik der Dokumentations- und Beratungsstelle zum Thema Wolf. 96 Prozent der Nutz- und Haustierrisse durch den Wolf sind demnach Schafe, Ziegen und Gehegewild, 4 Prozent sind Rinder, meist Kälber, unter 1 Prozent „andere Weidetiere“, darunter auch Pferde. „Insofern ist die Wahrscheinlichkeit, dass Pferde außerhalb des Streifgebiets von Wolfsübergriffen betroffen sind, sehr gering. Daher wird erst dann eine Förderung von Herdenschutzzäunen unterstützt, wenn sich in einer Region derartige Übergriffe zeitlich häufen, wie dies im Oktober und November 2021 im Streifgebiet des Schermbecker Rudels der Fall war“, so der Ministeriumssprecher.
>>>Info: 60 Anfragen eingegangen
Laut NRW-Umweltministerium sind bisher keine Förderanträge von Pferdehaltern eingegangen, alle Interessenten seien aber registriert. Vor Antragstellung erfolgt die Herdenschutzberatung. Es seien rund 60 Beratungsanfragen zur Pferdeförderung eingegangen, die die Herdenschutzberatung gebündelt bearbeiten werde, sobald alle Unterlagen vorliegen. Weitere Infos: https://www.landwirtschaftskammer.de/