Rhein und Ruhr. Die Jugend wählt grün, hieß es vor der Bundestagswahl. Doch bei den Erstwählern lag die FDP vorne. Warum? Junge FDP-Wähler nennen ihre Gründe.

Diese Bundestagswahl ist eine Klimawahl, hieß es vor der Abstimmung. Zwei Tage vor der Bundestagswahl hatte Fridays for Future noch einmal bundesweit tausende junger Aktivisten mobilisiert. Doch unter den Erstwählern haben nicht die Grünen, sondern die Liberalen die Wahl knapp gewonnen. Wieso punktet die FDP gerade bei der jungen Generation so sehr?

„Die FDP hat für mich die konkretesten und besten Lösungen für unsere Probleme“, ist Lucas Reisch überzeugt. Er ist einer der 23 Prozent der Erstwähler, die bei der FDP ihr Kreuz gemacht haben. Für den 20-Jährigen sollte „die Freiheit das Fundament der politischen Entscheidung sein.“ Seit März ist er bei den Jungen Liberalen organisiert. Bevor er in die Jugendorganisation der FDP eingetreten ist, habe er sich die Wahlprogramme aller Parteien genau angeschaut, erzählt er im Gespräch mit der NRZ. An den Grünen stört ihn, „dass sie die Leute lieber bevormunden als nach guten Lösungen zu suchen.“ Für den 20-jährigen Studenten aus Moers ist die Politik der Liberalen „zielgerichteter“. Mit dem Programm der Grünen könne er nicht viel anfangen, auch wenn er viele Freunde hat, „die grün wählen.“

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Auch Klimabewegung Fridays for Future ist ihm zu unkonkret. „Ich war in der vergangenen Woche das erste Mal auf einer Fridays for Future-Demo“, erzählt der Moerser Jungliberale. Überzeugt hat ihn die Demo nicht, auch wenn die Bewegung wichtig sei, „um Druck auf die Parteien zu machen, damit das Thema Klima nicht vernachlässigt wird.“ Die Bewegung komme ihm oft „zu radikal“ rüber. „Wir sollten uns stattdessen anschauen, wie wir die Probleme aus der Mitte der Gesellschaft lösen können. Mir fehlt da bei der Bewegung wie bei den Grünen der Pragmatismus.“

Die FDP ist sehr aktiv in Social-Media-Kanälen

Bei aller Diskussion um den Klimawandel müsse man der jungen Generation „die Möglichkeit lassen, finanziell unabhängig zu bleiben. Wir können nicht einfach Schulden machen, sondern müssen auch in der Wirtschaft nachhaltig denken“.

Jugendforscher Simon Schnetzer weiß, wie wichtig das Thema Finanzen und Rente für junge Menschen ist. Seit 2010 veröffentlicht er die Studie Junge Deutsche. „Viele glauben nicht daran, dass sie genügend Rente bekommen, zumindest nicht über die bisher gängigen Rentenmodelle, den Bausparvertrag, das Sparkonto. Sie wissen: Es braucht eine Veränderung. Dafür steht aus ihrer Sicht die FDP“, wird er in „Die Zeit“ zitiert. Viele 18- und 19-jährige Studierende, mit denen er spreche, schauten auf Investmentfonds und wollten investieren, sobald sie etwas Geld übrig haben. Wenn sie dabei zum Beispiel in Immobilien investieren wollten, „dann ist grüne Politik vielleicht gar nicht so cool. Stichwort Mietpreisdeckel“, glaubt der Jugendforscher.

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Für Lucas Reisch ist wichtig, dass sich FDP und Grüne auf jeden Fall auf eine Linie einigen. Bei der Frage Ampel oder Jamaika ist der JuLi unentschlossen, hält die Frage jedoch eher für zweitrangig. „Union und SPD sind für mich die Parteien, die den Status quo vertreten.“ Aber ein „progressives Bündnis“ aus FDP und Grünen könnte Lösungen für die Zukunft bringen.

Viele Ansätze der Grünen nicht schnell umsetzbar

Ansprechend für die Jugend sei auch, wie sich die FDP präsentiert: „In den Social-Media-Kanälen sind die Liberalen sehr aktiv.“ Hier spiele der FDP in die Hände, dass sie im Wahlkampf die Digitalisierung mit in den Vordergrund gestellt hat. Erstwähler Luke Stratmann hat im Corona-Jahr als Studierender erlebt, „dass wir nicht die beste Technik haben.“ Der 19-Jährige studiert an der Uni Duisburg-Essen Wirtschaftsingenieurwesen, in den vergangenen Semestern online: „Eine Übungsleiterin hat alles aufgeschrieben und dann von dem Papier abgefilmt, weil sie einfach nicht die Ausstattung hatte“, nennt der Dinslakener ein Beispiel.

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Die Grünen in Duisburg freuen sich über zwei Bundestagsabgeordnete, Lamya Kaddor (2.v.l) und Felix Banaszak (2.v.r.). Parteisprecherin Julia Wenzel (1.v.l.) weiß, das sich die Basis eine Ampel-Koalition wünscht.
Von Rosali Kurtzbach und Tobias Harmeling

Er selbst wohnt am Rand der Stadt, „die Internetverbindung könnte besser sein.“ Luke Stratmann hat vor der Wahl gemerkt, „dass mich die Politik sehr interessiert“. So sehr, dass er seit wenigen Wochen bei den Julis ist. Im Corona-Jahr seien die Einschränkungen für die junge Generation schwierig gewesen, die Auseinandersetzung mit der Freiheit und den Grundrechten war da. Aber dies alleine hat Luke Stratmann nicht bewegt, sich für die FDP zu entscheiden. Die Partei habe ein realistisches Programm. Auch einige Ansätze der Grünen seien gut, „aber nicht so schnell umsetzbar.“ Klima sei ein wichtiges Thema und die Position der FDP „noch ausbaufähig.“

Dennoch überzeugt ihn bei der FDP der Politikstil. Andere Parteien, vor allem auch die Grünen, setzten auf Verbote. „Bei der FDP gehe es eher darum, Erleichterungen zu schaffen.“ Dass FDP und Grüne nun zusammenkommen müssen, findet er gut: „Die ergänzen sich doch gut.“ Und auch wenn die CDU „inhaltlich näher an der FDP“ sei, wünscht sich der JuLi „Olaf Scholz als Kanzler“. Der Persönlichkeit wegen. Armin Laschet kann bei Luke Stratmann nicht punkten.