Am Niederrhein. Ab 1. März gelten in NRW auf 165.200 Hektar verschärfte Düngerregeln. Scharfe Kritik von BUND und Grünen - “Schönrechnerei“.
Erst war es der Regen - und dann der Schnee, der verhindert hat, dass Landwirte in Nordrhein-Westfalen die erste Gülle ausfahren. Kalendarisch ist das ab dem 1. Februar möglich - aber eben nur, wenn der Boden die Nährstoffe auch aufnehmen kann. Pünktlich bevor die neue Düngesaison also losgeht, hat das NRW-Umweltministerium an diesem Mittwoch (10. Februar 2021) den endgültigen Zuschnitt der "roten Gebiete" präsentiert - jener Gebiete, in denen besonders strenge Düngerregeln gelten, weil das Grundwasser bereits stark mit Nitrat belastet ist.
Sie fallen bemerkenswert klein aus - jedenfalls im Vergleich zu ihrer früheren Größe. Noch zu Jahresbeginn 2020 war man von 828.000 Hektar ausgegangen - nun sind es 165.200 Hektar, in denen 20% unter Bedarf gedüngt werden muss - unterm Strich 11% der landwirtschaftlichen Nutzfläche in NRW. Die Reduzierung ist das Ergebnis neuer Messdaten und einer differenzierten Betrachtung der tatsächlichen Grundwasserbelastung - anhand von Modellierungen und Berechnungen, wissenschaftlich fundiert, wie das Ministerium betont. Die Gebietskulisse gilt ab dem 1. März und resultiert aus der neuen Bundesdüngeverordnung.
Niederrhein ist ein Schwerpunkt der roten Gebiete
Noch zu Beginn dieses Jahres war man auf Basis vorläufiger Zahlen von rund 350.000 Hektar ausgegangen. Dass die Fläche jetzt nochmal so bedeutend kleiner wurde, hat laut Ministerium mit der endgültigen Ausdifferenzierung der tatsächlichen Belastungen zu tun - vor allem aber mit den noch eingearbeiteten regionalen Nährstoffbilanzen. Die "roten Gebiete" verteilen sich wie kleine (und größere) Tupfer über die komplette NRW-Karte. In einigen Regionen ist mehr Rot als anderswo - beispielsweise am Niederrhein, linksrheinisch in den Kreisen Viersen und Kleve.
"Sauberes Grundwasser ist unser höchstes Gut", versicherte Ministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). Die strengeren Düngerregeln resultieren daraus, dass die EU-Kommission Druck gemacht hatte. Nach einer erfolgreichen Klage vorm Europäischen Gerichtshof drohten der Bundesrepublik sogar Strafzahlungen von 850.000 Euro pro Tag, falls Deutschland nicht mehr für den Grundwasserschutz tut.
Eigene Anlaufstelle für betroffene Landwirte
Für die betroffenen Landwirte hat das Ministerium eine eigene Anlaufstelle geschaffen mit Experten aus dem Ministerium, dem Landesumweltamt und der Landwirtschaftskammer. Die Fachleute sollen Fragen insbesondere zur konkreten Gebietsausweisung beantworten. Zudem steht seit Jahresbeginn im Internet ein "Düngeportal" bereit. Es soll Landwirten helfen, die Vorgaben der neuen Düngeverordnung umzusetzen. Und es gibt einen neuen Leitfaden für optimale Düngung mit Stickstoff im Freilandgemüsebau.
Der Rheinische Landwirtschafts-Verband spricht von "einer sachgerechteren Einstufung der Grundwasserkörpersituation". "Das Ministerium hat Wort gehalten und den angekündigten letzten Schritt zur Ermittlung der nitratbelasteten Gebiete vollzogen", stellte Bauernpräsident Bernhard Conzen fest. Anhand von Messergebnissen und Modellrechnungen werde deutlich, dass die rückläufigen Nährstoffbilanz-Überschüsse der Landwirtschaft dazu beitragen, die Gewässersituation weiter zu verbessern. Örtlich gelte es noch einige Sonderfälle zu klären.
BUND: Grundlagen der Berechnung nicht nachvollziehbar
Scharfe Kritik kommt vom Umweltverband BUND und der Opposition im Landtag. Norwich Rüße, der umweltpolitische Sprecher der Grünen, staunt über die Reduktion von mehr als 50% der Fläche allein in den wenigen Wochen seit Jahresbeginn ("wie ein Wunder"). Den einzelnen Landwirt möge das zwar freuen, die Umweltpolitik aber verliere an Glaubwürdigkeit: "Und verlieren wird der Gewässerschutz in NRW, die extreme Reduktion ist lediglich politisch motiviert", ist Rüße überzeugt.
"Es entsteht der Eindruck, dass die Landesregierung schön rechnen will", klagt auch Henry Tünte, Gewässerexperte des BUND. Die Grundlagen der Berechnung seien nicht nachvollziehbar und nicht offen kommuniziert. So sei der Nährstoffbericht der Landwirtschaftskammer bisher noch unveröffentlicht. "Tatsache ist, dass die zu hohen Tierzahlen stagnieren und die Menge organischer Düngemittel nicht abgenommen hat", so Tünte weiter. Damit bleibe die Ursache für das Nährstoffproblem ungelöst.