Am Niederrhein. Joseph Beuys wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass hat NRW Tourismus die Radroute Beuys & Bike konzipiert. Ein Interview.
Herzlichen Glückwunsch, Joseph Beuys! Stolze 100 wärst du in diesem Jahr geworden. Doch was würdest du dir eigentlich wünschen, wenn du noch eine große Party schmeißen könntest? Aus politischer Sicht wärst du sicher schon ganz zufrieden. Junge Menschen protestieren immer freitags fürs Klima, eine Kandidatin deiner Lieblingspartei Die Grünen hat gute Chancen aufs Kanzleramt. Und aus künstlerischer Sicht? Bleibst du ebenso unvergessen wie deine noch immer heiß diskutierten Werke, keine Sorge!
Aber irgendetwas muss es doch geben, woran du an deinem runden Geburtstag Gefallen gefunden hättest. Vielleicht eine Radroute, die auf einer Strecke von 300 Kilometern alle Stationen deines Lebens am Niederrhein verbindet? Dieses Geburtstagsgeschenk macht dir, aber vor allem deinen Fans, NRW Tourismus. Und Geschäftsführerin Dr. Heike Döll-König kann auch genau erklären, was es mit Beuys & Bike auf sich hat. Wir haben extra mal bei ihr nachgefragt…
„Beuys & Bike“, das passt allein sprachlich schon wunderbar zusammen. Wie viel aber hatte Joseph Beuys selbst mit Radfahren am Hut?
Wir verlassen uns dabei immer auf die Zeugnisse von Biografen und Kunsthistoriker. Bekannt ist beispielsweise, dass Beuys schon als Kind mit seinem Vater zum Tabakkauf nach Nimwegen radelte. Als er dann in Düsseldorf lebte, fuhr er mit dem Rad immer von Oberkassel zur Kunstakademie. Und eine seiner letzten Arbeiten hieß „Is it About a bicycle“. Beuys hatte immer eine hohe Sensibilität für Themen, wählte sie nie ganz zufällig aus. Man kann daher schon davon ausgehen, dass das Radfahren für ihn eine Bedeutung hatte.
Hätte Beuys also die nach ihm benannte Radroute gemocht?
Das wissen wir natürlich nicht. Aber sicher ist, dass die niederrheinische Landschaft Beuys sehr geprägt hat. Gleichzeitig war er jemand, der die Kunst aus der musealen Präsentation befreit und selbst Spuren in der Landschaft hinterlassen hat. Das Naturthema lässt sich nicht von ihm lösen. Und deshalb hätte er sich vielleicht auch gefreut, wenn die Leute anlässlich seines Geburtstags raus in die Natur gehen.
An welchen Punkten zeigen sich Beuys’ Spuren in der niederrheinischen Landschaft?
Einer meiner Lieblingsplätze ist „Eiche und Basalt“ in Düsseldorf. Die Eiche stammt aus dem Projekt „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“, Beuys’ Beitrag zur documenta 7 in Kassel 1982. Es ist das Zeugnis einer bedeutenden Aktion, die heute noch absolut aktuell erscheint.
Wie ist die Radroute entstanden?
Das Tolle ist, dass wir am Niederrhein ein hervorragend erschlossenes Radwegenetz haben, unter anderem durch das Knotenpunktsystem. Wir mussten also nur die Wegeführung und das Storytelling zusammenführen. Der ADFC war außerdem mitbeteiligt und hat geschaut, ob die Radroute auch wirklich machbar ist. Unsere Webseite und ein Beuys & Bike-Flyer geben einen ersten Überblick über die Stationen der Strecke, die genauen GPX-Daten stehen online zum Download bereit.
Lassen sich die rund 300 Kilometer am besten in einem ganzen Radurlaub oder in einzelnen Tagesausflügen zurücklegen?
So ein Sommerurlaub am Niederrhein ist natürlich immer eine feine Sache. Man kann viel Beuys und Kunst, aber auch viel Landschaft erleben. Und vom Schloss bis zum Hausboot gibt es viele wunderbare Übernachtungsmöglichkeiten. Wir sehen deshalb die Radroute durchaus als Einladung, nicht nur einen Tagesausflug zum Niederrhein zu machen. Aber natürlich ist auch der möglich.
Gibt es denn für die Niederrheinerinnen und Niederrheiner selbst auch etwas Neues zu entdecken?
Wir erleben gerade in Corona-Zeiten, dass viele Menschen ihre eigene Region wiederentdecken. Der Niederrhein ist ein Paradies zum Radfahren und hier gibt es so viel zu sehen. Schloss Moyland steht natürlich sinnbildlich für Beuys. Ebenso wie das Museum Kurhaus Kleve, das für mich einer der schönsten Orte des Landes ist. Aber die Radroute führt auch an Orten wie Viersen entlang, wo im Skulpturenpark hochkarätige Skulpturen stehen. Das sind so Entdeckungen, die sich lohnen. Gerade jetzt.
Wie wird Beuys & Bike bislang angenommen?
Die Nachfrage war von Anfang an groß, einige sind auch schon die Strecke abgefahren und das schien gut zu klappen. Insgesamt scheint die Radroute einen Nerv zu treffen. Schließlich ist es nicht nur eine Möglichkeit, Strecken abzufahren, sondern auch Kultur zu erleben. Ich denke, dass wir diese Verbindung von Radfahren und Kulturerleben generell in NRW noch weiter ausbauen können. Es wäre schön, wenn Beuys & Bike nicht das letzte Projekt dieser Art wäre.
>>> Die NRZ nimmt mit auf die Radroute Beuys & Bike
Joseph Beuys wurde am 12. Mai 1921 in Krefeld geboren und wuchs in Kleve auf. Nach seinem Einsatz bei der Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg kehrte er nach Kleve zurück. 1946 schrieb er sich für ein Studium der Monumentalbildhauerei an der Kunstakademie in Düsseldorf ein, wo er später auch als Professor lehrte.
In seinem Werk setzte sich Beuys mit gesellschaftlichen Fragen auseinander. Er löste den Kunstbegriff vom Kunstwerk und erweiterte ihn auf menschliches Handeln, das sich auf die Gesellschaft auswirkt. Im Sinne des „Erweiterten Kunstbegriffs“ ist also jeder Mensch ein Künstler.
Unsere Serie beleuchtet einige Stationen der Radtour Beuys & Bike und begibt sich somit auf die Spuren von Beuys am Niederrhein. Wir sprechen mit einer Kunstvermittlerin, einem Lokaljournalisten, einem Schüler von Beuys und vielen mehr. In der kommenden Folge geht’s um das erste Atelier von Beuys.