Krefeld. Frank Andermahr aus Krefeld war einst Schüler von Joseph Beuys. Die Zeit an der Kunstakademie war für seinen späteren Lehrerberuf prägend.
1968 war ein verrücktes Jahr. Gesamtgesellschaftlich betrachtet, aber auch ganz persönlich für Frank Andermahr. Denn in diesem Jahr bewarb sich der Krefelder für die Kunstakademie Düsseldorf und wurde „glücklicherweise“ direkt angenommen. Kurz darauf zog er in die Landeshauptstadt, begann hier sein Kunststudium. Und wurde Schüler von Joseph Beuys.
Unbekannt war Andermahr der Künstler aus seiner Heimatstadt natürlich nicht. Aber spätestens nach den ersten Seminaren stand für ihn fest, dass er auch in Beuys’ Klasse wollte. „Mir hat dort die Atmosphäre am besten gefallen“, erinnert er sich mehr als ein halbes Jahrhundert später. „Beuys war gefühlt immer da und hat viele Gespräche geführt. Dadurch herrschte eine Lebendigkeit in der Klasse.“
Lehrersein als Kunstwerk
Doch was war Beuys eigentlich für ein Lehrer? Zuerst einmal, das betont der heute 74-Jährige, war er ein „ganz normaler Mensch“. Ein witziger Mann, der „unheimlich gerne gelacht hat“. Gleichzeitig aber konnte er auch schnell zu den ernsten Themen zurückkehren, konnte intensiv mit den Studierenden über ihre Arbeiten und seine Ansichten diskutieren.
Beuys hat die Tätigkeit als Lehrer immer als sein „größtes Kunstwerk“ bezeichnet. Das prägte auch Andermahr nachhaltig. „Mir war schon früh klar, dass ich auf Lehramt studieren wollte. Aber das wurde durch Beuys noch weiter unterstützt.“ Und so verwandelte auch er später seine 36 Jahre im Schuldienst in ein eigenes Kunstwerk.
„Jeder Mensch ist Künstler“
In all diesen Jahren versuchte der Krefelder vor allem eine Idee von Beuys seinen Schülerinnen und Schülern mitzugeben: „Durch die eigene Kreativität kann jeder die Welt aktiv mitgestalten.“ Um diesen Gedanken zu verbildlichen, verweist Andermahr auf den berühmten Fettstuhl. Kälte lässt das Fett erstarren, Wärme macht es formbar. „Das ist ein Gleichnis vom Leben“, sagt er. So wie Wärme hebt Kreativität den Stillstand auf, erst durch sie lässt sich eine Gesellschaft neu formen.
Und so verstand Andermahr auch das kreative Arbeit im Kunstunterricht stets als Schulung und Entfaltung der kreativen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler. „Mir ging es nie darum, den Leuten das Malen beizubringen. Sondern ihnen die Möglichkeit zu geben, ihren Gedanken und Vorstellungen Ausdruck zu verleihen“, betont er.
Persönlicher Zugang zur Kunst von Beuys
Das konnte sich in Plakaten für die Friedensdemos in Bonn widerspiegeln, zu denen Andermahr mit seinen Klassen ging. Oder in Deutschaufsätzen über Beuys’ Raumensemble „Barraque D’Dull Odd“, vor dem er mit seinen Schülerinnen und Schüler eine ganze Weile verweilte. An ein Erlebnis im Kaiser Wilhelm Museum kann er sich dabei besonders gut erinnern.
„Der Großvater eines Schülers war gerade gestorben und die Familie musste den Keller ausräumen. Dabei hatten sie ein Regal entdeckt, das so ähnlich aussah wie das von Beuys. Für den Schüler war der Anblick des Kunstwerks, als ob er seinen Großvater wiedergefunden hätte“, erzählt Andermahr. Einen persönlichen Zugang zur Kunst von Beuys zu finden, ist also möglich. „Manchmal muss man sich nur ein bisschen anstrengen“, hält er fest. „Und versuchen etwas zu verstehen, das zwar schwer verständlich ist, aber man gerne verstehen möchte.“
Alle bereits erschienen Teile unserer Serie „Beuys entdecken“ finden Sie hier.