An Rhein und Ruhr. Die Zahl der Rauschgift-Sicherstellungen im Post- und Paketverkehr hat sich im Corona-Jahr 2020 mehr als verdreifacht.
„Schmuggelwege haben sich verändert“, sagt Stefan Muhr, der amtierende Leiter des Zollfahndungsamtes Essen. Rauschgift-Sicherstellungen im Post und Paketverkehr haben sich bei seiner Behörde im Corona-Jahr 2020 mehr als verdreifacht, die Fallzahl schnellte von 988 auf 3083 in die Höhe. Haschisch, Crystal Meth, Neue Psychoaktive Substanzen - alles dabei.
Das für ganz Nordrhein-Westfalen und Teile Niedersachsen zuständige Zollfahndungsamt präsentierte an diesem Freitag (9. Juli 2021) seine Bilanz fürs vergangene Jahr. Knapp drei Tonnen Betäubungsmittel haben die Fahnder da wieder sichergestellt: Drogen, die auf allerlei Wegen gerade von den Niederlanden aus nach Deutschland gekommen waren - und eben immer öfter per Post.
Produktion unter unhygienischen Zuständen
Das hat nach Einschätzung der Ermittler viel mit Corona zu tun - konkret damit, dass in Lockdown-Zeiten ein unauffälliger Grenzübertritt schlecht möglich war. Ganz grundsätzlich nutzten Drogendealer aus den Niederlanden das deutsche Postsystem gern, um Ware nach Irland, Italien, Slowenien oder sonstwo hin zu verschicken. Das Postvolumen ist auf dieser Seite der Grenze größer; der Versand damit unauffälliger - so ist zumindest die Hoffnung. Zudem ist das Verschicken hier billiger, so Muhr.
50% mehr Ermittlungsverfahren bei Essener Zollfahndern
Nicht nur Rauschgift-Schmuggel beschäftigt die Essener Zollfahnder, sie haben es auch mit nicht entrichteten Zöllen und Verbrauchssteuern zu tun (zum Beispiel für Sisha-Tabak), mit Geldwäsche, Verstößen gegen Arzneimittelgesetz und missachteten Einfuhrbeschränkungen. Die Zahl der Ermittlungsverfahren überstieg im Jahr 2020 die 5000-er Marke. Sie lag damit um 50% über der des Vorjahres. Die Ermittlungen richteten sich gegen 5775 Tatverdächtige. Der aufgedeckte Steuerschaden lag bei mehr als 9,3 Millionen Euro. Das Essener Zollfahndungsamt ist das größte von bundesweit acht. (dum)
Konjunktur haben insbesondere die Neuen Psychoaktiven Substanzen (NPS). Die Zollfahnder haben hier fast zehn Kilo sichergestellt - was in diesem Fall eine ziemliche Menge ist. Es handelt sich um Kräuter, Pulver oder Tabletten, auf denen künstliche Wirkstoffe aufgebracht wurden. Die Produktion erfolgt unter teilweise sehr unhygienischen Zuständen.
Zunehmend auch Crystal-Versand per Post
Besonders „tricky“: Mitunter wird in der Schweiz legal angebauter, praktisch wirkstofffreier Hanf mit künstlichen Cannabinoiden besprüht - und damit zum Rauschmittel. Grundsätzlich ist das Problem bei diesen Drogen, dass die Wirkstoffkonzentrationen von Fall zu Fall stark variieren. „Das kann lebensgefährlich sein“, warnte Muhr.
Auffällig ist, dass zunehmend auch Crystal Meth aus den Niederlanden auf dem Postweg verschickt wird - bisher fast ausschließlich an Adressaten außerhalb von NRW. „Wir beobachten sehr genau, ob hier eine Konsumenten-Situation entsteht“, erklärte der amtierende Chef des Zollfahndungsamtes. Crystal Meth gilt als besonders tückisch.
Erhöhte Aktivität vor Lockdown-Maßnahmen
NRW gilt als Transitland, seit in den benachbarten Niederlanden eine Reihe von Crystal-Labore entstanden sind. Insgesamt stellte die Essener Zollfahnder 32 Kilo Crystal Meth sicher - etwa ein Drittel von der Menge des Vorjahres, allerdings verteilt auf wenige größere Sicherstellungen im Kilo-Bereich und ganz viele Postsendungen, teilweise nur wenige Gramm leicht.
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Bei anderen Drogenmengen hingegen íst die Sicherstellungsmenge gestiegen - und zwar deutlich. Im Vorfeld der Lockdown-Maßnahmen im November hatten die Zollfahnder eine erhöhte Aktivität der Drogenschmuggler registriert. Bei Amphetamin und Derivaten hat sich die Sicherstellungsmenge um mehr als 20% erhöht, bei Marihuana um fast 70% und bei Haschisch hat sie sich verdreifacht.
Aufwendige Ermittlungen im „Darknet“
Die Gesamtzahl der Rauschgift-Ermittlungsverfahren stieg bei den Essener Fahndern um 70% auf 4347. Verkauft und gekauft werden die Drogen oft in ohne weiteres zugänglichen Bereichen des Internets, im sogenannten „Darknet“. Die Beamten versuchen, Anbieter und Käufer zu ermitteln - durchaus mit Erfolg. „Wir sind auf dem Weg, Möglichkeiten und Technik zu entwickeln“, sagte Muhr.