Am Niederrhein. Bei einer Aktion am Niederrhein und in Düsseldorf stellen Ermittler Millionen illegale Zigaretten und Bargeld sicher – und Schießkugelschreiber.

Ein Lastwagen voll unversteuerter Zigaretten, bündelweise Bargeld - und ein Hauch von James Bond: Essener Zollfahnder haben eine Bande von polnischen Tabakschmugglern zerschlagen, die wohl den britischen Schwarzmarkt bedient hat. Die Ermittler stellten fast 3,5 Millionen Zigaretten sicher, dazu mehr als 120.000 Euro und Waffen, wie man sie aus Spionagethrillern kennt.

Fünf Schießkugelschreiber seien bei einem Beschuldigten entdeckt worden, teilte das Zollfahndungsamt Essen an diesem Freitag (20. November 2020) mit. Neun Personen wurden vorläufig festgenommen, gegen vier von ihnen ergingen Haftbefehle. Insgesamt elf Wohnungen, Lagerstätten und Büros in Düsseldorf, Krefeld, Mönchengladbach, Tönisvorst und in Meerbusch wurden durchsucht. Vorausgegangen waren rund einjährige Ermittlungen.

Lkw auf der A 2 in Ostwestfalen abgefangen

Zollfahnder und Staatsanwaltschaft Düsseldorf waren in einer konzertierten Aktion gegen die Bande vorgegangen. In der Nacht zum 10. November war zunächst auf der A 2 in Ostwestfalen ein aus Polen eingereister Lkw abgefangen worden. Auf der Ladefläche entdeckten Beamte in Kartons insgesamt 17.450 Stangen unversteuerter und wohl gefälschter Zigaretten der Marke „Blue Richmond“. Danach folgten die Durchsuchungen am Niederrhein. „Blue Richmond“ wird in Großbritannien geraucht, ist in Deutschland aber legal kaum erhältlich.

Auch interessant

Haftbefehle ergingen gegen die mutmaßlichen Köpfe der Bande (39 bis 42 Jahre) sowie gegen den 43-jährigen Lkw-Fahrer. Die übrigen Beschuldigen wurden nach ihrer vorläufigen Festnahme wieder auf freien Fuß gesetzt, die Ermittlungen dauern an. Die in der Wohnung eines Hauptverdächtigen sichergestellten Schießkugelschreiber zeigen nach Ansicht der Ermittler das Gewaltpotenzial der Bande: „Das sind tückische Waffen, mit denen man töten kann“, sagte Heike Sennewald vom Zollfahndungsamt Essen auf Nachfrage der Redaktion. Die „Kugelschreiber“ würden derzeit waffentechnisch untersucht.

Hohe Gewinnspannen locken Tabakschmuggler

In Großbritannien und Irland sind Zigaretten sehr teuer, hohe Gewinnspannen locken Tabakschmuggler. „Trotz der angestrebten europäischen Verbrauchsteuerharmonisierung liegen die Preise für eine Stange Zigaretten in Polen bei etwa 30 Euro, in Großbritannien und Irland bei bis zu 100 Euro“, erklärt Sennewald. Die im August in Kranenburg bei Kleve ausgehobene, illegale Zigarettenfabrik bediente offenbar ebenso den Schwarzmarkt in Großbritannien - auch dort waren u. a. vermeintliche „Blue Richmond“-Zigaretten produziert worden. Der Großeinsatz im August gilt in Deutschland als einer größten Schläge gegen illegalen Tabakhandel .

„Tückische Waffen“: Die in der Wohnung eines Verdächtigten entdeckten Schießkugelschreiber werden untersucht.
„Tückische Waffen“: Die in der Wohnung eines Verdächtigten entdeckten Schießkugelschreiber werden untersucht. © ZFA Essen | ZFA Essen

Einen direkten Zusammenhang zwischen beiden Fällen scheint es nicht zugeben. Im Verlaufe mindestens eines Jahres dürfte aber auch diese Tätergruppe jetzt einen ziemlichen Reibach gemacht haben. Nach Erkenntnissen der Ermittler hat sie ihre Ware über Belgien nach Großbritannien gebracht,. Allein bei den jetzt sichergestellten Zigaretten liegt der Steuerschaden bei rund 550.000 Euro. „Die Täter sind sehr konspirativ vorgegangen“, erklärte Zollfahndungsamtssprecherin Sennewald.

Trend: Ganze Lkw-Ladungen statt „Ameisenhandel“

2019 hatten die Essener Zollfahnder insgesamt 3,2 Millionen illegaler Zigaretten sichergestellt . Die Aufgriffe im laufenden Jahr dürften diese Menge locker toppen. Überhaupt beobachten die Zollfahnder, dass die kriminellen Banden offenbar wieder vermehrt ganze Lkw-Ladungen auf die Reise schicken. In den Jahren zuvor waren eher kleinere Mengen unterwegs gewesen, die Ermittler sprechen von „Ameisenhandel“. Dass der Niederrhein und NRW beim Schmuggel eine wichtige Rolle spielen, habe schlicht mit der geografschen Lage in Europa zu tun; von einer „Drehscheibe“ will man beim Zollfahndungsamt aber nicht sprechen.