Aus den Niederlanden. Keine Großstadt hat im Verhältnis zur Einwohnerzahl seit Pandemie-Beginn so viele Fälle wie Venlo registriert. Rätselraten über Gründe.

Corona-Hotspot an der Grenze zu NRW: Die niederländische Stadt Venlo verzeichnet seit Beginn der Pandemie im Vergleich mit anderen Großstädten im Land die meisten bestätigen Infektionen pro 100.000 Einwohner. Das hat eine redaktionelle Auswertung von Daten des zuständigen Gesundheitsinstituts RIVM mit Stand 27. April ergeben. Verglichen mit den 30 anderen Städten und Gemeinden in den Niederlanden, die über 100.000 Einwohnern zählen, wurden in der Grenzstadt Venlo in der Region Nordlimburg bislang die meisten Corona-Fälle gemeldet.

Während Venlo aktuell bei einer Gesamtinzidenz von 11.264,6 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern liegt, kommen selbst Metropolen wie Amsterdam (9062,7) und Rotterdam (10391,1) auf geringere Werte. In absoluten Zahlen heißt das: In Venlo gab es bis jetzt mehr als 11.500 bestätigte Corona-Infektionen, mehr als jeder zehnte Einwohner der Stadt ist damit nachweislich mit dem Virus infiziert worden.

Deutsche Seite der Grenze mit geringeren Corona-Inzidenzen

Wie hoch diese Zahl ist, fällt vor allem beim Vergleich mit der deutschen Seite der Grenzregion auf. Mit etwas unter 10.000 Infektionen seit Pandemie-Beginn hat beispielsweise der gesamte Kreis Kleve weniger registrierte Fälle als die niederländische Stadt – allerdings wohnen dort mehr als drei Mal so viele Menschen (ca. 310.000) wie in Venlo (ca. 101.00).

Das macht sich auch beim Blick auf die Gesamtinzidenzen, also die Fälle auf 100.00 Einwohner gerechnet, deutlich bemerkbar: Der Kreis Kleve etwa hat laut aktuellen Zahlen des Robert Koch Instituts eine Inzidenz von 3.181,2, der Kreis Viersen 3.498,6. Nicht nur im Vergleich mit eher ländlich geprägten Landkreisen ist Venlo auffällig: Auch in Duisburg liegt die Gesamtinzidenz bei 5.222,19, in Düsseldorf bei 3.572,1 und für Krefeld wurde jüngst ein Wert von 4.430,6 gemeldet.

Venlo: Limburgische Grenzstadt ist Corona-Hotspot

„Es fällt in der Tat auf, dass in Limburg-Nord seit einiger Zeit die Zahlen mit am höchsten sind, aber man muss sich genau vor Ort schauen, woran es liegt“, sagt Alexander Friedrich, Mediziner am Universitätsklinikum Groningen. „Was früher Brabant war, ist jetzt Limburg. Das ist auffallend“, sagt auch Mediziner Andreas Voss mit Verweis auf die einst so hohen Zahlen in Region Brabant im Süden des Landes. Der Infektionsmediziner ist Professor an der Radboud Universiteit in Nimwegen und Mitglied des Outbreak Management Teams, einem regierungsberatenden Gremium.

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Doch woran kann es liegen, dass vor allem das nordlimburgische Venlo zu dem Coronahotspot unter den niederländischen Großstädten geworden ist? Die Gemeinde Venlo äußert sich auf Anfrage unserer Redaktion nicht zu möglichen Gründen. Auch die zuständige Sicherheitsregion Limburg-Nord teilt mit, sie habe über die Gründe derzeit keine Erkenntnisse.

Hohe Inzidenz: Alles eine Frage der Demografie?

„Was man auch sagen würde, es sind alles Spekulationen“, sagt Mediziner Andreas Voss. Doch er äußert einige Vermutungen. „Ist es die Festmentalität der Menschen im Süden, die bekannt sind als fröhliche Menschen, oder Umwelt und soziale Aspekte mit Einfluss auf den allgemeine Gesundheitszustand und die Lebenserwartungen in den Regionen? Es wäre gut, nach einer Antwort zu suchen, aber ich habe sie nicht.“

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Auch Alexander Friedrich vermutet eine Verbindung zwischen den Ausbrüchen und Bevölkerungsstruktur. „Einzelne Ausbrüche haben einen großen Einfluss auf die Inzidenz“, so Friedrich. „Ich kann mir vorstellen, dass es mit der entsprechenden Demografie zu tun hat und auch mit der Tatsache, dass es in der Grenzregion häufig Ausbrüche in Pflegeheimen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen gab.“

Die aktuellen Wocheninzidenzen auf der niederländischen Seite der Grenzregion bleiben weiterhin hoch. Am Dienstag 27. April wurden folgende Werte gemeldet: Venlo (471,50), Montferland (424,9), Nimwegen (317,4), Arnheim (254,1). Zum Vergleich: Im Kreis Kleve lag der Wert bei 161,0, im Kreis Viersen bei 137,5.