Im Rheinland. Laut einer Auswertung von Satellitenbildern waren 15.000 Hektar Landwirtschaftsfläche überschwemmt und bis zu 100 Höfe komplett unter Wasser.

Zerstörte Höfe, verschlammte Felder und abgesoffene Maschinen: Nach der Unwetter-Katastrophe vor bald zwei Wochen stehen Landwirte in Nordrhein-Westfalen teilweise vor den Trümmern ihrer Existenz. Laut einer ersten Auswertung von Satellitenbildern durch die Landwirtschaftskammer gibt es Überschwemmungsschäden auf rund 15.000 Hektar. Etwa 75 bis 100 Betriebe seien komplett oder gravierend überflutet gewesen, weitere teilweise.

Getreide, Erdbeeren, Spargel und anderes Gemüse, Grünland, Kartoffeln: Nachdem sich das Wasser zurückgezogen hat, liegt alles unter einer zähen Schlammschicht und fängt an, zu gammeln . Mit der Köln-Aachener Bucht hat die Katastrophe eine der landwirtschaftliche Kernregionen getroffen. Die Böden dort gehören zu den besten überhaupt.

Überschwemmung zur Erntezeit: „Das kannten wir noch nicht“

Schäden gibt es aber keineswegs nur linksrheinisch: „Auch das Bergische Land und das Sauerland sind massiv betroffen“, berichtete Kammersprecher Bernhard Rüb gegenüber der Redaktion. (26. Juli 2021). Eine Überschwemmung zur Erntezeit: „Das haben wir so noch gekannt.“ Zum Teil seien Höfe jetzt noch nicht erreichbar.

Viele betroffene Landwirte seien auch emotional sehr aufgewühlt. Nach und nach würden weitere Einzelschicksale bekannt: „Einen Landwirt im Kreis Heinsberg hat die Flut getroffen just, nachdem er seinen Hofladen komplett renoviert hat“, sagte Kammersprecher Rüb. Er betonte, dass es sich bei den Zahlen um erste Schätzungen handele

Teilweise sind Flächen für immer verloren

„Das Ausmaß der Schäden lässt sich noch gar nicht überblicken“, sagte auchder rheinische Bauernpräsident Bernhard Conzen. Beim Rheinischen Landwirtschafts-Verband (RLV) geht man allein entlang der Erft von hunderten betroffenen Höfen aus und mehr als 4000 Hektar Fläche mit regulierungswürdigen Schäden. Die Betroffenheit ist ganz unterschiedlich: „Das geht hin bis zum Totalverlust von Ernte oder Betriebsgebäuden“, sagte Conzen.

RLV zählt rund 15.000 Mitglieder

Der Rheinische Landwirtschaftsverband (RLV) ist einer von 18 Landesverbänden des Deutschen Bauernverbandes. Ihm gehören rund 15.000 Mitglieder an - darunter etwa 10.000 aktive Betriebe. Der RLV hat seinen Sitz in Bonn. (dum)

Teilweise seien auch Flächen für immer verloren. In Erftstadt-Blessem etwa seien landwirtschaftliche Grundstücke mit in die besagte Kiesgrube gerutscht: „Dort wird man nie mehr etwas anbauen können“, sagte der Bauernpräsident. Auch andernorts hätten die Fluten große Mengen des so fruchtbaren Bodens mit sich gerissen.

Versicherungsschutz: Vorbild Niederlande

Ausgerechnet nach drei Dürre-Jahren habe die Unwetter-Katastrophe die Landwirte erwischt, Rücklagen seien aufgebraucht. „Es ist keine Liquidität mehr da“, sagte der Bauernpräsident. Zur Absicherung sei in solchen Fällen eine sogenannte „Mehrgefahren-Versicherung“ nötig. Diese wird von der Versicherungswirtschaft in Deutschland zwar angeboten; ist aber laut Conzen für Landwirte de facto finanziell nicht zu stemmen.

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Der Bauernpräsident sieht hier im Sinne der Ernährungssicherung den Staat gefordert, Vorbild könnten die benachbarten Niederlande sein. „Dort werden bei solchen Versicherungen 75% der Prämie vom Staat übernommen“, sagte Conzen. Auf diese Weise unterstütze der Staat Landwirte bei der Absicherung nicht selbst verschuldeter Risiken.

Feuchtigkeit und Wärme begünstigen Pilze

Jenseits solcher Extrem-Ereignisse wie der Unwetter-Flut vor jetzt bald 14 Tagen wünscht sich der Bauernpräsident aber auch eine andere Diskussion über Pflanzenschutz-Mittel. „Da ist mir vieles zu einseitig, zu unsachlich, zu aufgeregt“, meinte Conzen. Diese Mittel dienten der Sicherung von Erträgen, gerade hierzulande sei ihre Zulassung mit hohen Hürden verknüpft.

Vorbild Niederlande: Bauernpräsident Bernhard Conzen fordert, dass der deutsche Staat Landwirte beim Abschluss von „Mehrgefahren-Versicherungen“ unterstützt.
Vorbild Niederlande: Bauernpräsident Bernhard Conzen fordert, dass der deutsche Staat Landwirte beim Abschluss von „Mehrgefahren-Versicherungen“ unterstützt. © NRZ

Wie notwendig Pflanzenschutz sei, mache das aktuelle Jahr deutlich. Feuchtigkeit und Wärme seien ideale Voraussetzungen für Pilzbefall und Schädlinge, weshalb Pflanzen geschützt werden müssten. „Kranke Pflanzen sind nicht leistungsfähig“, sagte Conzen.

Conzen: An Gentechnik und Genschere führt kein Weg vorbei

Bei der Weiterentwicklung von Saatgut werde man sich in Deutschland über kurz oder lang auch der Gentechnik und der sogenannten Genschere („Crispr“) öffnen müssen: „Das ist meine persönliche Meinung“, erklärte Conzen. Deutschland verliere sonst den Anschluss; ohne werde man die Ernährung der Weltbevölkerung nicht mehr hinbekommen.