Zeeland. Die schwere Nordseeflut-Sturmflut von 1953 ist heute noch in Zeeland allgegenwärtig. Im Watersnoodmuseum können Besucher die Geschichte erleben.
In der niederländischen Provinz Zeeland gelangt man – egal, wo man sich gerade befindet – innerhalb einer Viertelstunde immer ans Wasser. Eindrucksvoll ist auch eine weitere Zahl: Rund 650 Kilometer Küstenlinie zählt die vom Tourismus geprägte Provinz. Seit jeher übt das Wasser hier eine besondere Anziehungskraft auf Einheimische und Besucher aus. Und das trotz der Tatsache, dass das Land mit Ausnahme der Dünen und Deiche beinahe komplett unterhalb des Meeresspiegels liegt. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass es in den vergangenen Jahrhunderten bereits viele Flutkatastrophen gegeben hat.
Eine davon war besonders folgenschwer und ist auch heute noch vielerorts zu sehen, wie ich bei meinem Besuch in Zeeland feststelle. Und vor allem ist sie noch in den Köpfen der Zeitzeugen. Die Watersnood im Jahr 1953, die schwerste Nordsee-Sturmflut des 20. Jahrhunderts, führte zu 67 großen Deichbrüchen und überflutete in der Nacht vom 31. Januar auf den 1. Februar weite Teile Zeelands und andere Teile der niederländischen Küste. Die Bilanz: 1.835 Todesopfer, 40.000 beschädigte Häuser, 3.000 beschädigte Bauernhöfe und eine überflutete Fläche, fast so groß wie das Saarland.
Die Geschichte in vielen Facetten erlebbar macht das Watersnoodmuseum in Ouwerkerk, das heute ein Nationaldenkmal ist. Denn es befindet sich in vier Phoenix-Caissons, hohlen Beton-Senkkästen, mit deren Hilfe neun Monate nach der Sturmflut die letzte Lücke im Deich geschlossen wurde. Heute sind die 62 Meter langen, 20 Meter hohen und 18 Meter breiten Caissons unterirdisch miteinander verbunden und erzählen neben den Geschehnissen der Watersnood auch vom Wiederaufbau und dem Leben mit dem Wasser auf der ganzen Welt.
Viersprachig durchs Museum
Als ich vor dem Museum stehe, liegt vor mir eine fünf Meter hohe Betonwand. „Das ist nur das obere Viertel des Caissons“, sagt ein Mann, der lächelnd auf mich zukommt und sich als Peter Maartense vorstellt. „Der Rest des Senkkastens liegt unterhalb der Erdoberfläche“, erklärt er weiter.
Peter Maartense ist einer von 130 ehrenamtlich Tätigen im Watersnoodmuseum. Für ihn ist es eine Berufung, denn er interessiert sich schon seit langer Zeit für das Thema. Seit rund zehn Jahren führt er Besucher wahlweise in deutscher, niederländischer, englischer und manchmal sogar französischer Sprache durch das Museum.
Heute nimmt er sich die Zeit, mir die Ausstellung zu zeigen. Wir betreten den ersten Caisson, der mir gleich einen Eindruck von der Schwere der Sturmflut vermittelt. Historische TV-Nachrichtensendungen zeigen beeindruckende Luftbilder. Ich stehe zwischen Tausenden Zeitungsausschnitten und Bildern Überlebender auf der einen Seite und Wetterberichten und Klimagrafiken auf der anderen Seite.
Auch originale Gegenstände – etwa Schultasche und Schulbuch eines ertrunkenen Kindes – und ein Fischerboot, das zur Rettung eingesetzt wurde, verdeutlichen das Ausmaß der Katastrophe. Viele Eindrücke, die ich kurz sacken lassen muss.
Anschließend bittet mich Peter Maartense in den zweiten Caisson. „Hier soll der Mensch im Mittelpunkt stehen“, erzählt er mir. „Uns ist es wichtig, dass nicht nur die bloße Opferzahl im Raum steht, vielmehr möchten wir den Besuchern deren persönliche Geschichten näherbringen und ihnen eine Stimme geben.“ Das ist beispielsweise in Form eines Multimediaprojekts mehr als gelungen.
Unmittelbar, nachdem sich das Wasser zurückgezogen hatte, begann der Wiederaufbau von Deichen, Häusern, Ackerland und Infrastruktur. Viel Unterstützung bekamen die Niederlande aus dem Ausland. Dänemark etwa spendete hunderte Bausätze mit Holzhäusern, von denen ich mir eins in Caisson 3 ansehen darf.
Plötzlich finde ich mich im Einrichtungsstil der 50er-Jahre wieder. In diesem Senkkasten zeigt mir Peter Maartense auch Materialien und Geräte, die zum Wiederaufbau Zeelands genutzt wurden. Im hinteren Teil geht es um den „Deltaplan“, ein riesiges Projekt mit Schutzsystemen, die infolge der Jahrhundertflut in den Niederlanden gebaut wurden (mehr dazu im Info-Kasten).
Heutzutage hört man regelmäßig von Überflutungen, zudem ist der steigende Meeresspiegel ein großes Problem unserer Zeit. Darauf macht der vierte Caisson aufmerksam. Verschiedene Themeninseln beleuchten Innovationen und Lösungsansätze, die weltweit erdacht und angewendet werden. In vielen interaktiven Bereichen können die Besucher die Kraft und die Eigenschaften des Wassers kennenlernen – kindgerecht aufbereitet. Doch auch Erwachsene entdecken schnell den Spielspaß. Eines wird mir hier klar und hat mich der Besuch im Museum gelehrt: Die Kraft, die Wasser entfalten kann, ist unvorstellbar.
Denkmal in Zierikzee
An vielen Orten Zeelands erinnern heute Denkmäler an die Flutkatastrophe. So auch in Zierikzee. Die Hafenstadt kann über einen wunderschön angelegten Deich in etwa einer halben Stunde mit dem Fahrrad erreicht werden. Wenn ich auf die Stadt blicke, kann ich mir kaum vorstellen, dass sie 1953 teilweise haushoch unter Wasser stand. Vor dem Südhafentor, durch das man in die schmucke Altstadt gelangt, entdecke ich die Figur einer Frau mit erhobener Hand, hinter der sich ein kleines Kind versteckt.
Dahinter kann ich eine Aufschrift lesen: Beproefd maar niet gebroken. Zu Deutsch: Geprüft, aber nicht zerbrochen. Und genau so ist es. Zeeland wurde wiederaufgebaut, die Deiche verstärkt. So konnte sich die Provinz anschließend zum beliebtesten niederländischen Urlaubsdomizil der Deutschen entwickeln.
Weitere Informationen zur Provinz Zeeland gibt es online unter www.vvvzeeland.de.