An Rhein und Ruhr. Noch nie waren Bücherschränke so gefragt wie während der Pandemie. Die NRZ hat sich eine ganz besondere Aktion mit den Schränken überlegt.

Bücherschränke erleben gerade in Corona-Zeiten einen regelrechten Boom. Im Rahmen unserer Serie zum 75-jährigen NRZ-Jubiläum haben wir das zum Anlass genommen und selbst 75 Bücher auf die Reise durchs NRZ-Land geschickt. Von Emmerich bis Düsseldorf liegt nun in den Bücherschränken der Städte neue Kinder,- Jugend- und Erwachsenenliteratur aus. Die meisten dieser Bücherschränke hat der Kölner Architekt Hans-Jürgen Greve gebaut.

642 Bücherschränke gebaut

60 Zentimeter breit, 2,10 Meter hoch, mit einer glänzenden Messingverkleidung und mit einem Fassungsvermögen von bis zu 450 Exemplaren – so sehen die Bücherschränke von Greve aus. Der gelernte Schreiner hat in den vergangenen 13 Jahren insgesamt 642 dieser Schränke gebaut und auf der ganzen Welt aufgestellt. „Mein erster Schrank steht am Bonner Bogen. Ihn habe ich ganz alleine gebaut und am 1. Oktober 2008 auch alleine aufgestellt“, erinnert sich der Kölner.

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Mittlerweile hat er vier Festangestellte und drei freie Mitarbeiter, mit denen er die Aufträge bearbeitet. „Irgendwann wurde jemand gebraucht, der die Schränke professionell baut. Mir hat das Konzept gefallen, eine Begegnungsstätte für die Menschen im öffentlichen Raum zu schaffen“, erklärt Greve. Besonders wichtig sei dabei, den richtigen Standort in einer Stadt zu finden. Für Greve als Feng-Shui-Meister eine „faszinierende und spannende Aufgabe“.

Erster Bücherschrank Deutschlands steht in Bonn

Der allererste Bücherschrank Deutschlands wurde 2003 übrigens von der Innenarchitektin und Designerin Trixy Royeck an der Poppelsdorfer Allee in Bonn aufgestellt. Damals war die Hülle der Schränke noch aus Cortenstahl und weil die Scharniere nicht richtig gehalten haben, seien auch die Bücher bei Regen nass geworden, erinnert sich Greven. „Die Idee war süß aber es war eine Schande, dass die Bücher durch die Witterungsbedingungen gelitten haben. Also habe ich mich entschieden, einen neuen Entwurf vorzulegen“, sagt Greve. Daraus sind dann seine „Bokxen“ entstanden, wie er seine Bücherschränke nennt.

Bis heute bearbeitet er Anfragen aus Kalifornien, Japan oder Bilbao. „Am weitesten entfernt ist die Bokx in Baku, Aserbaidschan“, sagt Greve.

Paten übernehmen Pflege der Bücherschränke

Die meisten seiner Schränke sind jedoch in seinem Heimatbundesland, in Nordrhein-Westfalen zu finden. 220 Stück hat er hier aufgebaut. Acht davon stehen alleine in Düsseldorf. „Den ersten haben wir damals, 2011, am Rheinufer aufstellen lassen“, weiß Maren Jungclaus vom Kulturbüro NRW zu berichten. Sie leitet das Projekt „Offene Bücherschränke“ in Düsseldorf. Das Kulturbüro ist jedoch nur Ansprechpartner, wenn es um Schäden an den Bücherschränken geht oder wenn sich jemand an dem Schrank verletzt. „Den Rest übernehmen die Patinnen und Paten“, erklärt sie. Ein Projekt von Bürgern für Bürger. Denn auch die Finanzierung der Schränke geschieht durch Spenden der Menschen, die in der jeweiligen Stadt leben.

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„Ich merke gerade in der Corona-Zeit, dass viele Menschen nach einer sinnstiftenden Tätigkeit suchen, ohne dabei direkten Kontakt mit Menschen zu haben. Gerade momentan freue ich mich über enorm viele fleißige Helfer, die die Bücherschränke kontrollieren, beispielsweise Zeitschriften aussortieren, weil diese da einfach nicht reingehören“, sagt Jungclaus. Die Pflege der Schränke liegt beim Kulturbüro. Um Vandalismus zu verhindern, ist Jungclaus sehr darauf bedacht, dass die Bücherschränke immer sauber sind. „Wir haben zum Glück wenig Schäden an den Schränken. Aber Vandalismus fängt immer dann an, wenn die Schränke schon unordentlich aussehen“, deshalb hat das Kulturbüro Jungclaus auch eine 450-Euro-Kraft zur Seite gestellt.

Menschen sortieren in der Corona-Krise viele Bücher aus

Gerade während der Pandemie seien die Bücherschränke so gefragt wie noch nie und die Pflege deutlich intensiver. „Die Menschen sortieren ihre Bücher aus und unsere Schränke, zumindest in Düsseldorf, sind vollkommen überfüllt“, weiß Jungclaus zu berichten.

Dennoch freue sie sich über den „unglaublichen Erfolg“. Es sei schön, dass die Bücherschränke mittlerweile „ganz selbstverständlich zum Bild“ einer jeden Stadt gehören. Auffällig sei, dass in jedem Bücherschrank „mindestens ein Simmel zu finden“ ist. Immer häufiger würden auch fremdsprachige Titel dort platziert. „Ein bisschen mehr Jugendliteratur würden wir uns noch wünschen“, sagt Jungclaus. Insgesamt seien die Bücher, die in den Schränken abgelegt werden, immer gut erhalten.

Und noch nie seien Bücherschränke so gefragt gewesen, wie in Pandemiezeiten. Deshalb sollen in Düsseldorf in nächster Zeit noch drei weitere Bücherschränke aufgestellt werden.

Bücherschränke unterstützen Handel

Dass durch die Bücherschränke dem in der Krise ohnehin schon angeschlagenen Buchhandel die Kunden wegbleiben, kann sich Jungclaus nicht vorstellen: „Bücherschränke locken ein ganz anderes Klientel an Lesern an. In eine Buchhandlung gehe ich, wenn ich ein neues Buch in den Händen halten will, vielleicht auch einen bestimmten Titel, den ich längst im Kopf habe.“

In Bücherschränken wollen die Menschen eher stöbern und Neues entdecken. „Oft bekommen wir auch die Rückmeldung, dass eines der Bücher zum Kauf in einer Buchhandlung führt“, sagt Jungclaus. Praktisch, wenn der Bücherschrank dann, wie in Düsseldorf-Kaiserswerth, direkt vor einem Buchladen steht...