An Rhein und Ruhr. Jahresbilanz 2019: Die Sicherstellungen synthetischer Drogen durch die Zollfahnder in NRW haben sich teilweise fast verzehnfacht.

Zollfahnder haben im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen und Teilen Niedersachsens enorme Mengen synthetischer Drogen sichergestellt. Bei Ecstasy hat sich die Menge gegenüber 2018 fast verzehnfacht, beim sehr gefährlichen Crystal Meth mehr als versechsfacht, bei Amphetamin gab es ein Plus von 40% - das geht aus der an diesem Montag (18. Mai 2020) veröffentlichten Jahresbilanz des Zollfahndungsamtes Essen hervor.

Konkret hatten es die Zollfahnder zu tun mit insgesamt über über einer Million Ecstasy-Pillen, rund 443 Kilo Amphetamin und 97 Kilo Crystal Meth. Damit man einen Eindruck gewinnt: Eine einzelne Ecstasy-Tablette kostet im Straßenverkauf durchschnittlich 7,10 Euro. Das Gramm Amphetamin ist für 11,30 Euro zu haben, bei Crystal ist man mit 84 Euro pro Gramm dabei.

Offenbar mehr Drogenküchen in den Niederlanden

Die Zahl der Drogenverfahren insgesamt stieg beim Zollfahndungsamt Essen (ZFA) um 20% auf 2575 Verfahren. Die Behörde ist für NRW sowie die niedersächsische Grafschaft Bentheim mit dem Emsland zuständig. Das Gros der synthetischen Drogen kommt aus den Niederlanden. „Seit einigen Jahren steigen die Sicherstellungen an der Westgrenze“, sagte eine ZFA-Sprecherin auf Nachfrage der Redaktion. Medienberichte legen nahe, dass die Zahl der Drogenküchen in den Niederlanden zugenommen hat.

Insbesondere Crystal-Produzenten scheinen ihre Labore dorthin verlegt zu haben. Bisher waren diese vor allem in Tschechien angesiedelt, dort hat aber der Ermittlungsdruck durch die Polizei deutlich zugenommen. Nach Erkenntnissen der Essener Zollfahnder ist NRW für das aus den Niederlanden kommende Crystal zumindest bislang Transitland.

Crystal Meth: Lieferungen durch NRW in den Osten

Die Crystal-Lieferungen sind für Osteuropa, aber auch für ostdeutsche Bundesländer bestimmt. Immer wieder geht es um sehr große Mengen. Für Aufsehen sorgte der Fall der niederländischen Spitzensportlerin Madiea G., die im Juli 2019 vom Zoll in Emmerich mit unter anderem dreizehn Kilo Crystal Meth erwischt worden war. Die Droge gilt als besonders gefährlich, weil sie sehr schnell süchtig macht und dramatische körperliche Verfallserscheinungen hervorrufen kann.

Dealer haben Onlinehandel für sich entdeckt

In dunkeln Ecken des Internets bestellt, per Post zum Konsumenten: Drogendealer haben den Onlinehandel für sich entdeckt, Dealer stellen sich das als vermeintlich sicheren Vertriebsweg vor. Immer öfter werden aber auf dem Postweg versandte Drogen abgefangen. Die Zahl der Sicherstellungen beim Zollfahndungsamt Essen stieg hier im vergangenen Jahr um 75% auf fast 1000 Sendungen.

Den Ermittlern gelang es 2019, hochprofessionelle Täterstrukturen auszuheben - so im Raum Gronau/Enschede, wo zwei Banden diesseits und jenseits der Grenze Sendungen in Wohnungen verpackten und diese dann in Postfilialen in NRW zu Kunden in aller Welt auf den Weg brachten. Neben anderen Drogen sollen so binnen eines halben Jahres allein eine Tonne Ecstasy verschickt worden sein. Das Landgericht Münster hat die Bandenmitglieder zwischenzeitlich verurteilt (acht und zehn Jahre für die Haupttäter), die Urteile sind teilweise noch nicht rechtskräftig. (dum)

Bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht man die Entwicklung mit Unbehagen. Es gibt die Sorge, dass die tückische Droge in NRW hängenbleiben und - über kurz oder lang - auch konsumiert werden könnte: „Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen“, meinte GdP-Landesvize Michael Maatz gegenüber der Redaktion. Weil man es mit hochkriminellen Strukturen zu tun habe und das Internet bei der Abwicklung der Geschäfte eine wichtige Rolle spiele, bräuchten Ermittler bessere Überwachungsmöglichkeiten. Zudem müsse die Vorratsdatenspeicherung endlich kommen, forderte Maatz.

Follistatin: Gesundheitliche Folgen nicht absehbar

Die Essener Zollfahnder haben es aber nicht nur mit Drogen zu tun: Auch die Sicherstellungen von illegalen, flüssigen Dopingsubstanzen haben sich von 14.500 ml in 2018 auf fast 100.000 ml in 2019 vervielfacht. Zwei große Untergrundlabore konnten ausgehoben werden – eines Mönchengladbach, das andere in Herten/Marl. Ein illegaler Webshop, der Dopingmittel im großen Stil vertrieb, hatte weit verzweigte Strukturen (in Dormagen, Lüdenscheid, Halver, Neuss, Langenfeld, Wuppertal und Niederkassel).

Besonders bedenklich bei den Dopingmitteln: Erstmals in Europa stießen Essener Zollfahnder auf den Wirkstoff Follistatin - ein Protein, dass im Zusammenspiel mit anderen Hormonen die Muskelbildung regulieren soll. Fotos im Internet zeigen hier „Sportler“ mit absurden Muskelbergen. Der Stoff befindet sich aber noch in der klinischen Erprobung. „Die gesundheitlichen Folgen sind noch gar nicht kalkulierbar“, warnte die ZFA-Sprecherin.

Ketamin: Eigentlich ein Narkosemittel

Einmal mehr stießen die Zollfahnder auch auf große Mengen illegaler Arzneimittel. 2019 waren es fast 24.000 Milliliter Flüssigarzneien und über 240.000 Tabletten - darunter wegen teils lebensgefährlicher Nebenwirkungen in der EU nicht mehr zugelassene, subtraminhaltige Schlankheitsmittel. Abgefangen wurden zudem mehr als 21 Kilo Ketamin, die wohl ursprünglich aus den Niederlanden kamen und für Nordamerika bestimmt waren. Ketamin ist ein verschreibungspflichtiges Narkosemittel, meist von Tierärzten eingesetzt. Es wird als Partydroge missbraucht.

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