An Rhein und Ruhr. Fast doppelt so viele Männer wie Frauen sitzen im Bundestag. Die Politikerinnen Sara Nanni und Bärbel Bas über gesellschaftliche Repräsentanz.

Sie hat es geschafft: Die Grünenpolitikerin Sara Nanni zieht in den Bundestag ein. Damit ist die 34-Jährige nicht nur eine der Jüngsten, sondern auch eine der wenigen Frauen aus NRW, die nach Berlin gehen. Laut einer Übersicht des Landeswahlleiters hat Nordrhein-Westfalen mehr als doppelt so viele Politiker wie Politikerinnen im neuen Bundestag. Unter den 155 Abgeordneten sind lediglich 49 Frauen.

„Im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern kommt es vor, dass das Interesse an meinen männlichen Kollegen größer ist“, schildert Nanni. Das läge daran, dass viele das Bild des weißen, älteren Mannes als Politiker vor Augen haben. Andere Rollenbilder, wie eine junge Mutter in der Politik, seien noch nicht normalisiert. „Es gibt nur wenige Parteien, die sich ernsthaft darum bemühen den Frauenanteil zu vergrößern“, so die Grünenabgeordnete aus Düsseldorf.

Trotz Steigerung zu 2017: Nur knapp 35 Prozent der Sitze im Bundestag gehören Frauen.
Trotz Steigerung zu 2017: Nur knapp 35 Prozent der Sitze im Bundestag gehören Frauen. © funkegrafik nrw | Pascal Behning

Die Grünen haben mit 57,1 Prozent den höchsten Frauenanteil unter den NRW-Parteien, 16 von 28 Abgeordneten sind weiblich. Bei der SPD erhielten Frauen 18 der 49 Mandate, also 36,7 Prozent. Zu den zwölf AfD-Abgeordneten gehört, wie schon vor vier Jahren, keine Frau. Bei der CDU sind neun der 41 Abgeordneten Frauen (22,0 Prozent), bei der FDP drei von 19 Abgeordneten (15,8 Prozent). Jeweils drei Frauen und Männer ziehen von der Linken aus NRW in den Bundestag ein.

Erststimmen gehen selten an Frauen

Von der Direktwahlliste sind lediglich elf von 64 NRW-Abgeordneten Frauen. Eine von ihnen ist die SPD-Politikerin Bärbel Bas aus Duisburg. „Eine Partei, die Politik für die Gesellschaft macht, sollte auch die Gesellschaft in sich widerspiegeln“, findet die Politikerin.

Und das gehe häufig nur durch Quotenregelungen. „Dann sind Männer gezwungen, sich nach qualifizierten Frauen umzuschauen“, so Bas, die seit 2009 im Bundestag sitzt. Dass der Frauenanteil im Bundestag noch immer so gering ist, liegt laut ihr auch am Wahlsystem: Gerade in Wahlkreisen, in denen der Amtsinhaber weiter kandidieren will, sei es schwer, das Muster als Frau zu durchbrechen und direkt gewählt zu werden.

Durch die Liste, in der die SPD per Reißverschlussverfahren abwechselnd nach Geschlecht auswählt, sei es für Frauen eher möglich, in den Bundestag zu ziehen. Bas ist sich sicher: Wer einen ausgewogenen Bundestag haben möchte, muss bei der eigenen Partei anfangen.

Interne Quotenregelung

Oft sei auch nicht nur die Anzahl der Frauen in einer Partei entscheidend, sondern die Posten, die diese einnehmen. Bei der SPD gäbe es deshalb seit vielen Jahren interne Quotenregelungen für Vorstände. In den Gremien läge die Frauenquote bei 30 Prozent und soll in Zukunft höher werden. Und das spiegle sich im Frauenanteil von knapp 37 Prozent im Bundestag wider.

Immer wieder gibt es Stimmen, die ein Gesetz für Geschlechterparität in deutschen Parlamenten fordern. Im Februar hatte das Bundesverfassungsgericht eine Klage für Geschlechterparität im Bundestag als unzulässig abgelehnt. Die Beschwerdeführerinnen hatten gerügt, dass es kein Gesetz in Deutschland gibt, Wahllisten gleichermaßen mit Männern und Frauen zu besetzen.

Politikwissenschaftler ordnet ein

„Wie hoch der Frauenanteil ist, kommt derzeit immer noch auf die Kultur innerhalb der Partei an“, sagt Stefan Marschall, Politikwissenschaftler an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Frauen würde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer noch davon abhalten, eine politische Position auszufüllen: „Die Arbeit müsste stärker von Digitalisierung geprägt werden, sodass man an Sitzungen von zu Hause aus teilnehmen kann.“

Zudem müssten die Parteien Frauen mehr motivieren einen wichtigen Posten einzunehmen: „Sie scheuen oftmals diese männerdominierte Kultur und unterschätzen sich selbst, anders als Männer es tun.“ Dabei gehe es beim Frauenanteil im Bundestag auch um das Bild, das das Parlament nach Außen trägt. „Wenn die Menschen aufs Parlament schauen und sich und ihre Interessen und Sichtweisen durch ihr Geschlecht vertreten fühlen, haben sie auch wieder mehr Vertrauen in die Entscheidungen.“

Durch den großen Anteil der Grünen im neuen Bundestag, die einen hohen Frauenanteil stellen, werde das weibliche Geschlecht bereits deutlich gestärkt. Ein weiterer Fortschritt: Erstmals ziehen auch Transfrauen, wie die NRW-Politikern Nyke Slawik, über einen Listenplatz in den Bundestag ein.